Michael Brinkschröder will da keine falschen Illusionen wecken. Ja, es ist wahrscheinlich so, dass das Interesse für LGBTQI-Veranstaltungen in der katholischen Kirche sich zunächst in Grenzen halten wird, schließlich gebe es noch "viele Vorbehalte und Misstrauen", sagt der Projektleiter der Regenbogenpastoral der Erzdiözese München und Freising. Dennoch wird das Thema Homosexualität und Queersein auch im religiösen Kontext präsenter: Von einer Revolution kann keine Rede sein, aber ein bisschen Bewegung ist da zu spüren. Auch in Freising, wo das Katholische Kreisbildungswerk (KBW) sich nun als Pilotstandort im Landkreis für eine inklusivere Kirche einsetzen will.
Konkret geht es erstmal um drei Vorträge in der Erwachsenenbildung, die vom KBW und der Regenbogenpastoral in der Domstadt organisiert werden und allen Interessierten offen sind. In der ersten Lesung, die schon stattgefunden hat, ging es um die Bibel als queere Lektüre. Am 19. April wird der katholische Theologe Gregor Schorberger, der selbst wegen seiner Homosexualität mehrmals bedroht wurde, seine Studie zu katholischen Menschen vorstellen, die aufgrund des Paragraphs 175 des Strafgesetzbuchs Diskriminierung erlebt haben.
Bis 1994 waren nämlich in Deutschland sexuelle Handlungen zwischen Männern strafbar, aufgehoben wurden alle Urteile erst 2017. Die folgende Veranstaltung findet am 10. Mai statt: Hildegard Gosebrink, Leiterin der Arbeitsstelle Frauenseelsorge der Freisinger Bischofskonferenz, wird über Geschlechterrollen im Katholizismus sprechen. Auch eine interne Veranstaltung steht auf der Agenda. Damit will das KBW die Impulse der Regenbogenpastoral annehmen und sie als Erste vor Ort voranbringen.
Marina Freudenstein, Leiterin des Freisinger KBW, sagte bei der Präsentation der Initiative am Mittwoch, dass sie sich dadurch "mehr Öffnung" gegenüber LGBTQI-Menschen erhofft. Das Kreisbildungswerk habe sich bewusst entschieden, "die Finger in die Wunde zu legen" und über Themen zu referieren, die noch einen großen "Gesprächsbedarf" haben. Ob das Publikum bei den Veranstaltungen zahlreich erscheinen wird, das wird sich zeigen, für Regenbogenpastoral und KBW ist aber erstmal wichtig, einen Diskurs überhaupt einzuleiten. Florian Heinritzi, theologischer Referent des KBW, sagte, es gebe viele queere Menschen in der Kirche, "die gelitten haben und trotzdem in der Kirche geblieben sind". Diese Vielfalt soll nun sichtbarer werden.
Die Erzdiözese München und Freising ist mit ihrer Seelsorge für queere Menschen nicht allein. Inzwischen haben 21 Erzdiözesen in Deutschland ähnliche Projekte wie das Regenbogenpastoral gestartet. Die Tagungen und Fortbildungen - mal handelt es sich um Seminare über christliche Quellentexte, mal um Ausstellungen oder Vorträge - widmen sich sowohl den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Kirche als auch den queeren Menschen oder anderen Interessierten in den Gemeinden. Ziel ist es, "in die Kirche hinein zu wirken" und "sichere Orte" für LGBTQI-Menschen zu schaffen, wie Theologe Brinkschröder am Mittwoch erklärte.
Der Leiter der Regenbogenpastoral weiß, dass der Weg hin zu einer inklusiven Kirche noch lang ist - in Deutschland und erst recht im Vatikan. Er ist Religionslehrer und Co-Sprecher des "Katholischen LSBT+ Komitees" in Deutschland, er hat beim ARD-Projekt "Wie Gott uns schuf" mitgemacht und sich am Massen-Outing innerhalb der katholischen Kirche beteiligt. Er hat selbst Erfahrung mit Diskriminierung gemacht und ist der Meinung, dass Bildung und Sensibilisierung der Schlüssel für mehr Gleichberechtigung und Akzeptanz in den Gemeinden sind.
Glaube:Wenn man nicht so ist, wie die Kirche einen gern hätte
Michael Brinkschröder war Messdiener, studierte Theologie und ist homosexuell. Im Studium wollte er herausfinden, woher die Homophobie in der Kirche stammt. Das alles, obwohl er selbst Diskriminierung erfuhr. Über einen, der die Institution trotz allem nicht aufgeben will.
Angang März hat der Synodale Weg der deutschen Katholiken beschlossen, die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der Kirche anzuerkennen. Dadurch sollen in Deutschland inter- und transgeschlechtliche Menschen in Taufregistern anerkannt werden und es soll Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare geben. Von der Ehe für alle in der Kirche ist man noch weit entfernt und die weiblichen Mitglieder sollen sich erstmal nur mit einer Aussage für das Frauendiakonat zufriedengeben, dennoch bezeichnet Brinkschröder den Beschluss als "sensationell". Von außen betrachtet ist es ein verspäteter und minimaler Schritt nach vorne, aber Brinkschröder möchte die Kirche eben von innen verändern. Und das erfordert unglaublich viel Zeit.
Die Veranstaltungsreihe des Kreisbildungswerks ist übrigens nicht die einzige Initiative in Freising, die sich zurzeit mit der geschlechtlichen Vielfalt innerhalb der Kirche beschäftigt. Im Diözesanmuseum ist gerade die Ausstellung "Verdammte Lust!" zu sehen, die sich mit dem Spannungsfeld zwischen Körper und kirchlicher Sexuallehre auseinandersetzt. Die Domberg-Akademie hat vor Kurzem die Podcast-Reihe "Made in Vielfalt" gestartet, geplant ist auch eine Folge mit Mara Klein, einem nichtbinären Mitglied der Synodalversammlung.