Trotz Coronakrise:Asylbewerber sollen nach Afghanistan abgeschoben werden

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Ein mit abgelehnten Asylsuchenden besetztes Flugzeug rollt vom Flughafen zur Startbahn - das Bild stammt von 2017, auch ohne Corona-Krise sind die Abschiebungen umstritten. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Flüchtlingsorganisationen bezeichnen die Sicherheitslage in dem Land als "desaströs". Oberbürgermeister Reiter soll sich nun für einen Stopp des Flugs einsetzen.

Von Thomas Anlauf

Vom Münchner Flughafen sollen am kommenden Montag erstmals nach acht Monaten Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben werden. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) soll deshalb auf Empfehlung des Sozialausschusses beim Innenministerium darauf dringen, die Sammelabschiebung noch zu stoppen. Damit reagiert der Stadtrat auf einen Dringlichkeitsantrag des Linken-Stadtrats Thomas Lechner, der gefordert hatte, dass es keine Abschiebungen in Länder geben dürfe, für die es Reisewarnungen gebe. "Es ist absolut nicht nachvollziehbar, dass während wir uns in einem Lockdown befinden und die Bürgerinnen und Bürger dazu aufgefordert werden, daheim zu bleiben und erst recht nicht zu reisen, gleichzeitig in Deutschland lebende Geflüchtete zusammen mit mehreren Dutzend Polizeibeamten explizit auf die Reise geschickt werden", so Lechner. Die Regierung nehme mit einer Abschiebung deren Erkrankung und möglichen Tod "billigend in Kauf. Das ist mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates nicht vereinbar". Der Sozialausschuss sprach sich in seiner jüngsten Sitzung gegen die Stimmen von CSU und FDP/Bayernpartei dafür aus, dass sich Oberbürgermeister Reiter für einen Abschiebungsstopp aussprechen soll.

Das Land gilt als gefährlichstes der Welt

Nach Angaben von Pro Asyl und mehreren Flüchtlingsräten gilt die Sicherheitslage in Afghanistan als "desaströs". Zudem habe die afghanische Regierung seit Mitte März wegen der Corona-Pandemie eine Aufnahme von abgeschobenen Geflüchteten bislang abgelehnt. Beobachter des Institutes for Economics & Peace haben laut Pro Asyl Afghanistan als gefährlichstes Land der Welt eingestuft.

Die linke Aktivistengruppe von "Karawane München" hat angesichts der Abschiebung für kommenden Montag um 18.30 Uhr zu einer Demonstration auf dem Marienplatz aufgerufen. Der Münchner Flüchtlingsrat sieht jedoch trotz der Ankündigung noch "eine Chance, dass der Flieger nicht startet". Denn bislang nehme die Regierung in Afghanistan niemanden ohne negativen Corona-Test im Land auf.

© SZ vom 14.11.2020 / anl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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