Freisings neuer Polizeichef:"Jeder Tag ist eine neue Herausforderung"

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Der 48-jährige Matthias Schäfer ist Freisings neuer Polizeichef. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit September ist Matthias Schäfer Freisings neuer Polizeichef. Im Gespräch mit der SZ erzählt er, wie Corona den Alltag bestimmt.

Interview von  Gudrun Regelein

Er sei gut und ruhig in Freising angekommen, sagt Matthias Schäfer. "Aber dann hat Corona schnell wieder das Zepter übernommen." Seit vergangenem September ist der 48-jährige Franke, der nach der Mittleren Reife bei der Polizei in Nürnberg seine Ausbildung begann, der neue Polizeichef Freisings. Im Gespräch mit der SZ Freising erzählt er von der großen Herausforderung, die Corona bedeutet - und dass er nach fast 31 Jahren noch immer sicher ist, als Polizist seinen Traumjob gefunden zu haben.

SZ: Herr Schäfer, die Protestmärsche von Coronaleugnern oder Maßnahmengegnern halten sich bei uns bislang noch in Grenzen. Beschäftigt Sie das Thema dennoch?

Matthias Schäfer: Ja, sogar ziemlich. Wir haben inzwischen jeden Montag eine nicht angezeigte Versammlung auf dem Marienplatz. Von dort aus ziehen die Leute dann manchmal durch die Stadt. An diesem Montag war das wieder so, wir mussten auch einige Ordnungswidrigkeiten beanstanden. Die Protestierenden argumentieren zwar, dass es eine Versammlungsfreiheit gibt - und das ist natürlich auch so. Bei den sogenannten Spaziergängen handelt es sich aber um nicht angezeigte Versammlungen, es sind ja keine spontanen Protesttreffen, die unter die Anzeigefreiheit fallen würden. Nicht angezeigte Aufzüge dürfen nicht stattfinden.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Der 48-jährige Matthias Schäfer ist seit September vergangenen Jahres als Nachfolger von Ernst Neuner der neue Freisinger Polizeichef.

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Der Franke, der nach der Mittleren Reife bei der Polizei in Nürnberg seine Ausbildung begonnen hat, ...

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... ist auch nach 30 Jahren im Dienst noch davon überzeugt, ...

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(Foto: Marco Einfeldt)

... dass er seinen Traumjob gefunden hat.

Gab es für die Polizei eigentlich ein Training oder eine Vorbereitung, wie sie sich bei den Protestmärschen verhalten soll?

Nein, aber natürlich werden die Polizisten in Besprechungen oder Dienstunterrichtungen gebrieft, wie sie sich verhalten sollen. Für die planerische Seite ist das ja aber auch ein neues Phänomen, dass sich über soziale Medien zu Versammlungen verabredet wird. Unsere Aufgabe bei diesen Spaziergängen, bei denen bis zu 100 Menschen unterwegs sind, ist herauszufinden, was sie genau vorhaben, wo das Ziel ist. Dann erst können wir uns um die notwendigen Verkehrssicherungsmaßnahmen kümmern, also beispielsweise den Verkehr um- leiten. Bislang aber gab es bei uns kein Gewaltpotenzial oder körperliche Gewalt bei den Spaziergängen - manchmal bedanken sich Protestierende sogar bei uns...

Momentan haben wir explodierende Omikron-Zahlen: Spüren auch Sie Auswirkungen?

Was den Dienstbetrieb betrifft, haben wir das unter Kontrolle. Die positiven Fälle halten sich bei uns bislang in Grenzen. Alles ist ruhig, die meisten Kollegen sind aber auch bereits durchgeimpft - und müssten als geboosterte Kontaktpersonen auch nicht in Quarantäne. Bislang sind wir zumindest gut durch die erste Omikron-Welle gekommen.

Sie gehören zu der kritischen Infrastruktur. Welches Sicherheitskonzept haben Sie?

Wir setzten auf Cluster-Bildung. Zwischen den unterschiedlichen Dienstgruppen findet grundsätzlich keine Vermischung statt. Sollte also eine Gruppe coronabedingt ausfallen, könnten das die anderen auffangen. Außerdem würden wir notfalls den Schichtrhythmus umstellen. Daneben besteht in den Büroräumen bei mehreren Personen eine FFP2-Maskenpflicht. Und bei Besprechungen versuchen wir, den Personenkreis soweit als nur möglich zu reduzieren oder machen gleich Videokonferenzen. Ich sehe derzeit keine Gefahr, dass wir nicht mehr einsatzfähig sind.

Wie schützen sich die Polizisten im Einsatz? Gerade bei der Streifenpolizei ist der Kontakt zu anderen Menschen ja oft eng...

Die allermeisten Polizisten tragen FFP2-Masken. Das Bewusstsein, dass die Situation eine andere als früher ist, ist sicher da. Natürlich gab es auch früher ansteckende Krankheiten, aber Corona bedeutet eine sehr besondere Situation, da sind inzwischen alle sensibilisiert und versuchen, Abstand zu halten. In manchen Momenten, wie einer Festnahme unter Zwang, ist das aber natürlich nicht möglich. Da wird die Mindestdistanz unterschritten. Aber nach so einem Einsatz ist dann niemand leichtfertig in der Dienststelle unterwegs. Manchmal gibt es stressige Situationen, beispielsweise wenn wir zu jemandem nach Hause gerufen werden. Wir kennen das familiäre Umfeld ja nicht, wissen nicht, was uns erwartet. Komplett ausschließen kann man leider nicht, dass sich jemand mit Corona ansteckt.

Bei vielen Menschen liegen die Nerven blank, viele sind mürbe nach fast zwei Jahren Corona. Gibt es mehr Anfeindungen oder Pöbeleien gegen Ihre Beamte?

In Einzelfällen gibt es Anfeindungen - aber diese sind nicht repräsentativ. Manche Personen provozieren, indem sie keine Masken tragen oder zeigen durch ein Rumhusten ihre Geringschätzung. Es gab aber auch schon immer ein Klientel, das grundsätzlich nicht positiv eingestellt war.

Wie geht man damit um?

Indem man sich fragt, wieso jemand so reagiert und notfalls deutliche Grenzen aufzeigt. Für sich selbst muss man auch Grenzen finden, sich abgrenzen können. Manches kann man einfach abschütteln, andere Erlebnisse nagen an einem. Wir haben Strategien, wie wir damit umgehen können. Und wir haben Psychologen und Seelsorger als Ansprechpartner. Jeder kann und soll sich Hilfe holen - und braucht sich dafür nicht zu schämen.

Anderes Thema: die häusliche Gewalt, die laut Experten bedingt durch die Corona-Situation stark zugenommen hat. Auch bei uns?

Tatsächlich ist das nicht so. Die Zahlen sind in etwa die gleichen geblieben, aber wir kennen natürlich die Dunkelziffer nicht. Deutlich angestiegen dagegen sind in der Pandemie aber die Zahlen bei der Online- oder Cyber-Kriminalität. Im Internet wird eingekauft, aber die Ware nicht geliefert - oder es wird bestellt, aber nicht bezahlt. Die Wohnungseinbrüche dagegen sind rückläufig.

Das G7-Gipfeltreffen wird 2022 wieder auf Schloss Elmau stattfinden. Ist auch die Freisinger Polizei involviert?

Ja, das Polizeipräsidium Oberbayern Nord ist mit eingebunden und damit auch wir. Thematisch geht es um notwendige Verkehrsmaßnahmen für Garmisch, wo wir dann auch vor Ort sein werden. Das wird in guter Tradition immer der Polizeiinspektion Freising überlassen. Das ist schon eine Herausforderung, wir haben nur ein Zeitfenster von sechs Monaten - das fordert uns auch.

Letzte Frage: würden Sie noch einmal Polizist werden wollen?

Es war vom ersten Tag an mein Traumberuf und ist es immer noch. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung, bietet etwas anderes. Es ist einfach ein toller Beruf.

© SZ vom 28.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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