Impfpflicht  für Pflegeberufe:"Entweder alle oder keiner"

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In der Corona-Pandemie arbeiteten viele Intensivstationen in bayerischen Krankenhäuser über lange Zeit am Limit. (Foto: Robert Michael/dpa)

Vom 15. März an gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Darauf reagieren die Beschäftigten in Pflegeberufen und Hilfsorganisationen mit Unmut. Sie sind der Überzeugung, dass die Corona-Infektionsrate im Privaten höher ist als in Kliniken oder Heimen.

Von Charline Schreiber, Freising

Bundesweit gilt vom 15. März an die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Unter anderem Pflegekräfte, Rettungsdienste und Ärzte müssen bis dahin einen Nachweis für eine abgeschlossene Impfung erbringen. Diejenigen, die eine Impfung weiterhin ablehnen, müssen mit einem Beschäftigungsverbot rechnen. Diese Regelung stößt bei Pflegeeinrichtungen in Freising auf Unverständnis.

Im Klinikum Freising sind derzeit ungefähr zehn Prozent der Arbeitnehmer ungeimpft, es könnten etwas mehr oder auch weniger sein, sagt Sascha Alexander, Pressesprecher des Freisinger Klinikums. Eine genaue Zahl könne er nicht nennen, weil diese Angaben dem Datenschutz unterliegen. Das Klinikum respektiere die Impfentscheidungen der Mitarbeitenden.

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Es nehme sich niemand heraus, Vorgaben zu machen, die in das persönliche Entscheidungsrecht der Betroffenen eingreifen, betont Alexander. Die Angestellten des Klinikums seien über den Sachstand informiert worden: "Ab diesem Punkt muss dann jeder selber wissen, ob er sich impfen lassen möchte oder nicht." Vorwürfe würden niemandem gemacht, erklärt er.

Der Druck würde sich aber indirekt bemerkbar machen. Entscheiden sich ungeimpfte Personen noch für eine Impfung, müsse die erste Injektion spätestens Anfang Februar erfolgen, so der Pressesprecher. Können Beschäftigte bis Mitte März keinen Impfnachweis vorlegen, informiert der Arbeitgeber das Gesundheitsamt. Dieses kann eine weitere Beschäftigung der ungeimpften Person untersagen. Alexander spricht hierbei mehr von einer unbezahlten Freistellung, weniger von einer Kündigung.

Entscheiden sich ungeimpfte Mitarbeiter des Klinikums noch für eine Impfung, muss die erste Injektion spätestens Anfang Februar erfolgen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Unter anderem, weil nicht kommuniziert werde, ob die betroffenen Beschäftigten ihre Tätigkeit wieder aufnehmen könnten, ließen sie sich zu einem späteren Zeitpunkt impfen. Zudem tritt nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Regelung des Paragrafen 20a des Infektionsschutzgesetzes zum Ende des Jahres außer Kraft. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist dann nicht mehr gültig. Eine Hintertür, die für Alexander Fragen offen lasse.

Dass die Impfpflicht ausschließlich für Einrichtungen des Gesundheitssektors gilt, ist für ihn nicht nachvollziehbar: "Es hilft nichts, nur einen Bereich mit der Impfpflicht zu belegen und im Privaten läuft alles so weiter wie zuvor. Die Infektionsrate ist privat höher als in Kliniken und Pflegeeinrichtungen mit hohen Hygieneauflagen." Das Gesundheitsamt verweist auf den Schutz der Patienten und Pflegebedürftigen vor einer Covid-19-Infektion. Verständlich, findet Alexander, Ziel müsse es aber sein die Impfquote zu erhöhen, die einrichtungsbezogene Impfpflicht verfehle diesen Auftrag.

Albert Söhl, Kreisgeschäftsführer des BRK Freising, kritisiert, dass "gerade die Berufsgruppen, die die Kohlen aus dem Feuer holen" einer Impfpflicht folgen müssen, andere aber nicht. "Entweder alle oder keiner", findet er. Er habe mitbekommen, dass die Beschäftigten auf die Thematik aufgebracht reagieren. Verständnis dafür, dass die Impfpflicht nur Einrichtungen betreffe, gebe es wenig. Im Kreisverband des BRK seien ungefähr 98 Prozent der Mitarbeitenden geimpft. Angst vor Personalengpässen durch Beschäftigungsverbote hat Söhl kaum.

Das liege aber vor allem an der intern hohen Impfquote, die sich, laut Söhl, auch in den Pflegeheimen im Landkreis zeige. Zu Beginn des Jahres waren etwa 85 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Seniorenheimen im Landkreis Freising vollständig gegen Corona geimpft, erklärt Robert Stangl, Pressesprecher des Landratsamts. Vier Prozent der Mitarbeiter hatten bis dahin eine Impfdosis erhalten. Stangl weist aber darauf hin, dass inzwischen die Zahlen gestiegen sein dürften. Das Landratsamt, das im Zuständigkeitsbereich im regen Austausch mit den Einrichtungen stehe, habe mitgeteilt bekommen, dass einige Beschäftigte seither schon einen Impftermin hatten.

Im Senioren-Service-Zentrum Allershausen bestätigt Einrichtungsleiter Dietmar Ludwig diese Annahme: Über 95 Prozent seien hier vollständig geimpft. Das Personal sei ohnehin knapp, sagt er. Es fehle mindestens an zwei Mitarbeitenden. Ob diese Zahl im März zwangsläufig weiter ansteigt, könne Ludwig noch nicht sagen. Bis dahin bestehe seine Aufgabe darin, mit den Pflegenden zu kommunizieren, den Unmut, den die Impfpflicht verursacht zu sehen und aufzuklären.

Wie viele Beschäftigte letztendlich aufgrund eines Tätigkeitsverbots freigestellt werden oder sich beruflich umorientieren müssen, bleibt unklar. Die akute Personalknappheit lasse hoffen, dass sich viele für eine Impfung entscheiden, erklärt Sascha Alexander vom Klinikum Freising und gibt auch zu bedenken: "Letztenendes sind wir in der Hinsicht nur Befehlsempfänger. Ob dieser Prozentanteil der Ungeimpften wirklich gehen muss, bezweifle ich. Die Dramatik" - der einrichtungsbezogenen Impfpflicht- "bleibt abzuwarten".

© SZ vom 29.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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