Landkreisarchäologin Delia Hurka im Interview:Nicht nur ein Fell über der Schulter

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Es gibt unzählige Funde von Ausgrabungen im Landkreis Freising, die Kreisarchäologin hat demnach alle Hände voll mit der Archivierung der Stücke zu tun. Dazu will sie Archäologie auch zu den Menschen bringen. (Foto: Andreas Gebert)

Delia Hurka klärt als Landkreisarchäologin darüber auf, wie die ersten Siedler im Freisinger Raum gelebt und womit sie sich geschmückt haben. Bei der Rekonstruktion der Vergangenheit ist sie auf Spuren im Boden angewiesen.

Interview von Katharina Aurich, Freising

Im 6. Jahrtausend vor Christus wanderten die ersten Ackerbauern aus dem vorderen Orient auch nach Bayern ein. Sie kamen entlang der großen Flüsse und ließen sich auf den fruchtbaren Lößböden nieder, wie Landkreisarchäologin Delia Hurka schildert. Es habe immer wieder große Wanderungsbewegungen in der Vorgeschichte gegeben, vielleicht könnten die Archäologie und die Erkenntnisse über das Leben unserer Vorfahren dazu beitragen, Verständnis und Toleranz für diejenigen Menschen zu wecken, die heutzutage flüchten müssten und eine neue Heimat und ein besseres Leben suchten, hofft sie.

SZ: Woher weiß man, wann die ersten Menschen hier im Landkreis ankamen?

Hurka: Die ersten archäologischen Belege im Landkreis, die jungsteinzeitlichen Siedlungen, sind über 7300 Jahre alt. Aus der Zeit der Jäger- und Sammlerkulturen sind nur wenige archäologisch greifbare Zeugnisse erhalten. Aber als die Menschen sesshaft wurden, hinterließen sie uns Spuren, indem sie in den Boden eingriffen, zum Beispiel können dunkle Verfärbungen im Boden Gruben- oder Pfostenspuren sein. Anhand dieser Relikte können wir heute die Häuser rekonstruieren und erfahren etwas über das Leben und den Alltag dieser Menschen.

Was finden die Archäologen noch im Boden?

Keramikgefäße, Stein- und Knochenwerkzeuge, Feuersteine, aus denen die Menschen früher Klingen oder Bohrer herstellten. Außerdem Gegenstände aus Bronze und Eisen aus der Eisenzeit. Manchmal sind Holzreste erhalten, wenn sie unter Luftabschluss im Boden lagerten. An Eisenobjekten findet man manchmal sogar ankorrodierte Textilreste. Sehr aufschlussreich sind die Begräbnisstätten, diese Funde geben uns Hinweise auf die Jenseitsvorstellungen der damaligen Gesellschaften.

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Welche Bestattungsformen gab es?

Die Bestattungs- und Totenrituale wandelten sich mehrfach im Laufe der Vor- und Frühgeschichte. Es gab Körperbestattungen, oft mit Beigaben wie Gefäßen. Darin befand sich vermutlich Nahrung für den Weg ins Jenseits, aber auch Schmuck wurde oft mit in das Grab gelegt, vielleicht trug der Tote sein bestes Kleid, das wissen wir nicht. Später, etwa in der Urnenfelderzeit, wurden die Toten auf Scheiterhaufen verbrannt und die Asche in Urnen bestattet.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus diesen Funden ?

Wir Archäologen versuchen aus den Spuren im Boden das Leben vergangener Gesellschaften zu rekonstruieren. Wichtig ist immer im Hinterkopf zu behalten, dass wir nur denjenigen Teil des damaligen Lebens erfassen, der seinen Weg in den Boden gefunden hat und uns heute erhalten ist. Erste Knochennadeln, später auch Bronzenadeln, Kämme aus Knochen oder Toilettenbesteck und Pinzetten aus Bronze, die die Menschen auch den Verstorbenen mit in das Grab legten, zeugen davon, dass sie auch schon vor tausenden Jahren Wert auf ihr Äußeres legten. Die Vorstellung, dass sich unsere Vorfahren nur ein Fell über die Schulter geworfen haben, ist überholt. Sicher haben sie sich auch schon damals aus Fell und Leder schöne Kleider geschneidert.

Was sind Ihre Aufgaben als Landkreisarchäologin?

Neben der umfangreichen Inventarisierung der Funde möchte ich die Archäologie zu den Menschen bringen, denn es ist ja ihre eigene Geschichte. Besonders wichtig sind Ausstellungen und Vorträge, aber auch die Zusammenarbeit mit Schulen, Vereinen und der Unteren Denkmalschutzbehörde. Die Ausstellung zur Siedlungsgeschichte des Landkreises musste aufgrund der Sanierung des Landratsamtes ausgelagert werden und wurde vom Archäologischen Verein vorübergehend im alten Rathaus in Mauern untergebracht.

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Muss jeder, der baut, mit einem Bodendenkmal auf seinem Baugrund rechnen und was ist dann zu tun?

Diese Frage hängt von der Fläche ab, die bebaut werden soll. Einen ersten Überblick gibt der Bayerische Denkmalatlas im Internet, jeder kann sich dort die bekannten Bodendenkmäler einblenden lassen. Wenn man auf einem davon betroffenen Grundstück bauen möchte, muss der Bauherr die Fläche untersuchen lassen und einen Antrag auf Grabungserlaubnis stellen. Diese Untersuchung darf dann auch nur ein fachlich ausgebildeter Archäologe durchführen, die Kosten trägt der Grundstücksbesitzer innerhalb der Zumutbarkeit. In manchen Fällen können Umplanungen, die zum Erhalt des Bodendenkmals führen, wie beispielsweise der Verzicht auf einen Keller, durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gefördert werden. Aber auch auf allen anderen Flächen können archäologische Befunde auftreten. Stößt man darauf, ist man gesetzlich verpflichtet, dies zu melden. Idealerweise sucht man bei Bauvorhaben frühzeitig den Kontakt mit der Kreisarchäologie.

Wie haben Sie das richtige Graben gelernt?

Meine ersten Erfahrungen habe ich bei Grabungen rund um München gesammelt. Nach der Schaufel und Spitzhacke kamen dann auch kleinere Schäufelchen, Spitzkellen und Pinsel zum Einsatz. Wichtig ist aber nicht nur das Ausgraben, sondern vor allem die korrekte Dokumentation der Fundstelle durch Fotos, Zeichnungen, Vermessungen und Beschreibungen, um den Gesamtzusammenhang zu dokumentieren.

Sie selbst graben als Landkreisarchäologin nicht mehr, von welchem Fund träumen Sie?

Ich würde mich sehr über eine Viereckschanze aus dem ersten und zweiten Jahrhundert vor Christus freuen. Viele dieser Wallgrabenanlagen sind durch Luftbilder bekannt, aber im Landkreis noch deutlich unterrepräsentiert. Ich bin mir sicher, dass es hier einige gibt, sie sind nur noch nicht entdeckt.

© SZ vom 11.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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