Jubiläum:Vater aller Feten

Lesezeit: 3 min

Sie schweißen zusammen, was kaum zu verschmelzen ist: "Les Yeux D'La Tête". (Foto: Hamza Djenat)

Seit 20 Jahren bringt DJ Thomas Bohnets die Deutschen mit seiner Franzosen-Disco "Tour de France" zum Tanzen. Bei der großen Geburtstagssause im Muffatwerk kurbeln "Les Yeux D'La Tête" aus Paris die Stimmung an.

Von Oliver Hochkeppel, München

Man kann nur mutmaßen, wie viel Anteil Thomas Bohnet und seine "Tour de France"-Abende samt der daraus entstandenen CD-Kompilationen daran haben, dass französischsprachiger Pop inzwischen auch bei uns großen Zuspruch findet, von Benjamin Biolay und Zaz bis zu Stromae oder Louane. Auf jeden Fall ist es eine gemeinsame Erfolgsgeschichte. Eine, die zunächst nicht abzusehen war. Denn der 64-jährige Bohnet ist zwar nur 60 Kilometer von der Grenze entfernt im Schwarzwald aufgewachsen, aber Französisch hat er in der Schule nie gelernt. Erst viel später hat er sich die Sprache in Kursen mühsam angeeignet. Die französische Musik von Chanson bis Rock und Rap hat ihn trotzdem früh fasziniert. Während des Soziologiestudiums in Konstanz, wo, wie auch in der nahen Schweiz, regelmäßig französische Bands spielten, wurde daraus ein berufliches Interesse. Denn Bohnet begann dort als DJ und Musikjournalist zu arbeiten und sich dabei auf die Musik des Nachbarlandes zu spezialisieren. 1996, beim Public Viewing des EM-Fußballspiels Frankreich gegen Rumänien im Konstanzer Kulturzentrum, legte er erstmals nur französische Musik auf.

Als Bohnet 1998 im Büro des großen Konzertveranstalters Target anheuerte und in München landete, dauerte es nicht lange, bis sich seine Leidenschaft auch hier Bahn brach. Im März 2000 legte er im damaligen Club 2 in Haidhausen ausschließlich Franco-Pop auf und nannte das Ganze "Tour de France". Deutschlands älteste "Franzosendisco" war geboren. Anfangs war diese jeden ersten Freitag des Monats vor allem ein Treffpunkt für die riesige französische Gemeinde in München (mehr als 9000 Franzosen leben hier) sowie für Romanistik-Studierende. Bald aber kamen auch Münchner, die in Frankreich im Urlaub gewesen waren, und einfach mal an anderer Popmusik interessierte junge Leute. Die Mundpropaganda tat ein übriges, das 2002 ins Muffatwerk übersiedelte anfängliche Experiment wurde ein Hit. Später etablierte Bohnet die "TdF" sogar in Berlin und gab Gastspiele von Frankfurt bis Amsterdam. 2019 durfte der "verrückte Deutsche, der Party macht" vermutlich als erster deutscher DJ in Paris auflegen. Mit den Club-2-Mitstreitern ist er bis heute eng verbunden: Er hat sein Büro bei ihnen und macht die PR für ihre Konzerte.

Muffatwerk, Institut français, In-München und Club 2 gemeinsam präsentieren die große Feier zum 20-Jährigen Bestehen - wenn auch wegen Corona nach vier Verschiebungen und mit zweijähriger Verspätung. Zum besonderen Anlass gibt es natürlich auch Live-Musik. Nach dem Vorspiel des Münchner Duos Les Millionnaires mit ihrem schrägem French-Rock und -Punk entern Les Yeux D'La Tête aus Paris die Bühne . Und wer passte besser zu einem "Tour de France"-Geburtstag, hat doch vermutlich keine andere französische Band so oft und regelmäßig in München gespielt, seit sie 2011 bei der "fete de la musique" des Institut francais in dessen wunderschönem Innenhof an der Kaulbachstraße erstmals hier waren. Und weil keine sich eine derart treue und bunte Fangemeinde erspielt hat. Längst hat sich herumgesprochen, dass die Truppe live eine kleine Sensation und Garant für gute Laune ist. Schweißt das Quintett um die beiden Sänger-Gitarristen-Komponisten Benoît Savard und Guillaume Jousselin doch zusammen, was auf den ersten Blick kaum zu verschmelzen ist: Chanson und Ska und andere karibische Rhythmen, Klezmer und Punk, Klassik und Südamerikanisches, Musette und Jazz, ja sogar Art-Rock-Anklänge finden sich.

Das Münchner Duo "Les Millionnaires" eröffnet den Konzertabend. (Foto: Les Millionnaires)

Die Mixtur funktioniert dank einer überragenden Musikalität, dank des zumindest unterschwellig alles durchdringenden Sinti-Swings und nicht zuletzt dank des Humors, der diesen musikalischen Anarchismus fröhlich durchzieht. Da gibt Jousselin auch mal den Jimi Hendrix oder Carlos Santana, da täuscht Saxofonist Eddy Lopez die Melodie aus dem Film "Der Pate" an, da fängt die ganze Band plötzlich zu tanzen an. Songs wie "I Don't Speak English" oder das speziell für Pariser höchst provokante Anti-Kino-Lied "Cinéma" sind bereits jenseits der Schwelle zum Musikkabarett. Zu einem höchst virtuosen und immer vom französischen Flair getragenen freilich. Eine "Bonne Nouvelle", eine gute Nachricht, bringen Les Yeux D'La Tête auch mit: So heißt nämlich das vor kurzen erschienene fünfte Album der Band.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Wenn das Konzert dann mit dem bewährten Schlachtruf "A la Folie!" zu Ende ist, muss niemand heimgehen. Ab 23 Uhr legen die DJs Christian Berst und Thomas Bohnet auf, und die "Franzosen-Disco" kann wieder richtig abgehen.

Les Yeux D'La Tête - 20 Jahre Tour de France, Sa., 12. März, 20.30 Uhr, Muffathalle , Zellstr. 4, Tel. 21 83 73 00

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: