Holocaust-Gedenktag:Erinnern an die namenlosen Opfer

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Auf dem Friedhof in Tüntenhausen sind zwei KZ-Häftlinge begraben. Die beiden Männer waren während eines Todesmarsches kurz vor Ende des 2. Weltkriegs ums Lebens gekommen. (Foto: Veronica Laber)

Der Hallbergmooser Heimatforscher Karl-Heinz Zenker hat den Schicksalen von Häftlingen auf Todesmärschen nachgespürt. Allein auf dem heutigen Gebiet der Stadt Freising sind kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs mindestens 71 Menschen gestorben.

Von Peter Becker, Freising

Der 27. Januar ist internationaler Holocaust-Gedenktag. Eingeführt wurde er im Jahr 2005 von den Vereinten Nationen im Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz. Heimatforscher Karl-Heinz Zenker nimmt dieses Datum zum Anlass, an die Todesmärsche, vor allem an die namenlosen Menschen, zu erinnern, die auf dem Weg zum Konzentrationslager in Dachau den Landkreis Freising durchquerten. Gestützt auf die Einmarschberichte von Pfarrern der Erzdiözese München und Freising aus dem Jahr 1945, dem 21. Sammelblatt des Historischen Vereins, Unterlagen des International Tracing Systems Bad Arolsen ITS), Sterbeurkunden und Augenzeugenberichten errechnete Zenker, dass im Gebiet der Stadt Freising mindestens 71 Häftlinge ums Leben kamen.

Im April 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, hatten die Nationalsozialisten Zehntausende Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald, Flossenbürg und Hersbruck sowie dem Straubinger Zuchthaus Richtung Dachau in Marsch gesetzt. Auf dem Weg dorthin kam es zu erschütternden Szenen. Pfarrer Bruno Märkl berichtet, dass "einige Tage vor Kriegsende" mehrere Hundert, ausgemergelte Häftlinge durch das Dorf Lageltshausen gezogen waren. Hungrig hatten sie sich auf Futterrüben gestürzt, die sie dort bekamen. "Auf dem Marsche wurden zahllose (es hieß 700) erschossen, einer auch im Pfarrbezirk, beerdigt wurde er aber im Pfarrbezirk Vötting", erinnert sich Märkl.

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Von Peter Becker

In Tüntenhausen starben zwei Häftlinge an Erschöpfung. Ihnen zu Ehren fand an ihrem Grab ein von Linken-Stadtrat Guido Hoyer ein Gedenkgottesdienst statt. Das Besondere daran: Diesen beiden wurden ihre Namen zurückgegeben. Ansonsten waren diese nur Zahlen in einem mörderischen Nazi-System. 14 unbekannte Häftlinge listet das ITS für den Neustifter Friedhof auf. Stadtpfarrer Franz Xaver Ortmair berichtete, Wachleute und SS-Truppen hätten auf dem Weg nach Dachau viele Häftlinge erschossen. "Im Friedhof Neustift wurden davon am Tage nach der Übergabe der Stadt 15-20 solcher Ärmster, ohne ihre Namen festzustellen, in das Massengrab beerdigt."

Im Sterbebuch der Stadt Freising gibt es 59 Hinweise auf Häftlinge, die im Hospital 1004 auf dem Domberg untergebracht waren. Die betreffenden Personen sind auch im Totenbuch der KZ- Gedenkstätte in Dachau verzeichnet. Fünf der Verstorbenen waren dort inhaftiert gewesen und im April 1945 befreit worden. Zwei weitere Häftlinge stammten aus dem Straubinger Zuchthaus. Darunter befand sich der Rechtsanwalt Johann Backhuysen-Schuld, der mit einem Häftlingsmarsch nach Hallbergmoos gelangt war. Er rettete sich zunächst in das Schlossgut Erching, starb aber vollkommen entkräftet am 26. Mai 1945 an Kreislauflähmung im Hospital 1004 in Freising.

Augenzeugen schildern die Brutalität der NS-Schergen

Wenige Augenzeugenberichte schildern laut Zenker die Brutalität, mit der die NS-Schergen die Häftlinge behandelten. Unter anderem schilderte ein damals siebenjähriges Mädchen, wie kurz vor Kriegsende ein Zug mit Gefangenen durch Tüntenhausen zog. Als auf einem Bauernhof Brot verteilt wurde, kam es zu Tumulten unter den Skeletten gleichenden Häftlingen. Als Reaktion darauf schlugen in Reithosen gekleidete, uniformierte Aufseherinnen mit Gewehrkolben auf die Menschen ein.

Ein Moosburger berichtete, dass Bürgerinnen und Bürger die Häftlinge, die durch ihre Stadt zogen, mit Wasser in Eimern, Brot und rohen Kartoffeln versorgten. Wachmänner stießen die Wassereimer um. Zwei weitere Gefangene stützten einen Mann, der vor Erschöpfung kaum mehr gehen konnte. Ein Wachmann streckten die beiden Begleiter mit dem Gewehrkolben nieder. Der Häftling sank zu Boden und wurde sofort erschossen. Sein Leichnam wurde auf ein Pferdefuhrwerk gelegt, auf dem sich schon mehrere Tote befanden.

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