Es ist nicht besonders schwer, das Haus von Hermann Hechenberger in Paunzhausen im Landkreis Freising als das zu erkennen, was es ist: das Refugium eines ungewöhnlichen Künstlers. Entlang der Kieseinfahrt reihen sich verrostete Skulpturen, vorne steht ein alter Golf, dessen Hinterräder durch Traktorreifen ersetzt wurden. Die Einfahrt ist unverkennbar. Eine seiner Figuren trägt ein weißes Schild vor dem Körper. Darauf steht in blauer Schrift: "Bei mir gibt es keine Unordnung, da stehen nur Ideen rum." Ein Spruch, der später im Haus des 64-Jährigen noch an Bedeutung gewinnen soll.
"Haben Sie gute Nerven?" fragt er kurz nachdem er in schwarzem Langarmshirt, blauer Jeans und mit krausem, weißen Haar seine Haustür öffnet. "Ich hoffe, Sie haben gute Nerven." Er führt die Besucher zur Garage, reißt das Tor auf, es rattert laut und dann offenbart sich einem ein im Dunkel liegender Raum voller Kunstobjekte.
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Zwischen den Figuren, Gegenständen und Konstruktionen ist kaum ein Spalt frei. Eine blaue Milchkanne blitzt aus einem Regal der Garage hervor - damit habe 1985 alles angefangen mit der Kunst, erzählt er. Er war viel auf Flohmärkten unterwegs gewesen, hat mit Antiquitäten gehandelt. Seine Aufmerksamkeit widmete er schnell Milchkannen aus Aluminium, die er bemalte.
"Ich habe gemerkt, damit kann ich Geld verdienen." Später dann versuchte er sich an der Installation von Skulpturen. Sie haben abstrakt geformte Augen und Nasen, Arme und Beine, so haucht der Künstler seinen Gebilden Leben ein. Scheinbar unbrauchbare Einzelteile - defekte Nähmaschinen, alte Bügeleisen oder Stahlketten - setzt Hechenberger in einen neuen Kontext und erschafft so seine Kunst. In seinen Anfängen, erzählt er, habe er vorwiegend provokative Kunst kreiert. "Ich brauche ein Thema, dann kann ich arbeiten."
Viele seiner Werke befassen sich, auch heute noch, mit politischen Themen. Krieg und Umweltverschmutzung bewegen ihn, auch die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft bringt er in seinen Installationen zum Ausdruck. Die roboterhaften Skulpturen aber sollen Menschen unterhalten, sie sollen Freude bereiten.
Hermann Hechenberger kann alles gebrauchen, was andere nicht mehr brauchen können.
In dem Kreuz zum Beispiel wurden Ventilatoren aus alten Trabbis verarbeitet.
Sein Materiallager ist mit allem bestückt, was man sich vorstellen kann.
Er besorgt viel auf dem Flohmarkt...
...oder kauft die Dinge Freunden ab...
...die keine Verwendung mehr dafür haben.
Er stellt die Frage: "Was ist Kunst?" und gibt unmittelbar eine Antwort: "Sie ist nicht kommerziell." Für den 64-Jährigen ist Kunst Kommunikation, er wolle Informationen vermitteln, sagt er. Wenn ihn am gesellschaftlichen System etwas störe, dann wolle er das mit seiner Kunst ausdrücken können. Genau das habe er mit seinen Skulpturen und Gemälden in den vergangenen Jahren geschafft.
Über 60 000 Euro habe er bislang in seine Kunst investiert. Die Materialien für seine Konstruktionen besorge er allesamt auf dem Flohmarkt oder kaufe sie Freunden ab, die keine Verwendung mehr dafür finden. Waren die Teile als einzelnes erst seelenlos, verleiht Hechenberger ihnen wieder eine Bedeutung. "Mit meiner Kunst bleibt das Zeug am Leben."
Im Wohnzimmer erzählt der Künstler, dass er den Buddhismus bewundere. Es riecht nach Räucherstäbchen, würzig und hölzern. Seit seiner Reise nach McLeod Ganj, ein Vorort der indischen Stadt Dharamsala und Residenz des Dalai Lama, versuche er nach den Regeln des Buddhismus zu leben. Fliesen und kleine Steine, die auf dem grünen Kaminsims liegen, sind ein Andenken an diese Zeit. Auch hier reihen sich an Wänden und Tischen seine Skulpturen und andere Werke. Wohin der Blick auch fällt, überall steht Hechenbergers Kunst. Dabei ist sie nur sein Hobby. Vor seinem Ruhestand hat er 43 Jahre lang als Kfz-Mechaniker in Ingolstadt in der Serieneinsatzvorbereitung gearbeitet.
Aktuell beschäftigt sich Hermann Hechenberger mit grüner Energie
Zeitweise habe er seine liebsten Kunststücke auch ausgestellt, künstlerische Aufträge habe er aber nie erfüllt. Wenn Hechenberger sich nicht künstlerisch betätigt, lese er gerne, sagt er. Aktuell beschäftige er sich auch viel mit grüner Energie und gehe ein privates Projekt an, das den ökologischen Wert dieser steigern soll, erklärt er.
Die Küche ist der einzige Ort, der nicht mit seinen Kunstwerken vollgestellt ist so wie im Flur und im Treppenhaus. Auf jeder Stufe steht dort ein Kunstobjekt - Skulpturen, bemalte Milchkannen, ausgefallene Konstrukte. "Alles von mir, alles Kunst, die ich gemacht habe", sagt er stolz. Am Geländer hängt eine Discokugel, die Wände sind mit bunten Gemälden behangen.
An der Kunst vorbei gedrängt und auf dem Dachboden angekommen zeigt sich, was sich in den vergangenen Jahrzehnten so an Kunstwerken angesammelt hat. Hunderte Objekte - Collagen, Gemälde, Skulpturen, kreative Installationen aus allerlei Materialien sind dort zu sehen. Alte Violinen, Puppenköpfe oder skurrile Masken, alles kann der Künstler verwerten.
Auf mindestens 400 Werke schätzt Hermann Hechenberger seine Sammlung. Langsam werde es eng in seinem Haus, sagt er. Nur noch schmale Wege ziehen sich durch den Speicher, manchmal muss Hechenberger sich bücken oder sich seitlich durch die Kunstinstallationen schieben, um sich seinen Weg zu bahnen.
All seine Ideen nehmen in seiner Werkstatt Gestalt an. Sie versteckt sich hinter einem braunen Tor einer weiteren Garage im Hof. Es ist ein schmaler Raum, in dem der 64-Jährige schweißt, bohrt und die Einzelteile seiner Werke zusammensetzt. Bevor Hermann Hechenberger die Werkstatt betritt, zieht er sich eine hellgraue, fleckige Latzhose mit roten Bündchen an. Was für Außenstehende unübersichtlich aussieht, ist für den Künstler ein geordnetes Chaos. Genau scheint er durch den Blick seiner Schweißmaske zu wissen, wo die Teile liegen, die er für sein nächstes Opus benötigt.
Abgesehen von den Milchkannen hat Hermann Hechenberger nicht eines seiner Kunstwerke verkauft. Die Kunst bleibe für ihn Ausdruck seiner Gefühle und Gedanken, die er mit Worten eben nicht ausdrücken könne, sagt er.