Essen im Biergarten:Die fetten Jahre sind jetzt endgültig vorbei

Lesezeit: 2 min

Als "Bavarian Streetfood" wird die Haxe in einem Biergarten in der Maxvorstadt bezeichnet. (Foto: Claus Schunk)

Die Schweinshaxe und unser Autor haben sich entfremdet. Und das liegt nicht an den Grünen, die einem angeblich den Fleischgenuss verleiden wollen.

Glosse von Christian Mayer

Vor einigen Tagen war ich mal wieder in dem Biergarten, in dem ich in den Neunzigerjahren oft nach der Uni einkehrte, als Belohnung für die besuchte Vorlesung. Ein wunderschöner Ort in der Maxvorstadt, früher auch bekannt für seine exzessiven Faschingsfeste. Der Biergarten war immer noch genauso lauschig und entspannt, und unter einer Art Wärmelampe lagen noch die gleichen Schmankerl wie damals zu Studentenzeiten, als der Hunger immer groß war und das Geld meist nur für eine der Riesenbrezn reichte.

"Bavarian Streetfood" heißt das jetzt, und wäre ich Markus Söder, was ich zum Glück nicht bin, hätte ich sofort mein Handy gezückt und manisch sämtliche Fleischstücke fotografiert, auf Instagram ausgestellt und mich als volkstümlicher Esser präsentiert.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Aus purem Übermut bestellte ich zum Weißbier eine Schweinshaxe, hatte ich seit Ewigkeiten nicht gemacht. Früher hätte ich so ein Exemplar in kurzer Zeit erledigt, die Kruste und das Fleisch genussvoll weggeknuspert, aber jetzt scheiterte ich schon beim Versuch, den laminierten Speck sauber mit dem Messer zu durchtrennen. Dann war ich beim Betrachten der zersäbelten Beinreste richtig bedient. Die Haxe und ich haben uns offenbar entfremdet, und das liegt beileibe nicht an den Grünen, die uns angeblich den Fleischgenuss verleiden wollen; ist eher ein persönliches Ding.

Dazu fällt mir gerade ein, was Franz Beckenbauer mal über seine Anfänge als junger FC-Bayern-Spieler erzählt hat. Mit Gerd Müller, Sepp Maier und Co. besuchte er spätabends oft noch ein Lokal, wo sie sich über kalte Schweinshaxen hermachten, aufgetischt von der mütterlich besorgten Pächterin. Damit es besser flutschte, tranken er und seine Sportsfreunde dazu noch ein, zwei Bier und legten sich dann um Mitternacht mit vollem Bauch ins Bett - dass der FC Bayern gerade wegen dieser strengen Diät vier Jahre lang kein Heimspiel verloren habe, gehört auch zu dieser Geschichte. Aus heutiger Sicht sei das allerdings "ein Essen wie für Neandertaler", so Beckenbauer.

Am Tag nach meinem etwas verunglückten Schmaus im Biergarten war mir dann endgültig klar, dass die fetten Jahre vorbei sind. Der Bayern-Profi Thomas Müller stellte in Perlach auf einem Acker sein neues Leibgericht vor, eine vegane Leberkässemmel, produziert aus umweltfreundlicher Erbsenpaste. Und er wirkte dabei keineswegs sektiererisch, sondern eher belustigt von seiner eigenen Metamorphose. Sogar auf dem Oktoberfest soll das neue Münchner Proteinwunder Karriere machen. Als Teilzeit-Neandertaler werde ich vielleicht auch mal in die vegane Leberkässemmel beißen. Aber auf gar keinen Fall mach ich ein Foto davon.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusCDU und CSU
:Merz und Söder - eine Allianz im Zeichen der Wurst

Die Chefs von CDU und CSU zelebrieren Einigkeit, die auch auf der gemeinsamen Gegnerschaft zu den Grünen beruht. Doch in der eigenen Partei stößt Merz damit auf Widerstand.

Von Andreas Glas und Robert Roßmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: