Zum Tod von Franz Beckenbauer:"Mein lieber Franz, ich bedanke mich bei dir"

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Erste Eintragungen ins Kondolenzbuch: (von links) FC Bayern-Vorsitzender Jan-Christian Dreesen, Ministerpräsident Markus Söder, Karl-Heinz Rummenigge (sitzend), FCB-Präsident Herbert Hainer, Uli Hoeneß, Sozialministerin Ulrike Scharf und Staatskanzleichef Florian Herrmann. (Foto: Robert Haas)

Auch in der Residenz liegt nun ein Kondolenzbuch aus. Als Erste tragen sich vor den Kameras Markus Söder und FC-Bayern-Granden ein. Bis Freitag können sich Münchner mit ein paar Zeilen von Beckenbauer verabschieden.

Von Thomas Becker

Sollte Franz Beckenbauer - auf welchem Weg auch immer - irgendwann mal das von der Staatskanzlei zu seinen Ehren ausgelegte Kondolenzbuch zu sehen bekommen: Er wird die Lesebrille aufsetzen müssen. Gleich vorn auf Seite eins hat sich jemand eingetragen, dem es offenbar nicht ganz so wichtig war, dass man auch lesen kann, was er da zu Papier gebracht hat. Wäre es nicht der Ministerpräsident, immerhin ein Dr. jur. mit Einser-Abi (wobei die Doktorarbeit mit einem eher mediokren satis bene bewertet wurde), der sich da handschriftlich und seitenfüllend verewigt hat, man müsste glatt von einer Sauklaue reden. Nur weil Markus Söder im Anschluss an den wortlosen Eintrag ins Kondolenzbuch vor versammelter Kameraschar noch ein paar Sätze sagt ("Wir trauern um einen ganz, ganz großen Bayern, den erfolgreichsten und besten Fußballspieler, den Deutschland je hatte. Er war eine Art Fußball-Gott, der das Bild der Deutschen in der Welt verändert hat. Wir werden ihn nie vergessen."), vermag man der Handschrift ein paar Satzfetzen abgewinnen zu können: Fußball-Gott steht da in Zeile drei, Mythos FCB ist zu entziffern, ebenso WM 2006, mit viel gutem Willen auch "Einer der größten Bayern ist von uns gegangen!" und ganz zum Schluss "nicht vergessen". Der Rest ist Krakel.

Die Hofkapelle der Residenz ist ein würdevoller Ort, um von einem Großen der Stadt Abschied zu nehmen. Noch bis Freitag haben die Bürgerinnen und Bürger von 10 bis 17 Uhr Gelegenheit, sich hier, in der Hochzeitskapelle von Ludwig I. und anderer Wittelsbacher, vom wohl berühmtesten aller Giesinger mit ein paar Zeilen zu verabschieden. Ein gewisser Mozart hat hier seine frühen Klavierkonzerte und die Missa Brevis aufgeführt, auch für Papst Benedikt und Queen Elizabeth lag an gleicher Stelle ein Kondolenzbuch aus. Das ist die Liga des Kaisers: Königin, Papst und ein Musiker-Genie.

Das Setting: Vor dem prachtvollen Hauptaltar auf einem Tisch mit schwarzem Tuch liegt das hochformatige Buch, daneben - mit Trauerbinde - ein Schwarz-Weiß-Porträt des älteren Kaisers, auf der anderen Seite die Fahnen Deutschlands, Bayerns und der EU, ebenfalls trauerbeflort. In der ersten Reihe: gut zwei Dutzend kamerabewehrte Pressemenschen, wartend. In Reihe drei: Sozialministerin Ulrike Scharf nebst FC-Bayern-Patron Uli Hoeneß, dem jahrzehntelangen Wegbegleiter Beckenbauers. Zuvor hatte der 72-Jährige ein paar Minuten mit gesenktem Haupt vor dem Porträt des Freundes verharrt, und man müsste schon mit Blindheit geschlagen sein, um in der Folge nicht erkennen zu können, wie sehr ihn der Tod des ehemaligen Mannschaftskameraden mitnimmt. Nur das Klicken der Auslöser durchbricht die Stille.

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Als Söder samt Staatskanzleiminister Florian Herrmann und der FC-Bayern-Entourage aus Herbert Hainer, Karl-Heinz Rummenigge und Jan-Christian Dreesen die Kapelle betritt, kommt Bewegung in die Kameraträger. Der Ministerpräsident nimmt am Tisch Platz, den Stift in die Hand, schlägt das Buch auf, blickt Richtung Presse - und wartet. Könnte ja sein, dass ein Kameramann noch nicht so weit ist. Es folgt besagter Eintrag, und auf Söder dann Klubpräsident Hainer, danach Hoeneß, Rummenigge, Dreesen, Scharf und schließlich Herrmann. Später wird man nachlesen, dass Hoeneß folgendes formulierte: "Mein lieber Franz, ich bedanke mich bei Dir für alles, was Du für uns getan hast." Rummenigge schrieb: "Lieber Franz, du warst ein ganz Großer, ein liebevoller Mensch und guter Freund." Klub-Präsident Hainer sagt vor den Kameras, wie Muhammad Ali das Boxen habe der Kaiser den Fußball revolutioniert. Viel mehr noch aber sei der Verstorbene "ein unheimlich liebenswerter Mensch" gewesen: "Er hat immer versucht, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen."

Der Eintrag von Uli Hoeneß. (Foto: Robert Haas)

Eine halbe Stunde, nachdem die VIPs in schwarzen Limousinen wieder ihres Weges gefahren sind, kommen die ersten Bürger, um ebenfalls zu kondolieren. Es sind Junge, Alte, ein schweigsamer Herr in FC-Bayern-Jacke, ein Schweizer, der gerade Urlaub in München macht, ein anderer, der gerade vom Zahnarzt kommt und dem es nicht gut geht, wie er sagt, auch eine vierköpfige Familie trägt sich ein: Oma und Opa Hochheinz aus Hessen mit ihren beiden Enkeln. Opa Wolfgang war früher selbst Kicker, Gattin Ellen outet sich als Bayern-Fan seit 1969: "Das war schon ein Schock am Montag. Der Franz Beckenbauer war so ein netter Mann. So einen gibt's nicht nochmal." Der vielleicht elf- oder zwölfjährige Enkel Arun sagt: "Die waren alle so bodenständig früher, hatten viel mehr Spaß beim Spielen. Heute wechseln die alle nur wegen dem Geld. Der Beckenbauer ist eine Fußball-Legende, den darf man nicht vergessen. Ich hoffe, dass andere wie der Uli Hoeneß noch lange weiterleben."

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