Pandemie belastet viele Unternehmen:Kurzarbeit verhindert das Schlimmste

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Wie die "Sportalm" sind derzeit viele gastronomische Einheiten und Läden am Flughafen geschlossen. Eine Reihe von ihnen wird wohl auch nicht mehr öffnen, zumindest nicht unter den alten Betreibern. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Coronakrise trifft die Wirtschaft im Landkreis hart. Die Arbeitslosenzahlen steigen.

Von Alexandra Vettori, Freising

Die Coronakrise trifft auch die Wirtschaft im Boom-Landkreis Freising. Die Arbeitslosenzahlen steigen, im Dezember 2020 auf 2,7 Prozent, im Vergleich zu 1,9 Prozent im Jahr davor. Aktuell gibt es im Januar 3642 Arbeitslose, das entspricht 3,3 Prozent. Auch die Zahl der Hartz IV-Empfänger wächst: 2020 waren es im Jahresdurchschnitt 3131 Personen, 2019 noch 2737. Das Schlimmste verhindert die Kurzarbeit. Hier aber stammen die aktuellsten Zahlen vom vergangenen August, als 12 254 Beschäftigte aus 639 Landkreis-Betrieben in Kurzarbeit waren. Einen Hinweis für wirtschaftlichen Rückgang sieht die Agentur für Arbeit auch in der 2020 deutlich gesunkenen Personalnachfrage. 2019 meldeten Betriebe laut Sprecherin Christine Schöps von Januar bis Dezember noch 4730 freie Stellen, 2020 waren es 3029. "Dies entspricht einem Rückgang von 36 Prozent", so Schöps.

Entgegen der landläufigen Meinung wirken sich die Corona-Regularien auf alle Branchen aus, mal mehr, mal weniger. In der Arbeitsagentur jedenfalls erkennt man "kein einheitliches Bild". Sprecherin Christine Schöps sagt, "Betriebe innerhalb einer Branche können ganz unterschiedlich betroffen sein oder darauf reagieren." Manche bauten Urlaubs- und Zeitkonten ab, beantragten Kurzarbeit, erschlössen alternative Geschäftsfelder, andere entließen Personal. Die meisten Arbeitslosen sind in Gastgewerbe, Verkehr, Logistik und Handel gemeldet. Rückläufig ist die Tendenz bei Heimen, Sozialwesen und am Bau.

Dienstleistungen

Wichtigste Branche im Landkreis sind die Dienstleistungen, drei Viertel der Wertschöpfung finden hier statt. Fast 80 Prozent der über 85 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse waren 2019 laut Statistik des Landratsamtes diesem Sektor zuzurechnen. Bayernweit liegt der Schnitt bei knapp 67 Prozent. In der ohnehin von Corona belasteten Branche macht sich im Freisinger Land zusätzlich negativ bemerkbar, dass hier es hier viele Flughafen-nahe Gewerbetreibende gibt, etwa Reisebüros, Taxibetriebe, Catering oder Parkplatzbetreiber.

Besonders gefährdet sieht Florian Reil, Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK), die 3577 Kleingewerbetreibenden, die den Großteil der in der IHK vertretenen 5507 Dienstleistungsbetriebe im Landkreis stellen. Sie nämlich haften ihren Gläubigern gegenüber mit dem gesamten Geschäfts- und Privatvermögen. "Viele Solo-Selbstständige waren zuletzt vor dem Problem gestanden, dass bei den bisherigen staatlichen Corona-Hilfen ausschließlich Fixkosten vom Bund erstattet wurden", so Reil. Weil viele Solo-Selbstständige aber nur sehr niedrige Fixkosten hätten, plagten sie massive Existenznöte.

Handwerk

Kreishandwerksmeister Martin Reiter unterscheidet bei den Auswirkungen von Corona nach Branchen. Während das Friseurwesen ebenso wie größere Backbetriebe wegen wegbrechender Großereignisse massiv leiden, sei die Handwerkerschaft nicht allzu schlecht weggekommen: "Bis auf die Friseure dürfen alle arbeiten." Auf dem Bau sei im Winter ohnehin nicht viel los, betont Reiter, der Obermeister der Bauinnung Freising-Erding ist. Das Auftragsvolumen sei auf dem Bau nicht zurück gegangen, wohl aber habe es viele Verzögerungen gegeben, wegen Krankheit oder Quarantäne oder weil Arbeiter aus dem europäischen Ausland verzögert einreisten.

Allerdings, so Reiter, habe man durch die Hygienerichtlinien zusätzliche Kosten gehabt. Manch einer habe die Quarantäne eingereister Mitarbeiter bezahlt, "man will die ja für die nächsten Jahre halten", erklärt der Kreishandwerksmeister. Er weiß von einer Baustelle, auf der kein Dixie-Klo aufgestellt werden durfte, sondern nur ein Sanitärcontainer mit fließendem Wasser. Noch sei die Auftragslage für 2021 nicht schlecht, "wir erwarten aber Rückgänge, weil die Leute sparen".

Hotel und Gaststätten

"Von Insolvenzen wegen Corona weiß ich aus dem Landkreis nichts, aber die werden sich auch nicht zuerst bei mir melden. Und ich weiß, dass viele Leute kämpfen", sagt Anna Elisabeth Hofmeier, Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands. Ihre Branche ist mit am stärksten betroffen. Dabei, so die Statistik der Industrie- und Handelskammer, zählt man im Gastgewerbe mit 40 000 die meisten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Landkreis. Hofmeiers Personal im Hotel-Gasthof in Hetzenhausen ist in Kurzarbeit, die Familie hält die Stellung für eine Handvoll Geschäftsreisender. "Unsere Leute hängen seit Monaten in der Luft", sagt Hofmeier und verbirgt nicht, dass ihr das ähnlich geht. Denn die staatlichen Hilfen von eigentlich 75 Prozent des Umsatzes vom gleichen Monat des Vorjahres, minus Kurzarbeitergeld und diversen anderen Posten, flössen spät und als Abschlagszahlungen. "Das ist wie ein Überraschungspaket. Irgendwann ist was auf dem Konto, da wird man per Mail informiert", so Hofmeier. Bisher ist bei ihr nur ein Teil der Dezemberhilfe eingegangen, und die Novemberhilfe ist noch nicht komplett. Ohne finanziellen Spielraum und eine gute Bank sei das schwierig. Dass die Formulare zur Beantragung kompliziert seien, bestätigt sie, "das muss über Steuerberater oder Rechtsanwalt laufen, und ja, das kostet was".

Logistik

Spedition und Logistik werden gerne als Corona-Gewinner bezeichnet, tatsächlich beutelt die Krise auch diesen Bereich, wie Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des Landesverbands Bayerischer Spediteure, beschreibt. Es beförderten ja nicht alle Firmen die wachsende Zahl an Online-Bestellungen oder sorgten für Nachschub im Lebensmittellager. Vielmehr seien Transport und Logistik in die Lieferketten fast aller Wirtschaftszweige eingebunden. Deshalb treffe es sie, wenn Kurzarbeit herrsche, Märkte wegbrächen oder Transporte mangels Absatz im Lockdown wegfielen. Dazu komme der gestiegene Aufwand für Verwaltung und Umplanung, "allein der wöchentliche Katalog der Änderungen von Vorschriften in den Ländern der EU und EFTA umfasst fast zwei Dutzend Seiten", so Lehmann. Der Wegfall der Passagierflüge am Flughafen bringe Luftfracht-Dienstleiter an ihre Grenzen. "Der überwiegende Teil von Air Cargo wird in München im ,Bauch' der Passagierflugzeuge befördert", so Lehmann, "für ein exportorientiertes Land wie Bayern und die damit befassten Spezialisten ist das sehr nachteilig".

Der Flughafen

Laut Landratsamt lag die Bruttowertschöpfung des Flughafens in der Region 2018 bei mehr als 4,5 Milliarden Euro. Derzeit ist das anders: 7500 der 10 000 Beschäftigten von Flughafen München Gesellschaft und ihren 22 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sind in Kurzarbeit, weil nur noch 100 Starts und Landungen am Tag stattfinden, statt der üblichen gut 1100. Man rechne, heißt es aus der Pressestelle, "mit einem Verlust im dreistelligen Millionenbereich". In den Ladenzeilen am Flughafen herrscht Düsternis. Nur Supermarkt, Apotheken und Drogerien dürfen öffnen, die noch arbeitenden gastronomischen Einheiten bieten To-Go-Betrieb. "Schon jetzt zeichnet sich ab, dass eine Reihe von Läden, vor allem im öffentlichen Bereich, nach Wegfall der Restriktionen und dem Wiederhochfahren des Luftverkehrs nicht wieder öffnen", so ein Flughafen-Sprecher. Das betreffe Ladenschließungen wegen Insolvenzen, frühzeitig aufgelöste und nicht verlängerte Mietverträge.

© SZ vom 30.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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