Studentenleben in Freising:"Freising ist ganz klar ein Dorf"

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Nikolaus Frey, Vorsitzender des Rats der Studentischen Vertretungen Weihenstephan, schätzt den Charme und die Eigenheiten der Stadt. Der Campus ist überschaubar. Jeder kennt jeden, das findet er eine coole Sache.

Interview von Alexander Huber, Freising

Nikolaus Frey nach zu urteilen, geht es unter Freisinger Studenten recht klischeehaft zu. Der durchschnittliche Kommilitone sieht demnach aus, wie Studiengänge wie Forstwirtschaft und Landschaftsarchitektur es vermuten lassen: ein bisschen öko. Das Klischee, dass in Freising nach 22 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden, stimmt laut dem Vorsitzenden des Rats der Studentischen Vertretungen Weihenstephan (RStV) allerdings nicht. Einblicke in die studentische "Parallelgesellschaft".

S Z: Warum haben Sie sich für ein Studium in Freising entschieden?

Nikolaus Frey: Blöde Geschichte: Ich wollte eigentlich in München studieren. Im Studienkatalog stand als Studienort für meinen Studiengang München - Freising war nur in Klammern angegeben. Ich dachte deshalb, Freising wäre um einiges näher an München, vielleicht ein Stadtteil wie die Maxvorstadt. Pustekuchen. Ich habe dann trotzdem hier angefangen und Freising lieben gelernt.

Haben Sie die Entscheidung je bereut?

Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin sehr froh, hier zu sein. In der selben Situation würde ich die gleiche Entscheidung jederzeit wieder treffen.

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Nikolaus Frey feiert gerne, vertritt aber auch seine Kommilitonen.

Alexander Huber

Zu den Studenten: Am TU-Standort in Weihenstephan und an der Hochschule Weihenstephan Triesdorf (HSWT) sind zusammen um die 10 000 Studenten eingeschrieben, das ist theoretisch rund ein Fünftel der Stadtbevölkerung. Trotzdem kommen die Studenten in der Stadtpolitik und dem öffentlichen Leben kaum vor. Woran liegt das?

Das habe ich mich auch schon oft gefragt: Die Studenten bilden in Freising eine Parallelgesellschaft. Viele sehen Freising nicht als ihre Heimat, viele fahren am Wochenende nach Hause - in Freising sind sie nur zum Studieren. Deswegen sind auch fast alle studentischen Partys unter der Woche, am Wochenende lohnt sich das nicht. Das war irgendwie schon immer so. Die einzigen, die sich wirklich öffentlich präsentieren sind die Verbindungen.

Wo und wie wohnen die Freisinger Studenten?

Das kommt auf's Semester an: In den ersten Semestern wohnen die Meisten noch zu Hause und pendeln. Nach und nach ziehen die Leute dann nach Freising und in den höheren Semestern wohnen die Meisten dann hier in der Stadt oder in der Umgebung. Wer nicht in Freising wohnt, verpasst auch einfach einen Großteil des Studentenlebens und das ist traurig. Fast alle wohnen in WGs oder in einem der vier Wohnheime, Leute in Einzelwohnungen kenne ich kaum. Darüber hinaus gibt es auch inoffizielle Heime, die wie öffentliche Studentenwohnheime ausgelegt sind.

Was sind die Hauptprobleme, mit denen Studenten in Freising zu kämpfen haben?

Wenn wir schon beim Thema sind: natürlich der Wohnungsmarkt und die Mietpreise. Obwohl wir nicht in München sind, ist es wahnsinnig teuer. Viele Vermieter haben Studenten auch nicht so gerne in ihrer Bude - das ist bis zu einem gewissen Grad ja auch verständlich. Teilweise werden Studenten aber auch diskriminiert und ausgenutzt, etwa mit Wohnungen, die so schlecht sind, dass sie sonst niemand will. Manche Studenten nehmen die dann notgedrungen trotzdem. Ich persönlich hatte da großes Glück, aber von einigen Kommilitonen habe ich mitbekommen, dass sie in sehr fragwürdigen Zuständen wohnen.

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Von Alexander Huber

Im Anschluss daran: Was würden Sie sich von der Stadt und der Stadtgesellschaft wünschen?

Ich würde mir mehr von der Universität wünschen als von der Stadt. Was natürlich fantastisch wäre - und auch schon tausendmal diskutiert wurde - wäre eine Möglichkeit, auch nach 16 Uhr am Campus noch etwas zu essen zu bekommen. In der Prüfungsphase sind viele eben bis 21 Uhr da und ab dem Nachmittag gibt es einfach nichts mehr zu essen - das ist ein großes Problem.

Ansonsten: Wir sind ja auch ein bisschen integriert, der Bürgermeister kommt hin und wieder vorbei, wir werden öfters eingeladen. Dass sich so eine Parallelgesellschaft entwickelt, ist glaube ich auch ein Stück weit natürlich - das würde ich gar nicht so angreifen.

Ist Freising eine Studentenstadt?

Ja, auf jeden Fall. Eine mit vielen Eigenheiten, aber das macht auch ihren Charme aus.

Was sind die Eigenheiten von Freising gegenüber anderen Studentenstädten?

Freising ist ganz klar ein Dorf. Man trifft immer dieselben Leute, man lernt alle kennen und das finde ich eine wahnsinnig schöne Sache. Einige meiner Schulfreunde sitzen in München in Vorlesungen mit 500 anderen Studenten und kennen niemanden davon. Hier ist das genaue Gegenteil. Man läuft über den Campus und kennt jeden - das ist eine coole Sache.

Über das Freisinger Nachtleben wird sich ja oft und gerne beklagt: Wo gehen die Studenten aus?

Sehr präsent sind die Partys von Verbindungen. Auch die Wohnheimpartys sind super beliebt, genau wie die Partys der verschiedenen Fachschaften. Dadurch, dass auch die FH hier ist, geht hier ab und zu auch was ab. Neunzig Prozent der Dinge werden von den Studenten dabei selbst organisiert. Das Nachtcafé wird zum Beispiel eher gemieden - das wird eigentlich nur genutzt, wenn es von Studenten gemietet wird. In Kneipen gehen viele eher weniger, wenn dann in die Wohnheimbars, ins Furtner oder ins Fellas, das ehemalige Schneiders. Wir haben uns da ein eigenes kleines Universum aufgebaut.

Themawechsel: In Freising gibt es verhältnismäßig viele Studentenverbindungen - Wikipedia listet elf Stück auf. Zum Vergleich: In München gibt es demnach 58 Verbindungen, die kommen dort allerdings auf über die 10-fache Menge an Studenten und das 32-fache der Einwohnerzahl. In weiten Teilen der Öffentlichkeit haben solche Verbindungen keinen guten Ruf. Vielen gelten sie als sexistisch, elitär und erzreaktionär - manche fallen immer wieder mit ultrarechten Tendenzen auf. In Freising treten Verbindungsstudenten recht offen auf. Wie sehen Sie und die nichtkorporierte Mehrheit der Studenten diese Verbindungen?

Sehr zwiegespalten. Ich persönlich bin kein Freund solcher Verbindungen, wirklich nicht. Irgendwie gehören sie aber zu Freising dazu. Ohne sie sähe das Partyleben in der Stadt langweiliger aus und sie verschaffen vielen Leuten Wohnungen - das muss man ihnen gutschreiben. Ich würde sagen, die Mehrheit der Studenten sagt zu diesen Vereinen: Was soll der Käse? Es gibt aber Unterschiede: Manche Verbindungen sind neutraler, nehmen auch Frauen auf und sind nichtschlagend. Natürlich gibt es dementsprechend auch die anderen. Das ist auch unter uns Studenten ein sehr kontroverses Thema.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie als Studenten in der Öffentlichkeit stark mit den Verbindungen assoziiert werden?

Nein, das sind zwei paar Stiefel. Einerseits gibt es die Studenten und dann gibt es diese Verbindungsleute. Die grenzen sich ja doch schon optisch recht offensichtlich ab vom durchschnittlichen Freisinger Studenten. Der sieht ja doch eher ein bisschen nach öko aus.

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