SZ-Adventskalender:Abgehängt in der Pandemie

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Die pakistanische Flüchtlings-Familie Hussain war bei ihrer Integration eigentlich auf einem guten Weg. Doch im Lockdown konnten viele Bildungsangebote nicht stattfinden und ihr Leben ist jetzt aus den Fugen geraten.

Von Gudrun Regelein, Freising

Eigentlich lief alles ganz gut bei der Familie Hussain (Name geändert) - bis Corona kam. "In der Pandemie drohte dann aber alles zu kippen", sagt Jan Drobniak, Leiter der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Diakonie Freising.

Die Familie habe sich immer sehr um Integration bemüht, berichtet er. Das sei auch der Grund für ihren Aufenthaltstitel gewesen. Die Eltern und ihre drei Kinder mussten aus Pakistan fliehen, momentan leben sie zu fünft in einem Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft im Landkreis. Der Vater konnte während der Corona-Krise zwar noch eine Ausbildung als Altenpfleger beginnen. Die Mutter aber scheiterte mit ihrem Wunsch, eine Arbeit in der Gastronomie zu beginnen.

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Wlan gehört in Asylunterkünften nicht zur Grundaustattung

Das musste immer wieder verschoben werden, wegen der Lockdowns oder auch wegen der häufigen Quarantäne - inzwischen hat sie aufgegeben. Auch für die Kinder, die beiden älteren seien eigentlich sehr gute Schüler, sei es in der Pandemie deutlich schwieriger geworden, berichtet Drobniak. Das Internet in der Unterkunft ist sehr schwach, wie in den allermeisten Asylunterkünften. Wlan gehöre dort nicht zur Grundausstattung, was bedeutet, dass Kinder und Jugendliche häufig vom Schulunterricht ausgeschlossen sind. Zudem seien die gespendeten, aber veralteten Notebooks nicht für den Online-Unterricht geeignet. Auch bei Frau Hussain gab es immer wieder Probleme bei der Deutschförderung. Häufig fielen Bildungsangebote aus oder eine Online-Teilnahme war nicht möglich. Den Anschluss nicht zu verlieren, sei kaum möglich, sagt Drobniak.

Daneben gingen den Kindern und ihren Eltern zunehmend ihre sozialen Kontakte verloren, zumeist herrschte in der Unterkunft Besuchsverbot. Auch außerhalb konnten sich die beiden älteren Kinder aber nicht mit ihren Schulfreunden treffen, das wollten deren Eltern nicht. "Die psychische und auch finanzielle Belastung der Familie ist enorm. Eigentlich waren sie auf einem sehr guten Weg, wurden generell aber durch die Pandemie sehr behindert und teilweise auch zurückgeworfen", sagt Jan Drobniak.

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"Viele Familien haben inzwischen den Anschluss verloren"

Dass es den Hussains immer noch vergleichsweise gut gehe, liege am guten Hilfsnetzwerk und den eigenen Ressourcen. Vielen anderen Familien, denen das fehle, gehe es noch deutlich schlechter. "Viele haben inzwischen den Anschluss verloren", sagt Drobniak. Ihre Situation sei frustrierend, ihre Zukunftsperspektive ungewiss. Vielen sei gerade während der langen Monate im Lockdown die Tagesstruktur verloren gegangen, eine sinnvolle Beschäftigung fehle.

Nach einer Pause im Sommer seien nun die Corona-Fallzahlen in den Unterkünften wieder hoch. Die Quarantäne mit vielen Menschen auf engem Raum sei extrem belastend, das ziehe Probleme nach sich. "Zwei Wochen mit vielen anderen Menschen eingesperrt zu sein, ist anstrengend." Das löse Aggressionen aus. Immer wieder haben Bewohner auch - da sie wegen der Quarantäne die Unterkunft nicht verlassen dürfen - ihren Job und damit das Einkommen verloren. Viele haben aber weder Anspruch auf Kurzarbeiter- noch Arbeitslosengeld. Neue Stellen aber konnten nicht angetreten werden. Bei vielen sei die finanzielle Not inzwischen groß.

Die Impfquote unter den Geflüchteten ist inzwischen "einigermaßen gut"

Zumindest aber habe man durch eine intensive Impfaufklärung eine relativ hohe Zahl der betreuten Flüchtlinge erreicht, berichtet Drobniak. "Zunächst gab es zwar eine große Skepsis, jetzt aber ist die Impfquote einigermaßen gut." Dadurch sei vieles wieder einfacher geworden, so auch die Betreuung. "Aber es ist nach wie vor eine sehr anstrengende Zeit." Für alle - für die Menschen in den Unterkünften und für die Helfer. Welche Langzeitfolgen diese Krise für die geflüchteten Menschen haben wird, vermag Jan Drobniak noch nicht zu sagen: "Das wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen."

© SZ vom 11.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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