Tierheim Freising:Anspruch auf Lebensraum geht vor

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Das Freisinger Tierheim müsste dringend erweitert werden. Das geht aber nicht, weil auf der angrenzenden Blühwiese Rebhühner leben. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Gelände müsste dringend erweitert werden. Das geht aber nicht, weil auf der angrenzenden Blühwiese mindestens ein Rebhuhnpaar lebt.

Von Kerstin Vogel, Freising

Das Vorhaben klingt, als dürfte seine Umsetzung eigentlich kein größeres Problem sein - wären da nicht ein paar wenige Rebhühner und deren vermeintliche Ansprüche auf Lebensraum: Der Freisinger Tierschutzverein braucht in seinem vor wenigen Jahren erbauten Tierheim dringend vier neue Hundeausläufe nebst wetterfestem Hundehaus und dafür vor allem einen ausbruchssicheren Zaun. Seit dem Baubeginn 2016 gibt es dafür eine pauschale Genehmigung für insgesamt 3000 Quadratmeter. Damals wurde lediglich noch nicht festgelegt, wo auf dem Tierheimgelände bei Dietersheim diese Ausläufe zu situieren seien, man wollte verschiedene Entwicklungen abwarten.

Angelegt wurde seither ein Hundeplatz mit 1250 Quadratmetern Fläche; und unter anderem, weil man schon aus Sicherheitsgründen eine in sich geschlossene Hundeanlage braucht, steht mittlerweile fest, dass die neuen Ausläufe eigentlich nur in Richtung Westen angebaut werden können. Etwa 1150 Quadratmeter hätte man hier zur Verfügung. Den Bauantrag dazu hat der Tierschutzverein im Februar 2020 gestellt, doch auf die Genehmigung für den Bau des Zaunes wartet man seit mittlerweile 19 Monaten, wie der Vorsitzende des Vereins, Joseph Popp, am Freitag in der Mitgliederversammlung schilderte.

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Jeder Versuch, an eine geeignete Ausgleichsfläche zu kommen, scheiterte

Die Gemeinde Neufahrn, an die der Antrag zunächst ging, erbat zwar noch fehlende Unterlagen, stimmte dann aber zu und gab den Bauantrag, zu dem nahezu zeitgleich auch ein Antrag auf Bauförderung bei der zuständigen Behörde gestellt wurde, im Mai 2020 an das Landratsamt weiter. Im Juli 2020 war von dort dann zu erfahren, dass die Hundeausläufe wegen zu schützender Rebhühner nicht genehmigt werden könnten, wie Popp sich erinnert. Das Problem im Detail: Die 1150 Quadratmeter für die Ausläufe sind Bestandteil einer 3700 Quadratmeter großen Blühwiese, die als Ausgleich für den Tierheimbau angelegt werden musste. Entnimmt man hier eine Fläche, muss die wiederum ausgeglichen werden - und weil hier wohl mindestens ein Rebhuhnpaar lebt, kann das nicht irgendwo geschehen, der neue Blühstreifen müsste im "näheren Umgriff" der Wiese liegen. Diesen Grund aber hat der Tierschutzverein nicht, wie der TSV-Vorsitzende die endlosen Mailwechsel mit Ämtern und Behörden weiter zusammenfasst.

Jeder Versuch, an eine geeignete Fläche zu kommen, sei gescheitert, ein Streifen östlich der ehemaligen B 11 sei beispielsweise mit der Begründung abgelehnt worden, dass es ja um die Rebhühner westlich der Straße gehe. Ein Versuch, Landrat Helmut Petz einzuschalten, sei ohne Ergebnis geblieben, sagt Popp verzweifelt - die Landwirte würden keinen Hehl daraus machen, dass eine Verpachtung als Blühwiese ein landwirtschaftliches Grundstück im Wert massiv mindern würde. Auch der Heideflächenverein und die Kirchenstiftung St. Franziskus hätten nicht helfen können. Dafür habe man mehr oder weniger beiläufig erfahren, dass westlich des Tierheims gerade eine Machbarkeitsstudie für eine Umgehung um Dietersheim laufe, die der Tierschutzverein in seine Überlegungen einbeziehen sollte.

Auslauf für Tierheim
:Genehmigung verschleppt

Dass das Verfahren sich nun schon über eineinhalb Jahre hinzieht, ist nicht nachzuvollziehen

Kommentar von Kerstin Vogel

Wegen Corona landen aktuell immer mehr große Hunde im Tierheim

Während die Suche Woche um Woche andauerte, musste im Februar 2021 auch noch der Antrag auf Bauförderung erneuert werden - und um diese finanzielle Unterstützung nicht endgültig zu verlieren, hat Popp jetzt nicht nur einen Baurechtsanwalt eingeschaltet, sondern sich von den Mitgliedern auch die Erlaubnis geben lassen, namens des Tierschutzvereins eine weitere, dann wieder 3700 Quadratmeter große Blühwiese zusätzlich anzupachten, die den geforderten Ausgleich darstellen würde - auch wenn er noch nicht weiß, wo er dieses Grundstück herbekommen soll.

Das Hin und her ärgert Popp nicht nur, weil der Tierschutzverein auf nahezu der Hälfte seines Tierheimgelände ohnehin schon Naturschutz leistet und die 3700 Quadratmeter 2016 freiwillig und bis heute ohne amtliche Berechnung zur Verfügung gestellt hatte, sondern auch, weil der Verein die Ausläufe dringend braucht - im Interesse der Allgemeinheit, aber auch der Tierheimmitarbeiter. Denn nicht zuletzt wegen Corona landen aktuell immer mehr große Hunde im Tierheim, Herdenschutzhunde oder andere Rassen, die zum Teil schwierig zu handhaben sind.

Der Tierschutzverein ist auf einen Anwalt angewiesen

So hatten manche dieser Tiere Beißvorfälle mit Menschen oder anderen Hunden, manche sind schwer zu vergesellschaften und können nur schlecht tierschutzgerecht in den Zwingern des Tierheims gehalten werden. Aktuell habe man drei gefährliche Hunde im Tierheim, zwei habe man bereits in privaten Pflegestellen ausgelagert. All diese Tiere seien schwer zu vermitteln und müssten trainiert werden, weshalb sie meist für länger im Tierheim säßen.

Der Tierschutzverein arbeite für 16 Städte und Gemeinden sowie vier Polizeiinspektionen, zählt Popp auf. Dass man nun einen Anwalt zahlen müsse, um diese gemeinnützige Arbeit vernünftig machen zu können, "ohne dass sich das Personal verletzt und die Tiere leiden", das sei für ihn nicht mehr nachvollziehbar.

© SZ vom 31.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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