Lehrerin Rita Patzelt im SZ-Gespräch:Immer alle mitreißen

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Rita Patzelt, Konrektorin an der Grundschule St. Korbinian in Freising, ist auch nach mehr als vier Jahrzehnten im Schuldienst immer noch begeisterte Lehrerin. (Foto: Marco Einfeldt)

Rita Patzelt, Konrektorin an der Grundschule St. Korbinian in Freising, ist auch nach mehr als vier Jahrzehnten im Schuldienst immer noch begeisterte Lehrerin, auch wenn ihr Beruf viel Kraft kostet.

Interview von Katharina Aurich, Freising

Wohl kaum eine Berufsgruppe ist mit so vielen Vorurteilen konfrontiert wie die der Lehrer. Was sich tatsächlich in den Klassenzimmern abspielt und wie vielfältig die Probleme inzwischen geworden sind, denen sich Lehrer stellen müssen, weiß Rita Patzelt, Konrektorin an der Grundschule St. Korbinian in Freising, die auch nach mehr als vier Jahrzehnten im Schuldienst immer noch begeisterte Lehrerin ist. Sie betreute auch junge Kollegen im Praktikum und als Lehramtsanwärter.

SZ: Warum sind Sie Lehrerin geworden?

Patzelt: Schon als Jugendliche machte es mir Freude, Jüngere zu betreuen und ihnen etwas beizubringen. Da ich sportlich war, trainierte ich Jugendliche beim TSV Jahn in Leichtathletik und war lange Jahre Übungsleiterin. Ich dachte zwar auch an eine Musikerlaufbahn, aber mein Talent hätte wohl nicht ausgereicht, um in einem harten Konkurrenzkampf zu bestehen. So machte ich die Musik zu meinem Hobby, nehme bis heute Gesangsunterricht und singe im Chor.

Was ist Ihnen als Lehrerin besonders wichtig?

Eine freundliche, ruhige Atmosphäre und die Freude am Lernen, besonders am Lesen zu vermitteln. Ich lese viel vor und möchte meine Schüler für Bücher begeistern. Als Lehrer muss man immer auch ein bisschen mitreißen können durch Sprache, Mimik und Gestik. Ich möchte für die Kinder eine Autorität im positiven Sinne sein und sie wissen, dass sie mit ihren Sorgen immer zu mir kommen können. Sie sollen mein Interesse an ihnen merken.

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Sie besuchten eine katholisch geprägte Mädchenschule, wie ist Ihr Verhältnis zur Kirche heute?

Als ich in die Pubertät kam, wollte ich mit der Kirche nichts mehr zu tun haben. Der Druck in der Schule, die Erwartungshaltung, den Gottesdienst zu besuchen, trieb mich aus der Kirche. Aber die Musik gab ich nicht auf und kam durch sie wieder zurück in die Kirche. Ich schrieb meine Facharbeit über die Matthäuspassion. Theo Brand, unser Musiklehrer am Camerloher, hat mich geprägt, unter ihm sangen wir damals anspruchsvolle, auch kirchliche Chormusik. Ich sang damals unter seiner Leitung im Freisinger Kammerchor, später im Domchor und im Asamchor.

Dann kamen Sie sogar wieder an Ihre ehemalige Schule...

Nach zwei Jahren in Schwaben wurde ich zurückversetzt und kam an meine alte Schule. Das war zunächst eigenartig, denn dort unterrichteten ja noch ehemalige weltliche und kirchliche Lehrerinnen von mir. Die letzten Schwestern wurden 1989 von der Schule abgezogen. Aber es war dann doch ein schöner Start, die alten Pädagoginnen haben mir den Rücken gestärkt und ich konnte von ihnen lernen.

Welche Stationen lernten Sie im Laufe Ihres Berufslebens noch kennen?

Anfangs im Referendariat durchlief ich verschiedene Stationen in Freising, Kirchdorf, Vötting und Allershausen. Da es in Schwaben damals zu wenig Lehrer gab, wurde ich nach Neu-Ulm versetzt. Als ich dann heiratete, konnte ich nach Freising zurück. Später übernahm ich mehrfach kommissarisch die Schulleitung und wurde dabei sehr gut von unserem Kollegium, anderen Schulleitern und vom Schulamt unterstützt.

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Von Lea Förster

Sie wohnen selbst im Sprengel und treffen Eltern und Schüler auch auf der Straße.

Ja, man kennt sich. Ich achte zum Beispiel darauf, dass Nachbarskinder möglichst nicht in meine Klasse kommen. Das gäbe für die Kinder, die mich als Privatperson kennen, eher Schwierigkeiten. Ein Jahr lang hatte ich eine meiner beiden Töchter in einem Fach im Unterricht. Das war für sie und ihre Freundinnen nicht einfach.

Viele meinen, dass Lehrer eine Unterrichtsstunde vorbereiten und die dann jedes Jahr wieder abspulen. Stimmt das?

Nein. Unterrichtseinheiten müssen immer an die Klassen angepasst werden. Die Lehrpläne, denen wir verpflichtet sind, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder grundlegend verändert. Anfangs, in den 70ern, ging es nur um die Wissensvermittlung und darum, die Lernziele zu erreichen. Schon in den zweiten Klassen behandelten wir den Stromkreis. Siebenjährige bauten ihn mit Schaltungen. Später schwenkten die Lehrpläne wieder um und soziale Themen standen im Vordergrund, miteinander diskutieren und seine Ansichten begründen können. Heutzutage geht es darum, Kompetenzen zu erwerben und vieles eigenständig zu machen, Dinge zu untersuchen, Erkenntnisse zu gewinnen, selbständig und im Team zu arbeiten.

Ein Rückblick auf die vergangenen 40 Jahre in Grundschulklassen - was hat sich verändert?

Früher waren Mütter oder Großeltern zu Hause, heute brauchen Kinder Betreuung, weil die Großeltern nicht hier leben und beide Eltern arbeiten. Meist müssen sie das, um sich ein Leben hier in Freising leisten zu können. Ich selbst hatte das Glück, mit meinen Eltern im selben Haus zu wohnen, sie kümmerten sich um meine Töchter, so dass ich wieder arbeiten konnte. Früher liefen die Kinder in Trauben gemeinsam nach Hause, heute geht jeder nach Schulschluss seine eigenen Wege: in den Hort, in die Mittagsbetreuung oder in die Heilpädagogische Tagesstätte. Für Kinder, die sich gerne zurückziehen, ist ein ganzer Tag in Gruppen anstrengend. Eine große Herausforderung ist heutzutage die Integration von Kindern, die kein Deutsch können, wenn sie zu uns kommen. Wir versuchen sie extra zu unterstützen und zu fördern, so gut es unser Stundendeputat zulässt und überlegen genau, in welche Klasse sie gut passen.

Was geben Sie jungen Kollegen mit auf den Weg?

Sie sollen es sich überlegen, ob sie wirklich Lehrer werden und auf Dauer sein wollen. Es ist kein Job, sondern Berufung und erfordert sehr viel Engagement. Man bekommt von den Kindern viel, als Lehrer gibt man aber auch viel von seiner Kraft.

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