Junge Menschen im Landkreis Freising:Politische Frühstarter

Junge Menschen im Landkreis Freising: Über Projekte wie die Neugestaltung des Bahnposten 15 in Freising werden interessierte Nachwuchspolitiker beispielsweise im Jugendstadtrat an die Kommunalpolitik herangeführt.

Über Projekte wie die Neugestaltung des Bahnposten 15 in Freising werden interessierte Nachwuchspolitiker beispielsweise im Jugendstadtrat an die Kommunalpolitik herangeführt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Jugendparlamente, Jugendkreistag, parteiübergreifende Stammtische und Gruppierungen - im Landkreis Freising gibt es für Nachwuchspolitiker diverse Einstiegsmöglichkeiten. Viele werden schon in jungen Jahren Stadt- oder Gemeinderäte oder kandidieren für den Bundestag.

Von Thilo Schröder, Freising

Wer sich dieser Tage die politische Landschaft im Landkreis Freising anschaut, blickt in viele junge Gesichter. Menschen in ihren Zwanzigern führen Kreisverbände an oder sind Mitglied im Landesvorstand einer Partei. Seit der Kommunalwahl im vergangenen Jahr sitzen einige von ihnen in Stadt- und Gemeinderäten und im Kreistag. Auch zur Bundestagswahl im September treten mehrere junge Kandidatinnen und Kandidaten an, und das mit aussichtsreichen Platzierungen. Herrscht in der Region ein gutes Klima für den Politnachwuchs?

Auffallend ist ein vergleichsweise üppiges Angebot an sowohl formellen Gremien als auch informellen Netzwerken. Sie tragen bei vielen zur politischen Sozialisation bei, auch über Parteigrenzen hinweg. Eine prägende Zeit sei das gewesen: im Jugendparlament, im Jugendkreistag oder bei gemeinsamen Jugendparteienstammtischen. Das sagen jene, die heute erste Mandate innehaben. Die Vielfalt zeichne den Landkreis aus, heißt es, sie hänge aber auch am Engagement der Einzelnen. Wie junge Menschen in den vergangenen Jahren oft gemeinsam ihren Weg in die Politik gefunden haben: eine Spurensuche.

Politische Erfahrungen sammeln

"Der Jugendkreistag war mein Einstieg in die politische Welt", sagt Andreas Mehltretter. 2009 bis 2011 war er dort Mitglied, am Ende der Schulzeit. "Sehr geprägt" habe ihn diese Zeit, sagt der 29-Jährige. Anträge schreiben, diskutieren, etwas bewegen - damit möglichst viele diese ersten Erfahrungen sammeln, sei es ihm "immer ein großes Anliegen", Gremien wie Jugendstadtrat und Jugendkreistag zu stärken. In seiner Zeit als Juso-Kreisvorsitzender, von 2012 bis 2018, habe er daneben den Jugendparteienstammtisch mitorganisiert, eine informelle Austauschplattform.

Die Vielzahl der Angebote für junge politisch Interessierte sei "schon ein bisserl was Besonderes", sagt Mehltretter. "Das kenne ich nicht aus so vielen anderen Orten." Im Jugendkreistag etwa könne man politische Erfahrungen sammeln, ohne schon welche vorweisen zu müssen. Heute ist Andreas Mehltretter Kreisvorsitzender der SPD, seit vergangenem Jahr Stadtrat in Freising. Und er kandidiert zum zweiten Mal für den Bundestag, heuer auf Platz 15 der bayerischen Landesliste.

Leon Eckert von den Grünen erinnert sich an das gemeinsame Engagement mit Mehltretter für einen regelmäßigen Jugendparteienstammtisch vor einigen Jahren. Auch der 26-Jährige - Kreisrat und Echings Dritter Bürgermeister - kandidiert heuer für den Bundestag (Listenplatz 18). Aus der Versammlung sei einst die Initialzündung für den Aufbau des Freisinger Jugendstadtrats gekommen. Ansonsten sei der Austausch, traditionell im Alten Gefängnis, aber meist locker, informell gewesen. "Langfristig hat man halt auch 'ne Connection, die man dann mal anklingeln kann."

Ein Netzwerk aufbauen

Der Stammtisch sei im digitalen Corona-Modus viel größer geworden, sagt Eckert. Bei seiner ersten Teilnahme 2010 seien vielleicht zehn Leute da gewesen, später 15 bis 20, online zuletzt "bis zu 60". Das liege vielleicht auch daran, dass viele inzwischen Mandate innehaben, mutmaßt er. Aus einem Stammtisch der politisch Interessierten ist offenbar einer der langfristig Involvierten geworden.

"Es hängt immer sehr an Einzelpersonen", sagt Eckert. Fragt man ihn nach tragenden Stützen in den vergangenen Jahren, fallen ihm indes auf Anhieb einige Namen ein: Nico Heitz, Joana Bayraktar (beide für die Grünen im Freisinger Stadtrat), Verena Kuch (Grünen-Stadträtin in Moosburg), Michael Weindl (Juso-Kreischef und Vorsitzender des Jugendstadtrats), Theresa Rudolph (Juli-Kreisvorsitzende), Timo Ecker (FDP-Kreischef), Jens Barschdorf (FDP-Stadtrat in Freising). Weitere Namen, die in früheren Facebook-Events auftauchen, sind etwa Benedikt Flexeder (CSU-Fraktionschef in Haag), Emilia Kirner (ÖDP-Fraktionschefin in Freising), Lena Zehetbauer (Beisitzerin in der SPD Moosburg) und Tobias Weiskopf (FDP-Kreisrat).

Weiskopf sieht vielfältige Möglichkeiten des politischen Engagements für junge Menschen: "Wir sind ein Landkreis, in dem wahnsinnig viel angeboten wird. Da ist viel passiert." Unter den Jugendparteien pflege man "einen guten Austausch". Wie Mehltretter gehörte der heute 23-Jährige aus Allershausen dem Jugendkreistag an. Beim Kreisjugendring initiierte er den AK Jugendpolitik. Den Weg in die Politik ebne aber bereits eine hier "sehr lebendige SMV", sagt der frühere Schülersprecher.

Engagement über Parteipolitik stellen

Im AK Jugendpolitik hat Weiskopf unter anderem mit Philomena Böhme (Freisinger Mitte) zusammengearbeitet. Vor der Landtagswahl 2018 haben sie Kandidaten in einem Projekt mit der Freisinger SZ videointerviewt. Die 20-Jährige hat jedoch vor allem über den Freisinger Jugendstadtrat zur Kommunalpolitik gefunden, wie sie sagt. Seit dessen Gründung 2015 ist sie dabei. Anfangs habe das Gremium primär Schülervertreter und den Nachwuchs der Parteien angezogen, später sei es aber "total überparteilich" geworden, zu einem Raum für alle jungen Engagierten in Freising.

Eines der Highlights der Arbeit sei die Gestaltung des Bahnposten 15, derzeit sei man in Gesprächen mit Skatern. An anderer Stelle sei das Stadtplanungsamt an der Meinung der jungen Leute interessiert, beim Oberbürgermeister laufe man mit Anfragen offene Türen ein. "Ganz viel" habe ihr das Engagement im Jugendstadtrat gebracht, sagt Böhme: Wie setzt man Projekte um, was ist überhaupt umsetzbar? Über die Möglichkeiten, sich als junger Mensch in der Region zu engagieren, sagt sie: "Ich glaub, wenn man sich wirklich engagieren will, gibt es hier wirklich viel." Heute sitzt Philomena Böhme im Freisinger Stadtrat. Dem Jugendstadtrat steht sie weiter vor, denn wie so oft hänge auch dort das Engagement an Einzelnen, sagt sie. Böhme hofft auf eine motivierte Nachfolge.

Auch Verena Kuch hat in Moosburg über das Jugendparlament (Jup) das politische Engagement für sich entdeckt. 2014 sei sie als Elftklässlerin eingestiegen, bis 2019 dabeigeblieben, sagt die heute 24-Jährige. 2015 sei sie den Grünen beigetreten, der Kontakt sei über den damaligen Jugendreferenten Johannes Becher (Grüne) zustande gekommen. Damals sei sie mit Abstand die Jüngste gewesen. Über Stammtische junge Engagierte auch anderer politischer Couleur kennenzulernen, habe da "sehr viel geholfen". Kuch sitzt heute im Moosburger Stadtrat, ihrem örtlichen Grünen-Verband steht sie vor.

Einfach eine neue Gruppierung gründen

Einen anderen Weg ist Thomas Wittmann gegangen. Für Politik habe er sich immer interessiert, sich im Parteien-Angebot aber nicht wiedergefunden, sagt der 24-Jährige. An einem Abend unter Freunden im Hirschen in Moosburg habe man schließlich beschlossen, mit "Fresh" eine eigene Gruppierung zu gründen. Wittmann zog dann neben Julia Neumayr prompt in den Stadtrat ein. Ohne politische Erfahrung oder Anleitung sei es anfangs schwer gewesen, sagt er. "Man kann niemanden in der eigenen Gruppierung fragen: Wie habt ihr das gemacht?" Abläufe erfragen konnte Emilia Kirner zwar, als sie vergangenes Jahr für die ÖDP in den Freisinger Stadtrat einzog. Örtliche Jugendgremien hatte aber auch sie keine durchlaufen, als sie 2016 fürs Studium in die Domstadt kam. Vor der Bundestagswahl 2017 sei sie bei einer Podiumsdiskussion mit den Jugendparteien in Kontakt getreten, habe überparteiliche Freundschaften geschlossen, erzählt die 23-Jährige.

In Freising sei "politisch viel los für junge Menschen", stellt sie fest, es gebe eine "sehr gute Jugendförderung". Dass die Stadt jung und ein Hochschulstandort sei, trage sicher dazu bei. "Ich hab super Anschluss gefunden", sagt Kirner. "Keiner hat gesagt: Du bist hier nicht aufgewachsen." Heuer kandidiert Emilia Kirner für die Bundestagswahl auf Platz zwei der ÖDP-Landesliste.

In Moosburg hatten sich junge Engagierte vor der Kommunalwahl zur Überparteilichen Bagage (Üba) zusammengeschlossen. Einige von ihnen sitzen nun im Stadtrat: Neumayr, Wittmann und Kuch, Stefan John (parteilos, für die Linke) und Philipp Fincke (FDP). Gemeinsam planten sie das Fest für Menschlichkeit parallel zum Wahlkampfauftakt der Kreis-AfD. Gemeinsam organisierten sie ein politisches Speeddating. Man stehe weiter überparteilich im Austausch, sagt Verena Kuch. Wie Eckert sagt sie, es hänge schon an jedem Einzelnen. "Aber wenn es viele Einzelne gibt, dann passiert auch viel."

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