Abschied aus dem Jugendstadtrat Freising:Gemeinsam mehr erreichen

Lesezeit: 7 min

Michael Walz zeigt seine Skills auf dem Skateboard auf der Freisinger Skate-Anlage. Der ist auf Initiative von einigen Jugendlichen entstanden, die mit ihren Ideen beim Jugendstadtrat vorstellig wurden. Dieser nahm sich des Projekts an. Es sieht so aus, als würden alle Wünsche der Skater erfüllt. (Foto: Marco Einfeldt)

Michael Weindl, Hannah Burbach, Konstantin Bergt und Korbinian Haslbeck hören beim Freisinger Jugendstadtrat auf. Im Rückblick sagen sie, dass sie von Beginn an Dinge bewegen und Projekte und Ideen verwirklichen konnten, die ihnen am Herzen lagen.

Von Klara Mayer und Kristina Remmert, Freising

Michael Weindl, 23, hat fast fünf Jahre lang zusammen mit Philomena Böhme den Freisinger Jugendstadtrat als Vorsitzender geprägt. Mit Hannah Burbach, 21, Konstantin Bergt, 19, und Korbinian Haslbeck, 19, war er nicht nur Unterstützer und Sprachrohr der Freisinger Jugend, die vier haben auch viele Projekte verwirklicht. Im Gespräch mit der Freisinger SZ erzählen die jungen Leute, die kürzlich aus dem Gremium verabschiedet worden sind, wie es ist, Verantwortung zu übernehmen, wichtige Ideen der Jugend zu thematisieren, welche Herausforderungen entstehen und wie man die Kraft eines Teams nutzt.

Was war Eure Motivation, beim Jugendstadtrat mitzumachen?

Hannah: "Ich wollte mitmachen und dabei bleiben, weil super nette Leute im Team waren. Wir konnten von Beginn an Dinge bewegen und Projekte und Ideen verwirklichen, die uns am Herzen lagen. Nicht nur uns, sondern auch der Jugend Freisings.

Michael: Die Leute sind total cool und die Sitzungen haben total viel Spaß gemacht. Von Beginn an habe ich gemerkt, dass wir wirklich etwas verändern können. Wir wurden von allen unterstützt. Das Einzige, was von einem selber kommen musste, waren die Ideen und die Ausdauer. Es ist nicht nur ein Vorurteil, sondern auch Realität in der Politik, dass man einen sehr, sehr langen Atem braucht, weil das dicke Bretter sind, die man da bohren muss.

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Korbinian: Ich hatte ein neues Projekt gesucht, bei dem ich Verantwortung übernehmen konnte. In meiner ersten Sitzung zum Beispiel wurde über eine recht teure Beleuchtung der Eishalle entschieden. Ich war sehr beeindruckt, wie viel Lust meine Kolleginnen und Kollegen hatten, etwas auf die Beine zu stellen und wie viel uns die Stadt zugetraut hat.

Konstantin: Ich fand spannend, dass ich der Jugend in meinem Umfeld helfen kann. Gleich bei der "Party on ice" mitzumachen, hat mir echt Spaß gemacht, weil die Resonanz wirklich sehr groß war, was ich gar nicht erwartet hatte.

Wie seid Ihr mit anderen jungen Leuten in Kontakt gekommen, um herauszufinden, was sie beschäftigt?

Hannah: Durch meine Schwester und ihre Freunde sowie meine Ausbildung zur Erzieherin habe ich mitbekommen, was unsere Jugend beschäftigt, dem die Stadt nicht so nachgeht. Durch Projekte, die wir mit Jugendlichen umgesetzt haben, haben sich ganze Netzwerke entwickelt. In manchen Fällen werden wir auch auf Instagram mit Anliegen und Wünschen kontaktiert.

Michael: "Man muss die Menschen erst einmal auf uns aufmerksam machen. Wir wollen ja das Sprachrohr der Jugend sein. Um das umsetzen zu können, muss man sich mit Wünschen und Ideen an uns wenden. Wir benutzen die üblichen Plattformen, sei es jetzt Facebook und Instagram .

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(Foto: Marco Einfeldt)

Für Hannah Burbach (zweite von links),...

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(Foto: Instagram-Screenshot/oh)

...Korbinian Haslbeck,...

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(Foto: Marco Einfeldt)

...Michael Weindl (rechts)...

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(Foto: Marco Einfeldt)

...und Konstantin Bergt (zweiter von rechts) ist die Zeit im Freisinger Jugendstadtrat vorüber. Es gelang ihnen, einige Projekte auf den Weg zu bringen.

Wenn Ihr eine Projektidee hattet, wie waren die ersten Schritte?

Hannah: Die Meisten stellen sich vor, sie kommen her und sagen: "Ich hätte gerne einen neuen Belag für den Skateplatz" - und bekommen dann einen neuen Belag für den Skateplatz. Ganz so leicht ist es nicht. Man muss wissen, welche Leute man anspricht, muss dranbleiben und Geduld beweisen. Aber wenn es ein cooles Projekt ist und alle an einem Strang ziehen, konnten wir es bisher immer verwirklichen.

Michael: Alles, was über gewisse Bewilligungsgrenzen hinausgeht, muss in den Haushalt eingestellt werden. Erst diskutieren die Fraktionen, was sie für sinnvoll halten und am Schluss wird ein Haushalt verabschiedet vom Stadtrat. Man muss also bei unterschiedlichen Leuten vorsprechen und ihnen sagen, warum die Idee, die man hat, es wert ist, verfolgt zu werden. Anfangs kam mal ein Jugendlicher und hat sich wieder den Schlägerlauf in der Eishalle gewünscht. So etwas kann man relativ schnell umsetzen, wenn man die richtigen Leute von der Idee überzeugt. Bei Dingen, wo wirklich Geld dahinter ist, dauert alles. Weil eine Stadt halt auch bürokratisch ist.

Welche Projekte lagen Euch besonders am Herzen?

Hannah: Letztendlich generell die Arbeit im Jugendstadtrat mit den anderen. Wir hatten viele tolle Projekte. Die drei Termine der "Party on ice" haben super viel Spaß gemacht. Da wollten wir zeigen, dass man die Eishalle über ihren Funktionszweck hinaus noch besser nutzen könnte, was auch viel bewirkt hat. Seitdem wurde da viel in Gang gebracht, die Eishalle wurde zum Beispiel umgebaut.

Michael: Bei mir gehört dazu auch die "Party on ice", die ich auch cool fand, weil ich gemerkt habe, dass man, wenn man sich hinter etwas klemmt, auch ziemlich große Sachen schaffen kann. Das zu merken, hat uns Rückenwind gegeben für den Antrag auf ein neues Beleuchtungssystem in der Eishalle. Dieser wird hoffentlich bald umgesetzt.

Korbinian: Mein Lieblingsprojekt war der Skate-Park, weil das auch aus Initiative von Jugendlichen entstanden ist. Da kam eine Skater-Delegation auf uns zu und hat gesagt: "Hey, wir wollen das, das und das" und wir haben abgewägt: "Das ist möglich, das wird schwierig." Dann haben wir es geschafft, dass ihre Wünsche in den Haushalt aufgenommen wurden. Der Skatepark ist auf dem Weg, ein ganz, ganz tolles Projekt zu werden. Es wurde sich ein neuer Boden gewünscht, der ist auch im Haushalt drin. Dann wurden sich Flutlichtanlagen und ein Trinkwasserbrunnen gewünscht. Es sieht gut aus, dass alle Forderungen der Skater auch erfüllt werden.

Konstantin: Mit Michael sind wir dabei, einen Partyraum für Jugendliche zu organisieren. Da müssen wir noch viel Arbeit reinstecken, bis das realisiert werden kann. Das Stabsgebäude, wo der Raum sein soll, ist ja zur Zeit das Impfzentrum. Außerdem sollen da auch Räume für das Landratsamt reinkommen. Das sind alles Problempunkte, die besprochen werden müssen.

Michael: Genau, das Gebäude soll kernsaniert werden. Also erst einmal ein bisschen. Dann gibt es eben eine Übergangszeit von vier bis fünf Jahren, in der es dann den Partyraum geben würde, um zu zeigen, dass der Bedarf da ist, also, dass die Freisinger Jugend das annehmen würde.

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Gab es in den vergangenen zwei Jahren Schwierigkeiten, Ideen umzusetzen?

Hannah: Das Problem war nicht die Umsetzung, sondern überhaupt etwas zu finden, was momentan möglich ist. Bei Jugendlichen geht es viel darum, Begegnungen zu ermöglichen und Kontakte zu anderen Jugendlichen herzustellen, und das war coronabedingt ja absolut nicht möglich. Und da irgendwelche Fernangebote zu machen war schwierig oder nicht sinnbringend.

Michael: "Bei uns hat es sehr schnell funktioniert, alles auf Online umzustellen, wir sind ja doch alle relativ digital-affin. Aber auf Dauer merkt man: In allen Bereichen fehlt Jugendlichen momentan der soziale Kontakt. Wir hatten im Sommer eine Klausurtagung, die mit vorherigem Test in persona stattfinden konnte. Da haben wir erst gemerkt, wie sehr auch uns dieser persönliche Kontakt gefehlt hat.

Was habt Ihr für die Zukunft geplant, habt ihr Lust, in die große Politik zu gehen?

Konstantin: Als politisch interessiert würde ich mich immer noch bezeichnen, ich verfolge das Tagesgeschehen, Politik in Deutschland und im Ausland, aber sonst - ich sehe mich nicht darin, Politiker zu werden. Lokalpolitik finde ich immer noch sehr spannend, vielleicht ergibt sich mal die Möglichkeit, im Gemeinderat zu unterstützen.

Hannah: Ich sehe mich auch nicht direkt in der Politik. Ein neues Ehrenamt würde ich mir schon gerne suchen, in dem ich etwas bewegen kann. Die Politik ist mir zu langwierig, der Jugendstadtrat war etwas zwischen Politik und Ehrenamt. Man hat mal so reingeschnüffelt und konnte Projekte verwirklichen. Wogegen man in der großen Politik eher die Sitzungen hat und das Ganze sehr viel theoretischer wird.

Korbinian: Ich habe mich nach drei Wochen Psychologiestudium in Politik und Verwaltung umgeschrieben. Ich habe gemerkt, dass das die Richtung ist, in die ich gehen möchte. Dass das so ist, hat sicher auch der Jugendstadtrat beeinflusst. Der Jugendstadtrat hat mir auch so gefehlt, dass ich jetzt Lokalpolitik in Konstanz mache. Und ich bin den "Grünen" beigetreten.

Michael: Ich bin ja während der ganzen Jugendstadtrat-Zeit schon parteipolitisch in Freising engagiert gewesen, das hat mir beides viel Spaß gemacht. Seit meinem Umzug nach Hamburg bin ich beim dortigen Juso-Distrikt engagiert. Zudem fange ich an bei den lokalen SPD-Abgeordneten im Berliner Büro zu arbeiten. Für mich ist das ein Hobby und Ehrenamt. Ich finde es einfach cool und unheimlich spannend, sich zu beteiligen und seine Ideen einzubringen.

Seid Ihr auch mit anderen Jugendstadträten in Kontakt?

Michael: Auf jeden Fall. Das hilft bei der Ideenfindung, aber der Austausch untereinander ist auch einfach wichtig. Wo sind vielleicht Wände, gegen die man immer wieder rennt? Was sind Projekte, die man auf jeden Fall umsetzen muss, weil sie viel bewirken würden? Vor allem ist der Austausch zwischen alten Hasen, die schon seit 20 Jahren ein Jugendparlament haben, und einem ganz frisch gegründeten Jugendparlament interessant.

Wie viel Zeit habt Ihr in die Arbeit für den Jugendstadtrat investiert?

Michael:Die Sitzungen waren alle drei Wochen. Eine Sitzung hat zwei bis drei Stunden gedauert. Die Sitzung ist das Eine. Die eigentliche Arbeit passiert ja meistens außerhalb der Sitzungen. Ich denke in der Woche waren es dann etwa fünf Stunden. Kurz vor großen Projekten, die dann umgesetzt wurden, auch mal acht bis zehn Stunden. Sehr unterschiedlich.

Hannah: Es gab auch Wochen, da hast du ein paar Telefonanrufe getätigt und Sitzung gehabt. Und viel mehr war's nicht.

Es war also nicht zu viel Arbeit und ihr hattet genug Zeit für andere Dinge?

Hannah: Absolut. Es kann sich ja jeder entscheiden, inwieweit er sich einfügen möchte. Es wird keiner gezwungen, sechs Stunden zu arbeiten. Es ist völlig in Ordnung, wenn man nur zu den Sitzungen kommt und sein eigenes Projekt verwirklicht oder sich auch nur an einem Projekt beteiligt. Im Jugendstadtrat sind wir froh über jeden, der Interesse hat.

Michael: Zu guten Zeiten waren wir so sechs bis sieben Leute. Das allgemeine Problem ist, dass viele Leute nach dem Abi weggehen. Dadurch entstehen Lücken. Das habe ich in der Zeit als Vorsitzender ständig beobachtet. Leute sind gekommen und gegangen. Manche waren nur für ein Projekt da. Und andere sind eben projektübergreifend geblieben.

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Haben sich durch Corona weniger Leute gemeldet, die mitmachen wollten?

Hannah: Die Hemmschwelle, in ein Online-Meeting zu gehen, bei dem du niemanden kennst, ist unglaublich hoch. Es ist für alle eine Notlösung, die eine Weile gut geht, aber auf Dauer ist das kein schönes Arbeiten. Vor allem keines, mit dem du neue Mitglieder dazu bringst, dabeizubleiben.

Konstantin: Wenn ich mich jetzt in einen Schüler hineinversetze, der sechs Stunden am Tag vor dem Computer sitzt und Homeschooling macht, muss da die Lust eher gering sein, alles weitere auch online zu machen.

Müssen Eure Nachfolger Eure Projekte weiterführen?

Hannah: Jede Jugend hat ihre eigenen Themen. Manches wird, was wir in die Wege geleitet haben, vielleicht nicht mehr das Thema der zukünftigen Jugend sein. Und darum geht es beim Jugendstadtrat, dass jede neue Generation sich neu einbringen kann und ihre eigenen Themen verwirklicht.

Michael: Ich glaube es hilft, wenn man seine eigenen Projekte umsetzt. Daran hat man mehr Spaß, weil man sieht, wie schön es ist, eigene Ideen zu verwirklichen.

Liegt Euch zum Abschied noch etwas am Herzen?

Korbinian: Ich war immer wieder überrascht, wie viel man im Jugendstadtrat durchbringen konnte. Diese Selbstwirksamkeit zu erleben wünsche ich anderen Jugendlichen. Wir sind in Freising gut dabei gewesen, ein Beispiel zu geben, wie gut ein Jugendparlament funktionieren kann. Und wie daraus Freundschaften entstehen. An der Stelle auch ein großes Lob an die Stadtjugendpflege und die Stadt .

Hannah: Wir wünschen dem neuen Jugendstadtrat das Allerbeste. Sehr viel Motivation, viel Erfolg mit ihren Projekten, und auch, dass der Jugendstadtrat noch lange bestehen bleibt.

Michael: Ich möchte mich noch einmal bei allen bedanken, die das überhaupt möglich gemacht haben. In dem letzten halben Jahr, in dem ich umgezogen bin, hat mir der Jugendstadtrat schon gefehlt. Es war einfach eine sehr gute Zeit.

Konstantin: Das kann ich so nur unterschreiben.

© SZ vom 28.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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