Kommentar:Widerspruchsgeist ist verstummt

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Anders als in anderen Landkreisen stehen die Freisinger CSUler hinter dem Innenminister Horst Seehofer. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Teile der CSU im Landkreis bekennen sich zu reinstem Populismus.

Kommentar von Kerstin Vogel, Freising

Dass die CSU im Landkreis Freising ein recht linientreuer Kreisverband ist, muss einen an sich kaum wundern. Da ist zum einen der Umstand, dass man seit Kurzem mit Florian Herrmann einen waschechten Staatsminister in den eigenen Reihen hat. Der kollektive Stolz auf dessen Karriere, gepaart mit dem Einfluss Herrmanns in seiner Eigenschaft als Kreisvorsitzender, lässt parteiinternen Widerspruchsgeist womöglich frühzeitig verstummen. Zudem sind die eher kritischen Geister ohnehin schon vor Jahren ausgetreten - im Streit um den von den Christsozialen auf Landesebene forcierten Ausbau des Münchner Flughafens, den die Kreis-CSU vorgeblich ablehnt. Manch ein echter Startbahngegner in ihren Reihen kam mit diesem schwer zu erklärenden Spagat nicht klar.

Anders als in anderen Landkreisen, wo sich die CSU-Basis teilweise sehr deutlich von dem von Seehofer angezettelten Getöse um die Asylpolitik distanziert hat, steht nun die Mehrheit der Christsozialen im Kreis Freising "in der Sache" offenbar hinter dem Innenminister. Das mag einen angesichts sinkender Flüchtlingszahlen zwar verwundern. Wirklich schlimm aber ist, dass führende Köpfe der CSU im Landkreis den neuen Duktus ihrer Partei, dieses gezielte Abgleiten in populistischen AfD-Sprech, nicht nur als offenbar unumgänglich hinnehmen, sondern teilweise - wie der Freisinger Ortsvorsitzende Jürgens Mieskes - auch noch als irgendwie notwendig verteidigen, damit das Volk einen verstehe.

Der große Einfluss von Sprache auf das politische Denken der Menschen ist erwiesen - und ein Begriff wie "Asyltourismus", der unterstellt, dass Flüchtlinge eigentlich freiwillig umherreisen, um es sich irgendwo schön zu machen, macht die teilweise lebensbedrohlichen Probleme dieser Menschen klein und lässt sie als selbst gewählt erscheinen - bis hin zu deren Verleugnung. Wenn die Fahrenzhausener Ortsvorsitzende Monika Hermann solche Metaphern wie auch Seehofers unsägliche Entgleisung mit den 69 ausgerechnet an seinem 69. Geburtstag abgeschobenen Asylbewerbern als "Wahlkampfgetöse" abtut und Mieskes sie sogar als "legitim" bezeichnet, bekennen sich hier Teile der CSU im Landkreis klar zu reinstem Populismus. Sie müssen sich fragen lassen, wo genau die Unterschiede zum Gebaren der AfD noch liegen.

© SZ vom 19.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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