Asylbewerber im Landkreis:Ankommen im neuen Leben

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Auch Sprachkurse vermittelt der Neufahrner Helferkreis. Daneben ist die Wohnungssuche für viele Flüchtlinge ein Dauerthema. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Die Neufahrner Flüchtlingshelfer haben jetzt mehr Zeit für die individuelle Betreuung, weil längst nicht mehr so viel Asylsuchende in den Landkreis kommen.

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Es war eine bewegende Geschichte mit offenem Ende: Ali, Nur und ihre drei kleinen Kinder waren aus dem Irak geflohen. Dort hatte Ali für die Amerikaner gearbeitet. Doch dann kam der IS in die Stadt. Hätte er von Alis Arbeit erfahren, wäre es das Todesurteil für die ganze Familie gewesen. Auf der Flucht wäre dann das Baby fast gestorben, als es vom völlig überladenen Schiff ins Wasser fiel und danach schwer krank wurde. Ein Sohn ging vorübergehend verloren, weil er plötzlich nicht mehr in den Bus gelassen wurde. Die Familie hat jedoch wieder zusammengefunden und kam vor zwei Jahren in eine Unterkunft in Neufahrn.

Mittlerweile ist es eine Geschichte mit echtem "Happy End": der Vater hat eine Anstellung als Ingenieur, die Kinder gehen in Schule und Kindergarten, die Familie hat in Augsburg eine Vier-Zimmer-Wohnung gefunden. "Die haben sich sehr gut integriert", freut sich Beate Frommhold-Buhl, die den Neufahrner Unterstützerkreis leitet. Auch Kathi Kajolanidis arbeitet dort schon lange mit und hat sich zum Beispiel um einen jungen Afghanen gekümmert, der schwer traumatisiert in Neufahrn angekommen war. Inzwischen ist er Lehrling in einer Bäckerei und überhaupt "wie ausgewechselt", erzählt sie.

Beate Frommhold-Buhl leitet den Neufahrner Unterstützerkreis für Flüchtlinge. (Foto: Marco Einfeldt)

Weil die Arbeit für die Helfer überschaubarer geworden ist, bleibt jetzt mehr Zeit für individuelle Betreuung

Längst kommen im Landkreis nicht mehr so viele Flüchtlinge an, und auch die Arbeit des Neufahrner Unterstützerkreises steht nicht mehr so im Fokus. Aber noch immer kümmern sich gut ein Dutzend Ehrenamtliche um 54 Flüchtlinge, darunter 40 anerkannte Asylbewerber, die in fünf Unterkünften in der Gemeinde leben. Es sind Menschen aus dem Irak, Afghanistan, Pakistan, Syrien und Eritrea. Neun von ihnen haben Arbeit, 29 besuchen eine Schule oder einen Integrationskurs. Die meisten brauchen in irgendeiner Form Unterstützung. Weil die Arbeit für die Helfer überschaubarer geworden ist, bleibt jetzt mehr Zeit für individuelle Betreuung wie zum Beispiel die Suche nach Praktika.

Besonders schwierig ist nach wie vor die Wohnungssuche - zum Beispiel für eine sechsköpfige Familie aus dem Irak. Auch sie gilt als gut integriert, lebt aber noch immer in einer vom Landkreis angemieteten Unterkunft. "Die Wohnungssuche ist einfach frustrierend", resümiert Brigitte Wieners. Erfolgreich war sie mittlerweile im Fall einer fünfköpfigen irakischen Familie, die vom Schicksal besonders gebeutelt war: Der 14-jährige Sohn war nach der Ankunft in Deutschland an Lymphdrüsen-Krebs erkrankt, aus medizinischen Gründen konnte die Familie nicht in einer Unterkunft mit Gemeinschaftsbad bleiben. "Ich habe die Werbetrommel gerührt und immer wieder überall nachgefragt", erzählt Wieners. Irgendwann hat es dann geklappt: Die Familie hat eine Wohnung der FMG in Attaching anmieten können. "Ein absoluter Glücksgriff", freut sich Brigitte Wieners.

"Man denkt irgendwann, man weiß, wo der Hase lang läuft. Doch Gesetze ändern sich im Tagestakt"

Hartnäckig blieb sie auch im Fall einer Familie aus Eritrea, die ein ganz anderes Problem hatte: Der Vater konnte wegen des Dublin-Abkommens nicht aus Italien nach Deutschland kommen, seine Familie war aber in Neufahrn. "Ich hab ein dreiviertel Jahr mit der Botschaft telefoniert", erzählt Brigitte Wieners - am Ende hat die Familienzusammenführung tatsächlich geklappt. Die Zusammenarbeit mit Behörden, speziell mit dem Jobcenter, sei oft sehr schwierig, berichten die Ehrenamtlichen. "Man denkt irgendwann, man weiß, wo der Hase lang läuft", sagt Beate Frommhold-Buhl. Doch Gesetze "ändern sich im Tagestakt", vieles sei "Auslegung" und eine "Ermessensfrage", und "man rennt immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand". Kathi Kajolanidis erzählt von einem 20-Jährigen aus Afghanistan, der einen Ausbildungsplatz als Lagerist in Aussicht hat. Ob die Ausländerbehörde mitspielt, ist ungewiss: "Der hängt in der Luft."

Josef Bornhorst, der lange mit großem Engagement die Sprachkurse für Flüchtlinge gemanagt hat, musste erkennen, dass bei manchen seiner Schüler trotz monatelanger Bemühungen kaum etwas vorwärts geht. Er erzählt etwa von einer älteren Frau aus Afghanistan, einer Analphabetin, die lange nicht einmal ein einziges Wort "vernünftig nachsprechen" konnte. Aber er hat nicht aufgegeben: "Mittlerweile kann sie sich verständlich machen", freut er sich, und vor kurzem habe sie sogar einen wichtigen Behördengang ganz allein erledigen können.

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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