Freisinger CSU:"Entscheidend ist, was am Ende rauskommt"

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"In der Sache" stehen die Freisinger CSUler weitgehend hinter Horst Seehofer. Die Wortwahl der vergangenen Woche, finden einige allerdings "unsensibel". (Foto: dpa)

Im Landkreis Dachau schimpft ein Bürgermeister via Facebook gegen die CSU-Parteispitze, in Ebersberg tritt der Altlandrat aus Protest aus der Partei aus. Im Landkreis Freising indes sieht die Basis die Lage nicht so dramatisch.

Von Clara Lipkowski, Freising

Wie zufrieden ist die CSU-Basis im Landkreis Freising mit ihrer Parteispitze? Zuletzt hatte der Hebertshausener Bürgermeister Richard Reischl aus dem Landkreis Dachau seinem Frust in einem offenen Brief auf Facebook Luft gemacht und damit einen Internet-Hit gelandet. In Ebersberg ist Altlandrat Hans Vollhardt nach 47 Jahren aus der Partei ausgetreten und auch von Erwin Huber, CSU-Chef a. D., kam Kritik. Im Kreis Freising ergibt sich ein anderes Stimmungsbild: Unmut über asylkritische Äußerungen von Seehofer, Söder oder Dobrindt gibt es, zwei Austritte sind darauf explizit zurückzuführen. Dem Ansehen der Partei und insbesondere dem Parteichef, schadet das aber kaum.

Franz Donauer, Ortsverband Haag

"Von der CSU ist man es nicht gewohnt, dass unterschiedliche Positionen öffentlich diskutiert werden. Ist das doch der Fall sieht man ihr das nicht nach", findet Donauer. Er sieht den Grund für die kritische Wahrnehmung darin, dass andere Themen außer der Asylpolitik nicht mehr in der Medienberichterstattung Platz fänden. "Das Pflegegeld etwa oder die Digitalisierung in Schulen kommen gar nicht vor." Außerdem würden kursierende Begriffe wie "Asyltourismus" falsch rübergebracht. "Asyltourismus" meine, dass sich Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in einem europäischen Land nicht einfach aussuchen könnten, nach Deutschland weiter zu reisen. So definiert sei der Begriff vertretbar, sagt Donauer.

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Andreas Adldinger, Ortsvorsitzender Kranzberg

"Ich teile die Kritik, dass man die Asylpolitik nicht so in den Vordergrund stellen sollte. Mit diesem Thema können wir nichts gewinnen. Tatsächliche Erfolge erzielen wir ja schon - im Verkehr, beim Thema Wohnen, im Breitbandausbau. Das müssen wir voranstellen." Seehofer sieht er als Minister nicht gefährdet. "Er sagt ja: Ich bin 69, eigentlich brauche ich das alles gar nicht. Und er hat ein dickes Fell, daher denke ich nicht, dass kurzfristig ein Rücktritt ansteht."

Ozan Iyibas, Landesvorsitzender des Arbeitskreises Migration und Integration, Neufahrn

"Die CSU hat auf Landes- und Bundesebene vieles gut gelöst. Aber in der Kommunikation ist sie - wenigstens gefühlt - nur auf ein Thema fokussiert, die Asylpolitik. Da muss ich die CSU vor anderen Parteien und den Medien in Schutz nehmen. Aber uns muss bewusst sein, wie Aussagen bei Menschen ankommen können, das ist das Einzige, was ich zurzeit monieren würde." Dass die CSU mit ihren Äußerungen am rechten Rand fische, lässt er nicht gelten. "Die Union hat bei der Bundestagswahl 2017 an die AfD eine Million Wähler verloren, aber an die FDP sogar 1,2 Millionen. Natürlich wollen wir alle diese Wähler zurückgewinnen." Dass Mitglieder jetzt austreten hält er für falsch. "Stattdessen sollte man seine Meinung in der Partei ausdrücken. Bevor diese Sache unkontrollierbar wird."

Ozan Iyibas, Landesvorsitzender Arbeitskreis Migration.

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(Foto: privat)

Rita Schwaiger, ehemaliges Mitglied des Landtages.

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(Foto: Lukas Barth)

Jürgen Mieskes, Ortsvorsitzender der CSU Freising.

Monika Hermann, Vorsitzende der Frauen-Union Fahrenzhausen.

Rita Schweiger, MdL a. D., Nandlstadt

"Mein Eindruck ist: Drei Viertel der Leute in meinem Umkreis sagen: Seehofer hat recht. Ich habe mir das Masterpapier durchgelesen und daran stört mich nichts. Ja, es hat ein wenig laute Geräusche gegeben in letzter Zeit. Ich persönlich würde bestimmte Wörter so nicht wählen. Aber wenn man sich überlegt, was die Grünen teilweise so vom Stapel lassen, das will ich gar nicht zitieren. Und wenn man jahrzehntelang in der Politik tätig war, weiß man: Entscheidend ist, was am Ende rauskommt - und Seehofer hat die richtige Linie." Seinen Rücktritt zu fordern und auszutreten, findet sie falsch: "Probleme werden nicht besser, wenn man nur Personen austauscht. Und hinschmeißen hilft nicht."

Benedikt Flexeder, Ortsvorsitzender Junge Union Haag-Zolling

"Wir haben mit dem Masterplan sehr viel Gutes erreicht und auch der Asylkompromiss ist gut geworden. Deshalb würde ich mir von der Basis etwas Zurückhaltung wünschen." Die CSU habe nie ausgeprägte Flügelkämpfe geführt, sagt Flexeder, das solle auch jetzt so bleiben. Die Aktion des Bürgermeisters aus Hebertshausen findet er problematisch: "Warum muss man so etwas öffentlich über Facebook machen und so die größtmögliche Keule schwingen?" Vielmehr solle man intern die Diskussion suchen. Einen Ruck nach rechts sieht er nicht, aber ein "Schließen der rechten Flanke". Dass in der Parteispitze der Ton lauter und rauer geworden ist, vor allem im Unions-Streit, sei passiert, weil man nicht weitergekommen sei. "Aber jetzt haben wir ja den Punkt erreicht, wo wir alle wieder runterkommen können und den Innenminister erst mal seinen Job machen lassen sollten."

Florian Bichlmeier, Ortsvorsitzender Moosburg

Bichlmeier hat sehr wohl kritische Stimmen in seinem Verband ausgemacht. "Ich merke schon, dass sich die Geister bei uns scheiden, aber weniger wegen des Vorwurfs, die Partei rücke nach rechts. Man wundert sich mehr über die konkrete Wortwahl. Da würde ich mir auch mehr Sensibilität wünschen." Dem Ansehen von Horst Seehofer hätten die aktuellen Entwicklungen allerdings nicht geschadet. "Viele sind froh, dass er nicht nachgegeben hat und dass er diesen Ärger auf sich genommen hat." Wie lange bleibt Seehofer noch Innenminister? "Ich bin kein Prophet, aber ich sehe keinen Grund, dass er zurücktritt."

Monika Hermann, Ortsvorsitzende Frauen-Union Fahrenzhausen

"Über die derzeitige Wortwahl kann man streiten", sagt auch Hermann, aber nach wie vor sei die CSU in der "Sache", inhaltlich, gut aufgestellt, findet sie. Begriffe wie "Asyltourismus" und Seehofers Erwähnung über die 69 Flüchtlinge seien "Wahlkampfgetöse".

Jürgen Mieskes, Ortsvorsitzender Freising

Dass sich der Hebertshausener Bürgermeister mit einem offenen Brief auf Facebook geäußert hat, findet Jürgen Mieskes grundsätzlich gut. Denn man könne in der Politik nicht nur "kuscheln". Mieskes gibt ihm recht, dass wichtige Themen wenig Beachtung fänden. Einen Grund dafür sieht er bei den Medien: "Die CSU hat von ihrem 100-Punkte-Plan schon 60 Punkte angefangen oder abgearbeitet, etwa das Baukindergeld, aber so etwas wird nicht transportiert. Der Fokus liegt immer beim Asyl und kommt so auch in der Bevölkerung an." Dass Seehofer angezählt ist, sieht er nicht so, aber harter Kritik seitens der Opposition sei er ausgesetzt. "Aber von der breiten Bevölkerung wird er als durchsetzungsfähiger Politiker wahrgenommen." Das Wort "Asyltourismus" findet er legitim. Viele Menschen könnten mit dem Äquivalent "Sekundärmigration" nichts anfangen. "Aber ,Asyltourismus' versteht die breite Bürgerschaft, damit zeigt die CSU: Wir sprechen eure Sprache."

© SZ vom 19.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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