SZ-Adventskalender:Stilles Leiden in der Einsamkeit

Lesezeit: 2 min

Senioren und Menschen mit Behinderung hat die Isolation während der Pandemie besonders stark zugesetzt. Der SZ-Adventskalender will sie auf dem Weg aus der Krise unterstützen.

Von Gudrun Regelein

Viele ältere Menschen haben im Lockdown ihre Tagesstruktur verloren und mussten ihre Kontakte einschränken. Aus Angst vor einer Ansteckung mit Corona haben viele Seniorinnen und Senioren ihr Zuhause kaum mehr verlassen. (Foto: Catherina Hess)

Isolation und Einsamkeit: darunter haben die alten Menschen in den Corona-Monaten wahrscheinlich am meisten gelitten, sagt Edith Wesel von der Fachstelle für pflegende Angehörige am Caritaszentrum Freising. Viele der Senioren, die noch zu Hause leben, hätten ihre Tagesstruktur verloren, ihre Kontakte mussten stark eingeschränkt werden oder seien sogar weggebrochen. Andere dagegen hätten sich aus Angst vor einer Ansteckung stark zurückgezogen.

Die alten Menschen, eine sehr vulnerable Gruppe, und die Menschen mit Behinderung waren von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen. Der SZ-Adventskalender will sie auf dem Weg aus der Krise unterstützen.

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Die Caritas habe zwar noch über eine lange Zeit hinweg versucht, die Angebote für Senioren aufrechtzuerhalten, berichtet Wesel. Einige aber seien dennoch weggebrochen - wie die Betreuungsgruppen oder die ehrenamtlichen Helferkreise. Während der Lockdowns sei dann gar nichts mehr gegangen. "Mit den alternativen digitalen Angeboten konnten wir aber nicht alle erreichen, demente Senioren beispielsweise oder auch solche, die keinen Computer oder Handy haben - oder nicht damit umgehen können." Schon die Anmeldung für einen Impftermin wurde da zum Problem. Auch für die pflegenden Angehörigen sei diese Situation extrem belastend gewesen, sagt Wesel. "Und nun droht ein neuer Lockdown. Das ist einfach zermürbend."

Im Seniorenzentrum Freising der Heiliggeist-Spital-Stiftung an der Rotkreuzstraße gilt momentan die 3-G-plus-Regel. Die Bewohner dürfen also besucht oder von Angehörigen abgeholt werden. Er sei sehr froh darum, sagt Einrichtungsleiter Björn Kummerow-Fuchs. Vor einem Jahr habe das noch ganz anders ausgeschaut: Einsamkeit und das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, prägten die Bewohner. Damals galten Corona-bedingt Besuchsverbote und eingeschränkte Kontaktmöglichkeiten. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 hatte es bereits sehr früh ein Betretungsverbot für das Heim - beispielsweise für Physiotherapeuten und Logopäden gegeben. Später galt das Kontaktverbot auch für die Angehörigen, nur Bewohner, die im Sterben lagen, durften noch besucht werden. Sogar ein Sicherheitsdienst überwachte damals, dass niemand hereinkam. Das Abschotten sei notwendig gewesen, auch wenn das für viele der zum Teil hochbetagten Bewohner und auch für deren Angehörige "sehr einschneidend" und schwierig gewesen sei. "Die Pandemie hat damals unsere Bewohner isoliert - auch wenn es zu ihrem eigenen Schutz geschah", sagt Kummerow-Fuchs.

(Foto: SZ)

"Ich bin natürlich erleichtert, dass sich das inzwischen wieder verändert hat." Zumindest eine scheinbare Sicherheit gebe es nun wegen der Impfungen und Testmöglichkeiten. Er hoffe, dass es so bleibt, sagt Kummerow-Fuchs. Die Weihnachtsfeier mit Angehörigen, die für dieses Jahr geplant war, habe er aber nach langem Überlegen dennoch abgesagt. Da nämlich wären 30 bis 40 Angehörige dabeigewesen, das sei ihm - trotz 3 G plus - dann doch zu riskant.

Die Sorge sei groß, wie es nun weitergehe, sagt Saskia Hobmeier, Leiterin der Offenen Behindertenarbeit bei der Lebenshilfe Freising. Alle seien müde und erschöpft. Die Lockdowns seien nicht nur durch Isolation und Einsamkeit geprägt gewesen, sondern in diesen langen Monaten seien Fähigkeiten bei den Menschen mit Behinderung verloren gegangen. "Das merkt man bis heute." Viele berichteten von psychischen Problemen oder sogar Erkrankungen.

Mit der 2-G-plus-Regel könnten zwar noch Angebote in der Offenen Behindertenarbeit stattfinden, aber der Organisationsaufwand dafür sei riesig, sagt Hobmeier. "Wir machen, was nur geht", sagt sie. Bestimmte Angebote - wie das Judotraining - aber könne man nicht mehr durchführen. Bei der Offenen Behindertenarbeit gehe es aber nicht ausschließlich darum, für Menschen mit Behinderung ein Freizeitangebot zu schaffen, betont Hobmeier. "Sondern es geht auch um die Integration, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben." Vieles aber musste coronabedingt aufs Eis gelegt werden. Für die Integration bedeute die Corona-Krise definitiv einen Rückschritt, ist sich Hobmeier sicher.

Inzwischen sei die Sorge groß, dass alles wieder von vorne losgehen wird. Viele hätten sich aus Angst vor einer Ansteckung bereits zurückgezogen. "Wir müssen irgendwie die Balance finden zwischen dieser Angst und den Folgen einer erneuten Isolation. Es ist eine beklemmende Situation."

© SZ vom 04.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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