Fluglärm in der Region:"Das pfeift ganz spitz und hoch"

Lesezeit: 2 min

Die Idylle in Thalham ist bedroht. (Foto: Marco Einfeldt/Marco Einfeldt)

In Attenkirchen und Umgebung hat sich eine neue Bürgerinitiative gegründet, weil es dort immer lauter wird. Die Betroffenen fordern ein Nachtflugverbot und eine Reduzierung der Flugbewegungen.

Von Petra Schnirch, Attenkirchen

Der Montag war in Thalham ein richtig guter Tag, trotz des schönen Wetters. Denn dann herrscht meistens Ostwind und es wird richtig laut. Diesmal aber blieb es ruhig - eine wohltuende Ausnahme. Obwohl der Attenkirchener Ortsteil etwa 20 Kilometer vom Flughafen entfernt liegt, klagen Bürgerinnen und Bürger über den Fluglärm, der nach der Pandemie wieder deutlich zugenommen hat. Und der erheblich schlimmer ist als noch vor einigen Jahren, wie sie versichern. Eine Gruppe Betroffener aus Attenkirchen, Langenbach, Zolling und Kirchdorf hat deshalb die Bürgerinitiative "Fluglärmgemeinden Freisinger Umland" gegründet und will sich zur Wehr setzen.

Fluglärmgegner aus Attenkirchen, Langenbach, Zolling und Kirchdorf wehren sich gegen die steigende Belastung (von links): Stefan Neumann, Ernst Bayerer, Angelika und Anton Bauer, Florian Gränzer und Rudi Unger. (Foto: Marco Einfeldt)

Bei entsprechender Wetterlage gebe es "17 Stunden Überflug pro Tag", sagt Florian Gränzer. "Wir schreiben täglich Beschwerde-E-Mails." Ohne Erfolg. "Du rennst ständig gegen eine Gummiwand", schildert Stefan Neumann seine Erfahrungen. Daher wolle man nun mehr Druck machen. Er hofft, dass sich weitere Mitstreiter, auch aus anderen Gemeinden, der Initiative anschließen. Besonders schlimm sei die Situation in Langenbach.

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Die Tonaufnahme einer Kirchdorferin - die Gemeinde ist vor allem bei Westwind betroffen - dokumentiert, dass Gespräche im Freien bei Überflügen nicht mehr möglich sind. Früher seien es einige wenige Flugzeuge gewesen, mittlerweile "fliegen sie wie am Schnürl", erzählt Neumann. Und, so die Beobachtung der Betroffenen, sie sind deutlich tiefer als früher, sodass das Rauschen von unangenehmen Pfeifgeräuschen und einem Wummern begleitet werde. "Das pfeift ganz spitz und hoch."

Die wichtigsten Forderungen der Initiative sind ein generelles Nachtflugverbot von 22 bis sechs Uhr, eine Reduzierung der Flugbewegungen bis 2030 um 20 Prozent, eine Minimierung von Kurzstrecken- und Billigflügen und keine Privatjet-Flüge mehr. Vorbild ist für sie der Flughafen Amsterdam-Schiphol, der ähnliche Maßnahmen zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner umsetzen will. Weiterer Punkt des Forderungskatalogs ist eine "intelligente Entlastung der Flugkorridore" mit einer breiteren Streuung. Auch die Steigraten müssten anders gestaltet werden, sagt Bertram Hock.

Attenkirchens Bürgermeisterkandidat Mathias Kern. (Foto: privat)

Attenkirchens Bürgermeister Mathias Kern ("Wir") unterstützt die Bürgerinitiative. Er hat bereits zwei Mal vergeblich versucht, für die Gemeinde einen Sitz in der Fluglärmkommission zu erhalten. Als Gast in dem Gremium hatte auch er den Vorschlag unterbreitet, die Betroffenheit der Anwohner mit einer Änderung der Flugrouten zu entzerren. Damit hat er sich bei seinen Bürgermeisterkollegen allerdings keine Freunde gemacht. Landrat Helmut Petz (FW) habe aber eine Untersuchung in Aussicht gestellt, berichtet Kern. Er hofft auch, dass der Fluglärm in der Gemeinde bald, wie angekündigt, gemessen werde.

Auf Unterstützung des Landrats setzt auch die neue Bürgerinitiative. Sie hat ihn zu einem Ortstermin nach Thalham eingeladen, damit er sich selbst einen Eindruck von der Situation verschafft. Auch bei den Abgeordneten in der Region wollen die Fluglärmgegner ihre Anliegen vorbringen.

"Gesundheit lebt nicht vom Mittelwert", sagt Stefan Neumann

Was Stefan Neumann besonders ärgert, ist, dass seine Kritik bei den Verantwortlichen am Flughafen stets abprallt. Er komme aus der Industrie. Dort würden die Spitzenwerte ermittelt, um die Arbeitsbelastung zu messen, und nicht, wie beim Fluglärm, Mittelwerte. Florian Gränzer beschreibt dieses Prinzip so: Wenn man die eine Hand auf die heiße Herdplatte lege und die andere ins Eisfach, passt der Durchschnittswert auch. Nachts seien die Fluggeräusche teils so laut, dass er samt Ohrstöpsel wach werde, schildert Anton Bauer. Vor 12 Uhr sei es ohnehin sehr schwer, bei offenem Fenster einzuschlafen, bevor es dann ruhiger wird. "Gesundheit lebt nicht vom Mittelwert", sagt Neumann. Er fordert, ehrlicher mit den Anwohnern umzugehen. "Der Lärm wird einfach negiert."

"Der Lärmschutz am Flughafen ist der schlechteste in Deutschland", kritisiert Rudi Unger. Da stehe politischer Wille dahinter, Amsterdam schaffe es ja auch, Anwohner besser zu schützen.

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