TUM in Weihenstephan:Glühwürmchen in Gefahr

Lesezeit: 3 min

Julia Schmack an ihrem Arbeitsplatz an der TUM in Weihenstephan. (Foto: Marco Einfeldt)

Künstliches Licht stellt nachtaktive Insekten wie das Glühwürmchen vor Herausforderungen. Aber auch der Klimawandel schadet den leuchtenden Tieren. Für Ökologin Julia Schmack ist das Teil eines größeren Problems.

Von Lena Meyer, Freising

Es ist ein Schauspiel, das den Menschen schon seit Jahrhunderten beeindruckt: die sanften und funkelnden Lichter der Glühwürmchen. Alljährlich, meist ab Mitte oder Ende Juni, schwärmen die kleinen Tiere aus und suchen bis Anfang August nach einem Partner. Besonders hilfreich bei dieser Suche ist ihre eigene Lumineszenz. Wenn die Welt schlafen geht, verwandeln die Leuchtkäfer (lateinisch: Lampyridae) die Dunkelheit in ein Lichtspektakel. Doch die Welt will nicht mehr so einfach schlafen gehen. Zumindest nicht in völliger Dunkelheit. Der Mensch macht die Nacht zum Tag und viele nachtaktive Insekten, wie das Glühwürmchen, zahlen den Preis.

Bereits seit einiger Zeit gehen Forschende von einer weltweiten Bedrohung der Glühwürmchen-Population aus und sehen in der zunehmenden Lichtverschmutzung eine mögliche Ursache dafür. Auch in diesem Jahr warnten britische Forscher in dem Fachblatt Journal of Experimental Biology, dass künstliche Lichter in der Nacht eine natürliche Lumineszenz der weiblichen Tiere überstrahlen. Diese sitzen flugunfähig in der Vegetation und locken mit ihrem leuchtenden Hinterleib die fliegenden Männchen an, die sich dann auf das Weibchen fallen lassen. Oder sie eben übersehen, bei all den grellen Lampen, Kugeln oder Lampions, die heller als jedes Glühwürmchen-Weibchen strahlen.

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"Die Lichtverschmutzung behindert das Einanderfinden", bestätigt die Ökologin und Spezialistin für Insektenforschung Julia Schmack von der TU München in Weihenstephan. Hinzu komme laut Forschungen, dass die männlichen Artgenossen des Öfteren Gebiete meiden, die von künstlichem Licht erstrahlt werden. Somit kommen sie nicht mal in die Nähe eines Weibchens, das sitzend wartet und einsam vor sich hin leuchtet.

Die Folgen: eine erfolglose Partnersuche, geringe Fortpflanzungschancen und damit ein schwindender Tierbestand. Obwohl es keine systematischen Untersuchungen über die Verbreitung der Leuchtkäfer in Freising gebe, sei dennoch aufgrund von Einzelbeobachtungen und internationaler Forschungen davon auszugehen, dass Glühwürmchen vor einigen Jahrzehnten weitverbreiteter waren, vermutet Schmack.

Die Lichtverschmutzung ist wohl nur die Spitze des Eisbergs

Tatsächlich aber ist die Lichtverschmutzung dabei wohl nur die Spitze des Eisberges. Denn als weitaus größeres Problem für die leuchtenden Insekten nennt die Ökologin den Klimawandel und die dadurch entstehenden Hitzeperioden. "Aufgrund des Klimawandels sind Hitze und Trockenheit zum größten Problem der Glühwürmchen geworden", sagt Schmack. Wenn sie nicht gerade auf Paarungsflug sind, leben die kleinen Insekten nämlich am Boden und benötigen dort schattige und feuchte Lebensräume. "Die Welt allerdings wird wärmer, die Sommer trockener und heißer." Die damit einhergehenden - und vor allem langen - Trockenphasen seien für die leuchtenden Insekten tödlich, weiß sie. Nicht nur, weil dadurch ihre eigenen lebenswichtigen Habitate zerstört werden, sondern auch die ihrer Hauptnahrungsquelle: die der Schnecken. Der Klimawandel zerstört damit sowohl Lebensraum als auch Nahrung der leuchtenden Tiere.

Und wie sieht es mit der Glühwürmchen-Population in Freising aus? Eigentlich ganz stabil. Zwar sei die Glühwürmchen-Forschung in der Domstadt recht dünn. Aber: "Freising bietet viele ideale Lebensräume für Glühwürmchen", sagt Schmack. Als Beispiel zu nennen seien hier die feuchten Wiesen entlang der Isar oder Moosach oder die schattigen Waldgebiete - dort fühlen sich die Insekten besonders wohl. Diese Habitate bilden somit "gute Lebensräume" für die kleinen Tiere, so Schmack. Und gerade in diesen sei die Population "äußerst stabil".

Besonderer Zauber: Glühwürmchen auf Partnersuche. (Foto: imago stock)

Entwarnung für die Tiere bedeutet das aber nicht zwangsläufig. Denn der Lebensraum sei dennoch stark zurückgegangen. "Städte und Gemeinden wachsen und ihre Straßenlampen breiten sich mit ihnen aus. Unsere Parks sind häufig aufgeräumt und es fehlt an naturbelassener und feuchter Laubschicht", erklärt Schmack. Diese Faktoren können einen Rückgang der Glühwürmchen-Population begünstigen.

Diesen Rückgang, der auch international zu beobachten sei, sieht Schmack allerdings als Teil eines viel größeren Problems an: des allgemeinen Rückgangs einer Insektenvielfalt. "Und als Hauptursache hierfür gelten weiterhin der Klimawandel und die industrielle Landwirtschaft beziehungsweise der Einsatz von Pestiziden und die Zerstörung von Lebensräumen", sagt sie. Doch ohne Insekten brechen die Ökosysteme zusammen, was wiederum gravierende Folgen für den Menschen hätte.

"Um dem Insektensterben entgegenzuwirken, müssen wir jetzt handeln und Lebensräume schaffen", sagt Schmack und appelliert daher, wertvolle Habitate dauerhaft zu schützen und wiederherzustellen. Gerade naturbelassene Wiesen, intakte Wälder und naturnahe Flüsse müssen erhalten werden, "wenn wir weiterhin den Glühwürmchen-Zauber erleben möchten", sagt Julia Schmack.

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