Biodiversität:Die Bienen sind noch nicht gerettet

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Bienen und prächtige Pflanzen - jeder liebt sie, dennoch geht das Artensterben weiter. Jeder kann dazu beitragen, dass sich die Biodiversitätskrise nicht weiter zuspitzt. (Foto: Hanno Schäfer/TUM)

Auch fünf Jahre nach dem Volksbegehren zum Erhalt der Artenvielfalt gibt es viel zu tun. Der Weihenstephaner Wissenschaftler Hanno Schäfer zeigt in einem Vortrag auf: Mit seinem Konsumverhalten und im eigenen Garten kann jeder Einzelne zur Bewältigung der Krise beitragen.

Von Elena Luna Dima, Freising

1,7 Millionen Menschen haben Anfang 2019 das Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern", besser bekannt unter dem Titel "Rettet die Bienen", unterstützt. Es gilt als das erfolgreichste in der Geschichte des Freistaats. Der bayerische Landtag nahm es wenig später mit großer Mehrheit an. Dies ist fünf Jahre her, seitdem ist einiges angestoßen worden. In seinem Vortrag "Haben wir die Bienen gerettet? Biodiversitätskrise in Bayern und weltweit" verdeutlichte Hanno Schäfer, Professor für Biodiversität der Pflanzen an der TU München, dass es damit aber nicht getan sei. Weltweit schrumpften die Hotspots der Artenvielfalt in tropischen Gebieten. Die Folgen seien verheerend. Die Frage bleibt: Was können wir als Gesellschaft tun?

Obwohl das Volksbegehren und die eingeleiteten Projekte ein Schritt in die richtige Richtung seien, gebe es noch viel zu tun, um das Artensterben aufzuhalten. Als Hauptproblem sieht der Weihenstephaner Wissenschaftler den Verlust der Lebensräume für die natürliche Vegetation. Das beginnt bereits bei den Pflanzen. Das Aussterben von Pflanzenarten führe direkt zum Aussterben der Insekten, da das Blütenangebot fehlt. Bereits ein Drittel der Pflanzenarten in ganz Deutschland sind nach seinen Worten verschwunden oder gefährdet.

Aber wieso werden sie verdrängt? Das Problem sei die Eutrophierung, erklärte Hanno Schäfer. Also eine hohe Anreicherung von Nährstoffen wie Stickstoff, die in der Landwirtschaft verwendet werden, in Böden und Gewässern. Obwohl diese Stoffe nur in landwirtschaftlichen Gebieten zum Einsatz kommen, breiten sie sich aus und gelangen auch in Naturschutzgebiete, mit entsprechenden Folgen für die Biodiversität.

Hanno Schäfer schaute sich im Vortrag nicht nur Bayern und das Gebiet um Freising an, sondern zog globale Vergleiche. Um das Thema verständlicher zu machen, zeigte er Beispiele auf. Darunter den Biodiversitäts-Hotspot Azoren, wo die natürliche Vegetation größtenteils für die lokale Milchproduktion verdrängt wird. Eine Pflanze, welche dem Professor besonders am Herzen liegt, das Azoren-Vergissmeinicht (mysotis azorica), ist mittlerweile komplett verdrängt worden und gilt als höchstwahrscheinlich verschwunden.

Schäfer machte dabei deutlich, dass das Problem nicht bei den Bauern vor Ort liege, welche die Milchproduktion betreiben, sondern eher an der EU-Landwirtschaftspolitik. Es werde offensichtlich, dass die Verantwortung gestaffelt ist: Landwirte, Gärtner, die Politik in Bayern, Deutschland und der EU, jede und jeder Einzelne tragen einen Teil der Verantwortung. Und somit appellierte Hanno Schäfer direkt an das Publikum: "Man kann die Artenvielfalt nur erhalten, wenn die Gesellschaft das auch möchte."

Hanno Schäfer hat an der TU München in Weihenstephan die Professur für Biodiversität der Pflanzen inne. (Foto: Andreas Heddergott/TUM)
Blumenwiesen und wilde Ecken in Gärten - jeder kann zum Erhalt der Biodiversität beitragen. (Foto: Hanno Schäfer/TUM)

Die Lösungsansätze sind vielfältig: Einerseits muss sich jeder seines Konsumverhaltens bewusst werden. Je weniger Fleisch- und Milchprodukte produziert werden, umso mehr Raum wird für natürliche Vegetation geschaffen. Ein zweiter Punkt ist, Siedlungsraum als Refugium der Artenvielfalt zu schaffen, etwa durch Naturgärten, betonte Schäfer und wandte sich direkt an das Publikum. Dabei seien eine hohe Pflanzendiversität, heimische Arten und wilde Ecken wichtig. Auf einen weiteren Punkt machte er aufmerksam: Honigbienen-Völker im Garten konkurrierten mit den für die Bestäubung wichtigen Wildbienen. Für Art und Regelmäßigkeit des Mähens sollte ebenfalls ein Bewusstsein geschaffen werden.

Der Vortrag im Freisinger Lindenkeller war sehr gut besucht. Hanno Schäfer gelang es dabei, das Thema verständlich, informativ und eindrücklich zu übermitteln. Anschließend stellten die Besucher viele Fragen und schilderten ihre Anliegen. Dabei wurde deutlich, dass der Erhalt der Biodiversität und Artenvielfalt der Freisinger Bevölkerung genauso am Herzen liegt wie dem Wissenschaftler. Ein Besucher beschrieb den Abend in wenigen Worten: Er bedankte sich bei Hanno Schäfer für den "humorvollen und gleichzeitig sehr erschreckenden Vortrag".

Die Veranstaltung war Teil der Vortragsreihe der TUM School of Life Sciences und der Stadt Freising mit dem Titel "TUM@Freising. Wissenschaft - erklärt für alle". Wie der Name schon sagt, setzt sich die Veranstaltungsserie zum Ziel, der Freisinger Bevölkerung wissenschaftliche Themen verständlich und informativ näherzubringen. Hanno Schäfer ist seit 2012 Professor an der TUM.

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