Bücherschau:"Du, ich war einmal ein großer Zeichner"

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"Liebster Max, meine letzte Bitte", so beginnt Franz Kafkas berühmter Vernichtungsbefehl, auch sein gezeichnetes Werk sollte Freund Max Brod verbrennen. Er tat dies bekanntlich nicht. Auch Kafkas Zeichnungen rettete er im Handkoffer auf seiner Flucht nach Palästina. Hier eine Figur aus dem sogenannten Jerusalemer Zeichenheft, nun wieder veröffentlicht in "Franz Kafka - Die Zeichnungen" bei C.H. Beck. (Foto: Ardon Bar Hama/Zeichnungen von Franz Kafka/The Literary Estate of Max Brod/National Library of Israel, Jerusalem)

Gespräch mit Herausberger Andreas Kilcher über Franz Kafkas neu aufgetauchtes grafisches Werk.

Von Jutta Czeguhn

Der 15. Juli 2019 war ein Montag, als sich in der ehrwürdigen Bank UBS an der Zürcher Bahnhofstraße eine Abordnung von israelischen Literaturwissenschaftlern und Anwälten einfand. Zusammen mit den Justiziaren und anderen wichtigen Persönlichkeiten des Geldhauses ging es ins Allerheiligste, in den Tresorraum. Vier große, verplombte Alu-Boxen wurden den Schließfächern der Nummern 2690, 6222, 6577 und 6588 entnommen und später in einem Sitzungsraum unter Aufsicht entsiegelt. Als finaler, nun auch von der Schweizer Justiz bestätigter Akt eines Urteils von Israels höchstem Gericht aus dem Jahr 2016. Nach jahrzehntelangem Streit hatte dieses entschieden, dass Max Brods Nachlass samt der vormals ihm gehörenden Kafka-Manuskripte nicht den Nachkommen seiner Universalerbin, Sekretärin Ilse Ester Hoffe, zustehen, sondern der Nationalbibliothek in Jerusalem. Und damit der Weltöffentlichkeit.

Der Inhalt der Kisten war einigermaßen bekannt; die bis zum Rand gefüllten Boxen waren schon einmal, wenn auch augenscheinlich in Eile, inventarisiert worden. In der Aluwanne aus Safe 6577 allerdings befanden sich zwei unscheinbare Umschläge mit Zeichnungen, Skizzen, lose hingeworfenen Kritzeleien Franz Kafkas, die meisten davon völlig unbekannt . Die angereisten Vertreter der israelischen Nationalbibliothek ahnten, dass sie einen Schatz geborgen hatten. Ein Werk, zu dem Kafka selbst wohl ein zumindest ambivalentes Verhältnis hatte, wie eine ironische Bemerkung in einem Brief an seine Verlobte Felice Bauer nahelegt: "Du, ich war einmal ein großer Zeichner." Sein Lebensfreund aus Uni-Zeiten Brod jedenfalls war genau davon überzeugt. Er sammelte alles, was er an Zeichnungen Kafkas in die Finger bekam, fischte zuweilen sogar achtlos Weggeworfenes aus Papierkörben. Und packte später auch diese grafischen Arbeiten in den Fluchtkoffer nach Palästina.

Das Rennen um die Veröffentlichung

Im folgenden Januar reiste der Schweizer Literaturwissenschaftler und Kafka-Experte Andreas Kilcher nach Jerusalem und sichtete das nunmehr gemeinfreie Material. Ihm war sofort klar, dass diese Blätter, die den Schriftsteller als Künstler ganz neu kontextualisieren und ein außergewöhnliches Talent bezeugen, editiert werden müssten. Und zwar so schnell wie möglich. Über die kulturgeschichtliche Bedeutung dieses Fundes und den spannenden Weg bis zum Erscheinen des Buches "Franz Kafka. Die Zeichnungen" im Münchner C.H. Beck-Verlag vor einigen Wochen erzählen Kilcher und sein Co-Herausgeber Pavel Schmidt nun im Gespräch mit Kia Valand bei der Münchner Bücherschau am Freitag, 26. November im Gasteig.

"Franz Kafka. Die Zeichnungen", Gespräch mit den Herausgebern Andreas Kilcher und Pavel Schmidt, 26. November, 19 Uhr, Black Box im Gasteig, Karten unter Telefon 089/54 81 81 81 oder muenchenticket.de .

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