Fürstenfeldbruck:Umstieg auf Moderna belastet Ärzte

Lesezeit: 3 Min.

Mediziner im Landkreis fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Denn sie müssen verunsicherten Impfwilligen vieles erklären

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Sie arbeiten seit Monaten am Limit - oftmals abends sowie am Wochenende. Und nun müssen sie auch noch den Mangel verwalten und sich Vorwürfe unzufriedener Impfwilliger anhören. Zahlreiche Ärzte im Landkreis sind sauer. Denn sie erhalten aktuell nur noch einen Teil des bestellten Biontech-Vakzins geliefert, der vor allem fürs Boostern heiß begehrt ist. Davon, dass Moderna eine vollwertige Alternative ist, müssen viele Menschen aber erst überzeugt werden. Das kostet, sofern es überhaupt gelingt, Zeit und Nerven. Vor allem ärgern sich die im Ärztlichen Kreisverband organisierten Mediziner über eine nicht zu erklärende Ungleichbehandlung: Je nachdem, über welchen Apothekergroßhandel bestellt werde, erhalte die eine Praxis alle georderten Biontech-Chargen, die nächste aber nicht einmal die Hälfte, heißt es.

Das Praxisteam der Fürstenfeldbrucker Fachärztin Sandra Kainzinger hat sich schon Beleidigungen anhören müssen von enttäuschten Besuchern. In Gesundheitsminister Jens Spahn sieht die Hals-Nasen-Ohrenärztin den Hauptverantwortlichen. Der CDU-Politiker hatte jüngst verkündet, in nächster Zeit werde vorzugsweise Moderna gespritzt, weil bei den Vorräten das Ablaufdatum nahe. Wenn Biontech/Pfizer der Mercedes unter den Vakzinen sei, dann sei Moderna der Rolls-Royce. Dumm nur, dass viele Menschen im Landkreis, die gute Erfahrungen mit Biontech gemacht haben, lieber wieder den Mercedes hätten. Dabei ist Moderna Experten zufolge durchaus ein sehr wirkungsvoller und guter Impfstoff. Das bestätigt auch Sandra Kainzinger. Aber viele Menschen seien Politikern gegenüber eben misstrauisch. Vor allem, wenn die plötzlich Produkte anpreisen wie einen Zehnerpack Socken im Sommerschlussverkauf. Klug sei das nicht gewesen, findet Kainzinger. Mit einem Vorlauf von weniger als einer Woche war Biontech/Pfizer in einem ersten Schritt auf acht Fläschchen pro Arzt begrenzt worden, "geliefert wurden in unserer Praxis fünf pro Arzt." Am Dienstag "konnten wir nur noch fünf bestellen", geliefert werden in der kommenden Woche aber lediglich noch zwei oder drei. Ihr Fazit: "Echt traurig". 300 Impfdosen verabreicht die Ärztin in etwa wöchentlich, an diesem Samstag außerplanmäßig weitere 150. Und nun also der zwangsweise Umstieg auf Moderna, nachdem die Termine manchmal schon wochenlang im Voraus vereinbart worden sind - mit dem Impfstoff Biontech. "Gestern habe ich deshalb 80 Leute angeschrieben, es besteht unglaublicher Aufklärungsbedarf." Der unnötige Bürokratieaufwand sei empörend. "Wirklich maßlos enttäuscht" von der Bundespolitik hatte sich vor gut einer Woche bereits Wolfgang Ritter vom Vorstand des Bayerischen Hausärzteverbandes gezeigt. Eindeutiges "Politikversagen" zulasten der "sehr impfwilligen Ärzte" ist das auch für Andreas Forster, den Vorsitzenden des Ärztlichen Kreisverbands.

Der von Biontech/Pfizer hergestellte Comirnaty-Impfstoff kommt derzeit nur in geringen Mengen im Landkreis an. Er soll vorerst möglichst ersetzt werden durch das Vakzin von Moderna (Mitte). (Foto: Christof Stache/AFP)

Besonders bizarr ist die Situation für Kinderärzte wie Maike Nordmann aus Fürstenfeldbruck. Der Moderna-Impfstoff ist nur für über 30-Jährige empfohlen. Nordmann impft aber fast ausschließlich unter 18-Jährige. Trotzdem gibt es für sie keine Ausnahmeregel. Auch sie erhält statt der bestellten fünf Biontech-Fläschchen, die für die 30 Injektionen pro Woche genügen würden, nun nur noch zwei oder drei. "Wir Ärzte hätten Kapazitäten und wollen, aber wir können nicht impfen."

Daran ändern auch gut gemeinte Appelle nichts. So rief Emina Burnic, Co-Vorsitzende der Jusos im Landkreis, am Freitag alle zum schnellen Impfen auf. Sie verwies auf die über dem Bundesschnitt liegende Inzidenz im Landkreis, die unter dem Bundesschnitt liegende Impfquote, den zunehmenden Anteil der an Covid erkrankten Menschen auf der Intensivstation und das überlastete Personal im Klinikum.

Neben Johnson und Johnson gibt es an diesem Samstag bei der Aktion des Impfzentrums im Rewe-Center Geiselbullach an der Hermann-Böcker-Straße 13 auch das Vakzin von Biontech. Von 9.30 bis 15 Uhr werden Erst-, Zweit- und Drittimpfungen verabreicht. Terminvereinbarung nicht erforderlich, Registrierung unter www.impfzentren.bayern empfehlenswert. Es ist mit Wartezeiten zu rechnen.

Die beiden Vakzine sowie zusätzlich Moderna kommen am nächsten Samstag, 11. Dezember, in Gröbenzell bei der Aktion von Impfzentrum, Gemeinde sowie Rotary-Club München-West zur Anwendung. Immunisiert wird von 9.30 bis 15 Uhr in der Wildmooshalle. Minderjährige von zwölf Jahren an benötigen die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Auch hier ist eine Registrierung auf dem Impfportal BayImco ratsam, aber keine Bedingung. Erforderlich ist die Vorlage eines Ausweises. "Besonders herzlich eingeladen", so die Gemeinde, seien jene, die bei der letzten mobilen Impfaktion in Gröbenzell am 13. November ihre erste Impfdosis mit Biontech erhalten haben und sich nun die zweite Dosis verabreichen lassen wollen. Eine Booster-Impfung ist für alle möglich, deren zweite Impfung mit einem mRNA-Impfstoff vor dem 11. Juli erfolgt ist. Erfolgte die Erstimpfung mit Johnson und Johnson, ist die Auffrischung schon nach vier Wochen möglich. Mit Wartezeiten ist zu rechnen, eine der Witterung angepasste Kleidung sei empfehlenswert, heißt es in der Mitteilung der Gemeinde.

An diesem Sonntag wird von 12 bis 15 Uhr und ohne Terminreservierung auch in der Mehrzweckhalle von Moorenweis an der Ammerseestraße geimpft. Zur Verfügung stehen Biontech, Moderna und Johnson und Johnson.

© SZ vom 04.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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