SZ-Serie: Schmeckt echt gut:Wo die Bundeskanzlerin Tee bestellt

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In Eichenau bauen sie Pfefferminz-Tee an und huldigen der Pflanze mit einem Museum. Selbst Angela Merkel ist auf den Geschmack gekommen.

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

An einem Novembertag im vergangenen Jahr hatte Hans Kugler die Kanzlerin am Telefon. Kugler ist der Vorsitzende des Pfefferminzmuseums in Eichenau, und Angela Merkel fragte bei ihm nach, ob sie Pfefferminztee bestellen könne. Denn der, den sie im Mai vom Pfefferminzmuseum geschenkt bekommen habe, habe ihr gut geschmeckt. Da sie auf der Homepage des Museums keinen Online-Shop gefunden habe, rufe sie nun an. Kugler wähnte sich im Scherzanruf eines Radiosenders und bat die Anruferin, ihm doch eine E-Mail mit der Bestellung und - vor allem - der Adresse zu schicken. Merkel orderte 20 Dosen des Eichenauer Pfefferminztees und dazu noch 20 Nachfüllpackungen. Kurz nach dem Anruf erhielt Kugler dann tatsächlich eine E-Mail aus dem Kanzleramt mit der Bestellung - und der Zusicherung, die Rechnung werde umgehend bezahlt. "So war es auch", erinnert sich Kugler und scherzt: "Seitdem sind wir königlicher Hoflieferant, nein, Lieferant des Kanzleramtes."

Die Lieferung an Angela Merkel im ersten Lockdown 2020 sei "zur Stärkung der Nerven", wie der Eichenauer Verein der Kanzlerin geschrieben hatte, sie wird wohl eine Ausnahme im Verein des Pfefferminzmuseums bleiben. Ein Online-Shop ist nicht geplant, die jährliche Anbaumenge, die im getrockneten Zustand etwa 3000 Päckchen zu je 45 Gramm ergibt, wird nach wie vor ausschließlich im Museum verkauft. Und auch nur am einzigen Öffnungstag, nämlich Sonntagnachmittag zwischen 14 und 16 Uhr. Ein wahrhaft exklusiver Tee.

Das wissen die Kenner, die sich, aus den Pfefferminzblättern eine, wie die Franzosen sagen würden, "Infusion"aufbrühen. Deshalb waren während der wenigen Öffnungstage im Mai dieses Jahres auch besonders viele Besucher im Museum, um sich mit frischem Tee zu versorgen. Gerade im Lockdown gilt es, die Nerven zu beruhigen, cool zu bleiben. Und das gehe sehr gut mit Pfefferminze, am besten, und da ist sich Kugler sicher, mit Eichenauer "Mitcham-Minze".

Eingerichtet wurde das Museum 1986 im Untergeschoss der Schule an der Parkstraße, die heute Starzelbach-Schule heißt, und die seit einigen Jahren in der Umbauphase ist. Im Souterrain werden unter anderem die einfachen Geräte gezeigt, mit denen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Ackerflächen in der Eichenau beim Bahnhaltepunkt Roggenstein bearbeitet wurden. Das Pfefferminzmuseum ist gleichzeitig auch Heimatmuseum, und eine neue, von Altbürgermeister Hubert Jung verfasste Kurzchronik verschafft den Besucherinnen und Besuchern einen schnellen Überblick über die Geschichte der Gemeinde, auf deren nassen Böden die Minze so gut wächst.

Der Pfefferminzanbau geht auf Adolf Pfaffinger zurück. Der Beamte, der damals in der Siedlung Roggenstein wohnte, holte im Jahr 1918 aus Weihenstephan die Wurzeln und legte sie in den feuchten Boden. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Die Sorte "Mitcham", die heute auch als "Bayerische Minze" oder unter dem Namen "Eichenau" im Handel erhältlich ist, weist einen besonders hohen Anteil ätherischen Öls auf und war bis zum Ende des Anbaus in Eichenau vor allem für pharmazeutische Zwecke vorgesehen. Was auf wenigen Quadratmetern begann, entwickelte sich von den Zwanzigerjahren an von etwas mehr als 1000 Quadratmetern auf eine Fläche von 400 000 Quadratmetern bei Beginn des Zweiten Weltkriegs. Um die 50 Bauernfamilien betrieben den Pfefferminzbau, der dem Drogen- und Gewürzmarkt und der Pharmazie das Ausgangsprodukt lieferte.

Auch wenn die Bauern Produkte in Arzneiqualität abgelieferten, so verdienten sie nicht so gut daran wie die Apotheker, die die Minze weiterverarbeiteten und veredelten. Ab Mitte der Fünfzigerjahre ging es rapide bergab mit den Erlösen, weil billige Importe eine zu große Konkurrenz darstellten. Der Anbau in Eichenau wurde unrentabel und schließlich ganz eingestellt. Im Museum wird erklärt, dass der Pfefferminzanbau nie das große Geld brachte. Nur durch billige Anbauflächen und billige Arbeitskräfte war es möglich, die getrockneten Blätter einigermaßen gewinnbringend vermarkten zu können.

Heute ist der Teeanbau in Eichenau mehr Liebhaberei als Umsatzbringer. Mehr als 500 Arbeitsstunden stecken die Mitglieder des Fördervereins jede Saison in Anbau und Weiterverarbeitung. Anfang Juni erfolgt die erste Ernte, Anfang September die zweite. Danach werden die Wurzeln aus dem Boden geholt und vorbereitet, um sie wieder in den moorigen Boden einzusetzen. Zwischendurch müssen die aktiven Ehrenamtlichen sechs Mal im Jahr gründlich ausgrasen, damit sich die Minze entwickeln kann und die Gesamtmenge von etwa 700 Kilo der sogenannten Nassware zusammenkommt. Was nach dem Trocknen übrig bleibt, ist laut Kugler meist etwa ein Fünftel. Letztlich bleiben etwa 140 Kilo vom wohlriechenden und kräftig schmeckenden "Blattkrüll" der Mentha piperita Mitcham, wie der botanische Name lautet, übrig.

Wer je an einem heißen Sommertag ein Glas heißen Pfefferminztee getrunken hat, weiß, wie erfrischend das ist. In Nordafrika werden die Minzblätter dick eingekocht und der Sud stark gezuckert, ehe er als belebendes Getränk in kleine Gläser gegossen wird. Und wer keinen heißen Tee mag, macht sich mit viel Sprudel und Zitronensaft eine Schorle und aromatisiert mit einem Zweig Minze. Andere zerstoßen die Minze zusammen mit Rohrzucker und Rum zu Mojito. Hans Kugler, seit 1992 Vorsitzender des Vereins, sagt über das Eichenauer Heilkraut: "Man schmeckt die Frische heraus." Kugler trinkt die aufgebrühte Minze lieber, wenn sie schon kalt ist. Die krampflösenden Eigenschaften habe sie auch dann noch. Bei Magen- und Darmbeschwerden soll die Minze besonders gut helfen, ihre Inhaltsstoffe fördern die Gallenproduktion. Aber auch dabei ist die Dosis entscheidend. Zu viel vom Menthol kann auch auf den Magen schlagen.

Die Wiedereröffnung des Pfefferminzmuseums an der Parkstraße 43 in Eichenau ist für Sonntag, 6. Juni, geplant. www. minzmuseum.de

© SZ vom 27.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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