Erinnerungskultur:Starke Vorbilder

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Frauen wie Rahel Straus werden auf den Plakaten gewürdigt. Sie hat 1908 in München eine gynäkologische Praxis eröffnet und war die erste niedergelassene Ärztin, die an einer deutschen Universität ausgebildet wurde. (Foto: Anne Schmidt)

Es gibt kaum Denkmäler für Frauen, die München geprägt haben. Adelheid Schmid-Thomé widmet ihnen jetzt eine Plakat-Aktion.

Von Sabine Buchwald, München

In einigen Läden in der Isar- und der Ludwigvorstadt werden von dieser Woche an Plakate mit gezeichneten Frauenporträts und kurzen Texten zu finden sein. Über einen QR-Code können weiterführende Informationen über die jeweilige Person heruntergeladen werden. Es sind Frauen wie Ellen Amman (1870-1932) und Anita Augspurg (1857-1943), die zu ihrer Zeit in München viel bewegt haben. Die Initialzündung für die Aktion kommt aus den Reihen von Kofra, dem Münchner Kommunikationszentrum für Frauen. Die Historikerin, Autorin und Stadtführerin Adelheid Schmidt-Thomé, 66, und die Grafikerin Anne Schmidt haben zusammen mit ein paar Mitstreiterinnen die Plakate in Wort und Bild gestaltet. Finanziert wird die Aktion vom Bezirksausschuss 2.

SZ: Frau Schmidt-Thomé, was wollen Sie mit der Plakat-Aktion erreichen?

Adelheid Schmidt-Thomé: Die Frauen sichtbar machen. Es sind alles Frauen, die in München zu ihrer Zeit sehr aktiv und bekannt waren. Sie haben die Stadt geprägt.

Rahel Straus, Hedwig Kämpfer, Elisabeth Kitzinger - diese Namen sind nicht wirklich bekannt.

Genau das soll sich ja ändern. Denn diese Frauen taugen zu Vorbildern. Straus zum Beispiel. Sie hat 1908 in München eine gynäkologische Praxis eröffnet und war die erste niedergelassene Ärztin, die an einer deutschen Universität ausgebildet wurde. Kitzinger hat sich für Kinder und Jugendliche engagiert, einen Hort und ein Heim gegründet. Damit womöglich Leben gerettet. Kämpfer war von 1919 bis 1924 Stadträtin. Als Frau gewählt zu werden, war damals etwas Besonderes.

Fehlt München eine gute Erinnerungskultur?

Der Stolz auf die bayerischen Könige ist ja an vielen Orten sichtbar. Und die Namen der Architekten Klenze und Gärtner, des Virologen Pettenkofer oder der Maler Lenbach und Kandinsky klingen in der Stadt. Die Erinnerung an bedeutende Männer wird wachgehalten und ist positiv besetzt. Bei Luise Kiesselbach denkt man an Stau oder Tunnel. Aber kaum jemand weiß, wer sie war, was sie gemacht hat.

Sie war auch Stadträtin.

Und hat für Frauenrechte gekämpft, die heute als ganz selbstverständlich gelten. Das Recht, als Frau wählen zu können, zum Beispiel. Kiesselbach hat ein Altenheim initiiert, das zu ihrer Zeit als vorbildlich galt, und noch vieles, vieles mehr. Ihr wie vielen anderen gebührt ein Denkmal in München.

Für Anita Augspurg ist seit Jahren eines im Gespräch.

Ich glaube nicht mehr dran. Selbst das Projekt einer Gedenktafel an dem Haus in der Kaulbachstraße, wo sie wohnte, wurde wieder fallen gelassen. Manche kennen vielleicht gerade noch ihren Namen, aber wissen nichts von ihrem Fotostudio Elvira, wo etwa die Königsfamilie vor der Kamera saß. Und dass auch sie sich unter anderem vehement für das Frauenstimmrecht eingesetzt hat.

Adelheid Schmidt-Thomé will Frauen sichtbar machen, "die in München zu ihrer Zeit sehr aktiv und bekannt waren". Diese Frauen "haben die Stadt geprägt", sagt sie. (Foto: Kubinska & Hofmann - München)

Warum ist das so schwierig in München?

Die Gedenktafeln passen nicht an die Fassaden der teuren Häuser. Entschuldigen Sie, wenn ich bissig werde.

Oder haben die Frauen keine Lobby?

Wir haben sicherlich eine patriarchale Geschichtsschreibung. Aber vielleicht fehlt es einfach am Interesse. Die Bevölkerung hier ist so sehr damit beschäftigt, Geld zu verdienen, die Miete aufzubringen und sich um sich selbst zu kümmern. Es ist wirklich frustrierend.

Ein Denkmal, egal in welcher Form, ist immer ein Anstoß, um innezuhalten und sich zu besinnen. Was bringt der Blick zurück?

Ein Bewusstsein für Geschichte. Wir sind ja alle so sehr mit der Gegenwart beschäftigt. Was mussten die Frauen kämpfen, etwa um bei der Bergwacht oder bei der Polizei angenommen zu werden. Gleichzeitig kann es auch stolz machen und anregend sein, wenn man weiß, was in dieser Stadt alles umgesetzt wurde.

Sie haben auch Jella Lepman auf der Liste.

Sie hat 1949 die Internationale Jugendbibliothek gegründet. Die ist heute weltweit die größte ihrer Art. Ellen Ammann ist auch so ein wunderbares Beispiel. Sie war Gründerin des katholischen Bayerischen Frauenbundes, Landtagsabgeordnete und entschiedene Hitler-Gegnerin. Aber wer weiß das schon noch?

Wie kommt Ihre Aktion bei den Ladenbesitzern an?

Ganz unterschiedlich. Manche sagen: Nö, ich mag kein Plakat in meinem Schaufenster, das dekoriere ich selbst. Andere wollen die Poster sogar größer als DIN-A-3 drucken und sehr gerne aufhängen. Es wird die Motive auch als Postkarte geben. Die nehmen weniger Platz ein, man kann sie neben die Kasse oder auf den Tresen legen.

Im Moment gibt es zwölf verschiedene Motive. Die Liste lässt sich sicher verlängern. Was haben Sie noch geplant?

Die Schauspielerinnen Therese Giehse und Erika Mann, die SPD-Politikerin Toni Pfülf und die Naturwissenschaftlerin Therese von Bayern hätte ich zum Beispiel noch gerne dabei. Mein Problem ist nur: Ich bräuchte Unterstützung. Leute, die die Texte schreiben für die Plakate und die Webseite. Und Ladenbesitzer und Gastronomen, die sagen: Wir machen mit. Her mit den Plakaten!

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