Klimaschützerin Anke Neumeier:"Weihenstephan ist apolitisch geworden"

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Anke Neumeier, Studentin an der TU München, mobilisiert ihre Kommilitonen für den Klimaschutz. Den Hochschulen wirft sie vor, trotz eigener Ökoforschung vor der eigenen Haustür nicht zu handeln.

Interview von Thilo Schröder, Freising

Studierende an der TU in Weihenstephan und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) engagieren sich seit einiger Zeit unter dem Label "Students for Future" in der Klimaschutzbewegung. Die TU-Masterstudentin Anke Neumeier ist gerade dabei, dafür eine eigene Gruppe aufzubauen. Die SZ Freising sprach mit ihr über den Kampf gegen eine apolitische Haltung an den Hochschulen und über ein Missverhältnis zwischen ökologisch ausgerichteter Forschung und eigenen Klimaschutzmaßnahmen.

SZ: Sie kommen gerade aus dem Labor, wo Sie an Ihrer Abschlussarbeit feilen. Worum geht es da?

Anke Neumeier: Um Kohlenstoffspeicherung in landwirtschaftlichen Böden, passt also perfekt zum Thema Klimaschutz.

Wie sind Sie zu Ihrem Engagement in der Klimaschutzbewegung gekommen?

Als ich angefangen habe, mich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen, war ich unglaublich hoffnungslos und habe mich ziemlich einsam gefühlt und gedacht: So wie die Wissenschaft es darstellt, haben wir schon verloren. Und ich habe mich darauf vorbereitet, in einer Welt zu leben, in der ich eigentlich keine Kinder mehr haben wollte. Das hat sich geändert, als die ersten Schülerinnen und Schüler auf die Straße gegangen sind. Vor fast einem Jahr bin ich dann zum ersten Mal in München demonstrieren gegangen. Dort gab es schon eine Gruppe von Studierenden, die an der Uni mobilisieren wollten. Ich bin dann in Freising mit den Schülern in Kontakt gekommen und habe mit denen die Ortsgruppe aufgebaut.

Freisinger Köpfe
:Für Klimaschutz auf dem Campus

Anke Neumeier organisiert die "Students for Future" in Freising.

In Freising ist eine studentische Gruppe zumindest öffentlich noch nicht präsent.

Im Moment sind wir noch dabei, uns zu finden und zu mobilisieren.

Wie viele Studierende an der TU in Weihenstephan engagieren sich zurzeit aktiv für den Klimaschutz?

Aktiv politisch engagiert sind es zirka 40, in verschiedenen Gruppierungen im Bereich Ökologie, "Students for Future", "Foresters for Future". Wir kooperieren untereinander, etwa bei der Public Climate School, aber da gibt es noch viel mehr Potenzial. Wir tauschen uns auch mit Leuten von der HSWT aus. Ob die Unis das auch tun, ist wieder was anderes.

Wie reagieren die Hochschulen auf Aktionen wie die Public Climate School oder darauf, dass Studierende freitags demonstrieren, statt Seminare zu besuchen?

Gar nicht. Es wird eher ignoriert. Es wurden auch schon Forderungen an die TU gestellt, zum Beispiel dass sie bis 2035 klimaneutral sein soll.

Woher kommt dieses offenkundig fehlende Interesse seitens der Hochschulen?

Ich merke halt, dass Weihenstephan wirklich apolitisch geworden ist. Ich glaube, das war mal anders. Das war eine aktive Entwicklung, die Studierendenschaft apolitisch zu machen. In der TU kann man sich total wenig einbringen. Es gibt zum Beispiel keine Möglichkeit, eine studentische Vollversammlung einzuberufen. Obwohl wir so viele Studiengänge im Nachhaltigkeitsbereich haben, in Ökologie und Landwirtschaft, wird einfach sehr wenig gemacht. Es gibt natürlich Arbeitskreise, aber wirklich politisch zu sagen: Wir wollen hier eine Veränderung - das gibt's leider noch fast gar nicht.

Studentenleben in Freising
:"Freising ist ganz klar ein Dorf"

Nikolaus Frey, Vorsitzender des Rats der Studentischen Vertretungen Weihenstephan, schätzt den Charme und die Eigenheiten der Stadt. Der Campus ist überschaubar. Jeder kennt jeden, das findet er eine coole Sache.

Interview von Alexander Huber

Wie äußern sich denn die Lehrenden dazu?

Wir haben ja in Bayern leider das Gesetz, dass die Unis apolitisch sein sollen. Das ergibt ja auch Sinn. Der Klimawandel aber ist keine politische Sache. Er basiert auf Fakten, das ist reine Wissenschaft. Viele Dozentinnen und Dozenten haben aber die Befürchtung, dass es ihnen schaden könnte, wenn sie sich öffentlich äußern und sich zu "Fridays for Future" bekennen, weil sie apolitisch sein müssten. Einige unterstützen uns trotzdem offensichtlich, andere sagen: Kommt lieber in der Pause vorbei, aber nicht in meiner Vorlesung.

An der HSWT haben die Mitarbeiter vom Lehrstuhl für Vegetationsökologie laut eigener Aussage beim ersten globalen Klimastreik im September freibekommen, um zu demonstrieren.

Das ist aber die Ausnahme, ich habe da selbst am Lehrstuhl gearbeitet. Wenn du dich als Professor nicht komplett einbringst, wirst du wenig Unterstützung finden. Die HSWT ist da zwar schon weiter, die haben auch schon viel länger ökologische Blühwiesen, aber es fehlt immer noch an einer Nachhaltigkeitskoordination. Zur Klimaneutralität haben sich weder TU noch HSWT geäußert. Es ist zwar angekommen, dass ökologisch was gemacht werden muss, aber die Verantwortung wird noch nicht wirklich eingestanden, obwohl so viel dran geforscht wird.

Die Universität als Institution ist historisch ja eigentlich ein sehr politischer Ort.

Ja, eigentlich war es oft so, dass Bewegungen von Studierenden getragen wurden. Und gerade ist das nicht so. Das hat viel mit der Leistungsgesellschaft zu tun, glaube ich. Es leiden ja in meiner Generation heutzutage schon sehr viele sehr früh an Depression oder Burnout.

Gestalten Sie Ihren Alltag klimabewusst?

Ja. Ich habe einen kleinen Garten, ich fliege seit vier Jahren nicht mehr, habe meinen Fleischkonsum drastisch reduziert - was natürlich gut für den Geldbeutel ist. Meine Kleidung ist meistens Secondhand. Nachhaltig zu leben, ist eigentlich perfekt für den Studierenden-Lifestyle.

Was wäre aus Ihrer Sicht nötig, um das Klimabewusstsein an den Freisinger Hochschulen stärker zu verankern?

Wichtig ist natürlich, weiter Veranstaltungen zu organisieren und die Studierenden anzuregen, dass sie was bewegen, dass sie sich einbringen können. Der nächste Schritt wäre dann, Forderungen an TU und HSWT aufzustellen und das in die Vorlesungen zu tragen. Auch das Studentenwerk muss man einbeziehen, die erreichen ja viele Studierende jeden Tag. Wenn man auf das neue Gebäude der HSWT schaut, über das sich viele Studierende aufregen: Da wird der ganze Boden versiegelt - und neben dran wird Bodenkunde und Ökologie unterrichtet. Es wird das eine gepredigt und das andere gemacht. Die Unis erforschen, was schiefläuft, geben Interviews und vor der eigenen Tür wird es nicht umgesetzt. Das ist ein Unding.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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