Domberg-Akademie:"Diversity" zum Hören

Lesezeit: 3 min

Radoslav Ganev, Politologe und Gründer des Vereins "RomAnity", kämpft für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz für Sinti und Roma. (Foto: privat)

Ein neuer Podcast der Domberg-Akademie beschäftigt sich mit der Diskriminierung in der Gesellschaft. In der ersten Folge erzählt der Politologe Radoslav Ganev, warum er lange gebraucht hat, um seine Identität als Roma preiszugeben.

Von Francesca Polistina, Freising

Als der Politikwissenschaftler Radoslav Ganev noch jung war, bekam er einen Tipp, der sein Leben jahrelang beeinflussen sollte. Es ging um nichts weniger als seine Zugehörigkeit zu den Sinti und Roma, die Familie empfahl ihm, darüber zu schweigen. "Dich erwartet nichts Tolles, wenn du sagst, dass du Roma bist", hieß es. Also tat Ganev das, was seine Vorfahren schon getan haben: Er verheimlichte seine Herkunft so oft es ging. Erst Jahre später entschied er sich in die Öffentlichkeit zu gehen - obwohl das bedeutete, dass er weder von seinem bulgarischen Geburtsland noch von seinem anderen Heimat Deutschland, wo er inzwischen seit 1995 lebt, als "normaler" Bürger wahrgenommen wird. Doch, wie er im Podcast "Made in Vielfalt" sagt: "Wenn niemand darüber spricht, wird sich daran nichts ändern".

Radoslav Ganev, Gründer des Vereins "RomAnity" der sich gegen Antiziganismus einsetzt, ist der erste Gast eines neuen Podcasts, den die Freisinger Domberg-Akademie dem Thema Diversity und Diskriminierung widmet. Der Podcast heißt "Made in Vielfalt" und in sechs Episoden versucht er, gängige Vorurteile abzubauen und Wissen zu verbreiten - was zwar nicht immer die Garantie dafür ist, wirklich frei von Stereotypen zu denken und zu handeln, aber immerhin ein guter Anfang darstellt. Vor allem aber: Der Podcast beschäftigt sich mit dem Thema aus der Perspektive jener Menschen, die selbst Diskriminierung erfahren. Zum Beispiel, weil sie queer, behindert oder schwarz sind, weil sie eine andere Religion als das Christentum haben oder weil die Familie eine Migrationsgeschichte hat.

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Die Domberg-Akademie ist eine kirchliche Stiftung und bietet Angebote offener Erwachsenenbildung. Die Moderatoren des Podcasts sind der Journalist Lukas Fleischmann und die Referentin für Diversität Annarina Kemnitz. In jeder Episode der sechsteiligen Serie besuchen sie eine Person und diskutieren mit ihr darüber, wie Ausgrenzung funktioniert, welche konkrete Folgen sie hat und was man im Alltag dagegen tun kann. Die Idee dahinter: durch Gespräche lernen. In erster Linie über die Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen, die den Alltag vieler Menschen prägen, aber auch über Kulturen und Lebensweisen, die in Deutschland häufig als "fremd" wahrgenommen werden. Und worüber falsche Vorstellungen kursieren.

In der ersten Folge des Podcasts geht es zum Beispiel um die Fragen: Was bezeichnet man genau mit dem Begriff "Sinti und Roma" (Die Antwort: Unglaublich viele Untergruppen, die unterschiedlichen Traditionen pflegen)? Viele viele Angehörigen dieser Minderheit leben in Deutschland (Deutlich mehr, als man denkt, für Ganev sind es hierzulande mehr als eine Millionen)? Warum ist das Zählen gar nicht so einfach (Spoiler: das hat mit der deutschen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts zu tun)? Und warum haben sich im Kopf der Menschen Vorurteile verfestigt, die hart wie Steine sind?

In den nächsten Folgen geht es auch um queere Menschen in der Kirche

Neben Radolsav Ganev gehören zu den Interviewten in weiteren Folgen auch Dunja Robin, Leiterin der Netzwerkfrauen Bayern, einem Zusammenschluss von Frauen und Mädchen mit Behinderung und chronischen Krankheiten; Justin Hayo, Musiker und Gründer des antirassistischen Vereins Change Network; Tua El-Fawwal, erste Schauspielerin im deutschen Fernsehen, die Hijab trägt; und Mara Klein, non-binär und Mitglied der Synodalversammlung der deutschen Katholiken. Klein engagiert sich für mehr Sichtbarkeit von queeren Menschen in der katholischen Kirche und sagt: "Weil wir mit Geschlecht als unveränderliche Kategorie erzogen wurden, ist es für viele eine Bedrohung zu sehen, dass es Menschen gibt, die das aufbrechen".

Apropos Klischees: Radoslav Ganev sagt im Podcast, dass er trotz seiner ethnischen Herkunft weder tanzen noch musizieren kann, weshalb er (und viele andere Menschen auch) den stereotypen Vorstellungen der Sinti und Roma nicht entspricht. Er sagt auch, dass er gerne als Individuum gesehen werden möchte anstatt als Vertreter einer Gruppe, die immer noch kriminalisiert und ausgegrenzt wird. "RomAnity", der von ihm gegründete Verein, ist nicht zufällig ein Wortspiel aus den Wörtern Roma, das auf Romane "Menschen" bedeutet, und Humanity, also "Menschlichkeit". Er will damit etwas Wesentliches sagen: Sinti und Roma sind Menschen, noch bevor sie Sinti und Roma sind.

Der Podcast "Made in Vielfalt" erscheint immer am 21. des Monats. Die erste Folge mit Radoslav Ganev ist bereits auf Plattformen wie Spotify, Deezer, Soundcloud und Apple und auf der Webseite der Domberg-Akademie zu hören.

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