Hochschulen in Freising:"Uns ist es wichtig, in die Zukunft zu schauen"

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TUM-Professor Dietmar Zehn ist intensiv in die Planungen für das neue Forschungszentrum für Infektionsprävention in Weihenstephan eingebunden, Mitte Juli wird der Grundstein gelegt. (Foto: Marco Einfeldt)

Multiresistente Keime werden zu einer immer größeren Gefahr für den Menschen. Mit dem Zentrum für Infektionsprävention in Weihenstephan will die TU München neue Ansätze finden, um das Problem in den Griff zu bekommen. In Kürze beginnen die Bauarbeiten.

Von Petra Schnirch, Freising

Antibiotika-Resistenzen sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine der größten Bedrohungen. Jedes Jahr sterben weltweit etwa 1,3 Millionen Menschen, weil Medikamente gegen multiresistente Keime nicht wirken. Bis 2050 könnten es sogar bis zu zehn Millionen sein, warnen Wissenschaftler. Ein neues Forschungszentrum der TU München (TUM) will deshalb den Fokus auf neue Strategien richten, um mit dem komplexen Problem besser umgehen zu können. Am Dienstag, 11. Juli, wird in Weihenstephan der Grundstein für den hochtechnisierten Neubau gelegt. Im Dezember 2025 soll das Zentrum für Infektionsprävention an der Liesel-Beckmann-Straße bezugsfertig sein.

Leiten wird es Dietmar Zehn, der an der TUM den Lehrstuhl für Tierphysiologie und Immunologie inne hat und in einem kompetitiven, deutschlandweiten Auswahlverfahren das Fördergeld für das Institut eingeworben hat. Er spricht von einem "Meilenstein". Der dreigeschossige Neubau nördlich der Thalhauser Straße wird je zur Hälfte aus Büros und 25 bis 100 Quadratmeter großen Laboren bestehen. Das Zentrum bringt Mikrobiologen, Immunologen, Epidemiologen, Mediziner, Veterinärmediziner, Biochemiker, Chemiker und Bioinformatiker der TU München sowie nationale und internationale Experten nach Freising, um hier interdisziplinär und projektbezogen zusammenzuarbeiten und neue Antworten zu finden. Aufgrund der modularen Bauweise lässt sich der Zuschnitt der Räume bei Bedarf relativ einfach verändern.

Es sei ein gutes, funktionelles Konzept, sagt Zehn. Ein Detail ist ihm sehr wichtig: Auf jeder Etage sind Begegnungsflächen und Sitzecken vorgesehen. "Forschung lebt davon, dass man interagiert und spontane Ideen austauscht." Das sei eine wichtige, kreative Quelle. Die Bedeutung solcher Bereiche werde oft unterschätzt.

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40 Millionen Euro haben Bund und Freistaat je zur Hälfte zur Finanzierung des Neubaus zugesagt. Gefördert wird auch die Ausstattung mit modernster Gerätetechnik. Risiken für die Bevölkerung bestünden keine, versichert Dietmar Zehn. Solche Gedanken waren in Diskussionen im Freisinger Stadtrat, aber auch von Bürgern immer wieder mal laut geworden. Man könne nicht an etwas Künstlichem forschen, "sondern wir müssen an den eigentlichen Erregern arbeiten", erklärt Zehn. "Es sind aber die gleichen Erreger, die in jedem Krankenhaus vorkommen und die uns sowieso umgeben." Die Labore werden über die Sicherheitsstufen zwei und drei verfügen. Erstere ist beispielsweise für die Arbeit mit Mandelentzündungen verursachenden Streptokokken und Masernviren, Letztere für HIV-Viren vorgeschrieben.

"Wir beschäftigen uns mit Schutzmechanismen"

"Wir machen keine gezielte Forschung an Erregern", schildert Zehn, "sondern wir beschäftigen uns mit Schutzmechanismen". Es gehe zum Beispiel darum, zu schauen, wie Organismen mit Erregern umgehen und wie sie untereinander reagieren. Der Fokus der Wissenschaftler sei speziell, die Methodik unterscheide sich aber nicht von dem, "was viele Labore machen".

Die Forschung bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Human- und Tiermedizin, hier wird es an der TUM auch noch weitere Berufungen geben. Dietmar Zehn ist selbst Humanmediziner. Als er 2015 an die TU München berufen wurde, hatten der damalige und der aktuelle TUM-Präsident, Wolfgang Herrmann und Thomas Hofmann, bereits die Vision, ein neues Forschungszentrum zu schaffen, für das Dietmar Zehn gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen ein Wissenschaftskonzept erarbeitet hat. Mitte 2020 kam schließlich die Förderzusage vom Bund beziehungsweise dem Wissenschaftsrat und vom Freistaat.

An der Liesel-Beckmann-Straße entsteht derzeit das Zentrum für Inventionsprävention der TUM. (Foto: Visualisierung: Fritsch + Tschaidse Architekten)

Der Druck, neue Wege im Umgang mit multiresistenten Bakterien, sowohl beim Menschen als auch beim Tier, zu finden, ist groß. Dietmar Zehn spricht von einer "schleichenden Pandemie" - nur dass diese nicht irgendwann abebben wird wie beim Coronavirus. Die Zahl der Betroffenen wird vielmehr stetig steigen, wenn keine Antworten gefunden werden.

Resistenzprobleme gibt es laut Zehn relativ unabhängig voneinander sowohl im Agrar- als auch im medizinischen Bereich, in beiden werden sehr viele Antibiotika verwendet. Ein vorbeugender Ansatz im Tierbereich sei beispielsweise, schon beim neugeborenen Kalb oder Geflügel einzugreifen. Die Tiere würden ohne mikrobielle Besiedlung geboren, erklärt er. Durch kontrollierte Besiedlung mit einer optimierten mikrobiellen Flora könnten Tiere weniger empfindlich für bestimmte Krankheitserreger werden, was die Antibiotika-Anwendung reduzieren würde.

Beim Menschen wiederum wäre es wichtig zu verstehen, bei wem besondere Risiken bestehen. Bekomme ein Patient nach einer Operation Probleme, "läuft man dem hinterher", sagt Zehn. Ziel sei es, vorbeugend Bedingungen zu schaffen, die es potenziellen Erregern schwer machen. Doch man wisse viele Dinge immer noch nicht. Wie lässt sich das Immunsystem zur Verhinderung der Infektion oder Besiedlung mit bestimmten Erregern aktivieren? Wie setzt es sich mit bakteriellen Erregern im Allgemeinen auseinander? Das Ganze sei hochkomplex. Während der Corona-Pandemie habe man gelernt, dass man Infektionen nicht nur verhindern, sondern auch Patienten vor schweren Verläufen schützen könne.

Ein weiterer möglicher Ansatz: Phagen - Viren, die nur Bakterien befallen - könnten eine wichtige Rolle spielen. Das sei ein bisher weitgehend ungenutztes Potenzial, um Bakterien zu bekämpfen, so Zehn.

"Es wird ein sehr schönes Gebäude"

Mit der Forschung im Zentrum für Infektionsprävention wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler "neue Dinge anstoßen", es gehe nicht um kleinteilige Verbesserungen. "Uns ist es wichtig, in die Zukunft zu schauen, wir wollen zwei Schritte vorausgehen", sagt der Weihenstephaner Wissenschaftler. Nur aus Neuem ergebe sich Innovation - oft sei am Anfang nicht ganz klar, wofür es gut sein wird. Ein Beispiel dafür ist der mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus, von dem sich die Wissenschaft vor der Pandemie in jahrelanger Forschung vor allem Erfolge bei der Behandlung von Tumoren versprochen hatte.

Die Grundsteinlegung für das neue Zentrum ist für Dietmar Zehn ein besonderer Tag. "Es wird ein schönes Gebäude, ich bin sehr zufrieden damit", sagt er. Durch das viele Glas werde es ein sehr transparenter Bau. Auch die Umsetzung wird in den kommenden zweieinhalb Jahren eng begleiten.

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