Bilanz der Feuerwehr für 2023:Die großen Feuer bleiben im Gedächtnis

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Alexander Müller-Gottwald erklärt auf der Bilanz-Pressekonferenz der Münchner Berufsfeuerwehr per Telefon eine Herzdruckmassage. (Foto: Robert Haas)

7900 Mal rückte die Münchner Berufsfeuerwehr im vergangenen Jahr zu Bränden aus - auch als die berühmte Friedenskirche von Väterchen Timofei in Flammen stand. Doch die meiste Arbeit machten andere Einsätze.

Von Joachim Mölter

Man merkt es Alexander Müller-Gottwald nicht an, dass er gerade dabei ist, ein Leben zu retten. Mit Kopfhörer und Mikrofon sitzt der Feuerwehrmann auf einem Bürostuhl, vor sich sieben Bildschirme und eine Tastatur. In die gibt er jetzt alles ein, was ihm ein aufgeregter Anrufer übermittelt, der die Notrufnummer 112 gewählt hat. Der Vater sei umgefallen, liege regungslos am Boden, brauche Hilfe, einen Notarzt, Sanitäter, schnell!

Müller-Gottwald fragt ruhig, aber bestimmt nach Namen, Adresse und Zustand des Mannes, tippt alles in den Computer, und während automatisch der Rettungsdienst in Bewegung gesetzt wird, sagt er dem Anrufer am Telefon, was zu tun ist. Er erklärt Handgriffe, gibt den Rhythmus für eine Herzdruckmassage vor, und zwischendurch beruhigt er auch: "Der Rettungsdienst ist gleich an der Tür." Auf einem Bildschirm sieht Müller-Gottwald tatsächlich, wo der Rettungswagen gerade ist, auf einem anderen liest er die Schritte für die Reanimation ab. Sobald Sanitäter oder Notarzt angekommen sind, ist seine Arbeit beendet.

An diesem Freitag hat Alexander Müller-Gottwald die Reanimation übers Telefon nur demonstriert, im Rahmen der jährlichen Bilanz-Pressekonferenz der Münchner Berufsfeuerwehr. Da konnte er entspannt bleiben, während ein Kollege hinter der Scheibe die lebensrettenden Anweisungen an einer Puppe umsetzte. Im Ernstfall ist ein Herz-Kreislauf-Stillstand aber "eine Stresssituation für beide, den Anrufer und den Disponenten", erklärt der Ausbilder Thomas Klusak.

Damit die Disponenten, wie die Feuerwehrleute hinter den Bildschirmen in der Rettungsleitstelle genannt werden, nichts vergessen in dieser lebensbedrohlichen Situation, gibt es Checklisten, die sie schrittweise durchs Prozedere führen - unterschiedliche Algorithmen für Erwachsene, Kinder und Säuglinge. Allein im Januar, so Klusak, habe es 180 Telefon-Reanimationen gegeben, fast sechs pro Tag.

Rettungseinsätze haben der Münchner Feuerwehr auch 2023 die meiste Arbeit gemacht. Rund 68 000 nannte Wolfgang Schäuble, der Leiter der Branddirektion. Dazu kamen 17 000 technische Hilfeleistungen, wie das Einfangen von Tieren. Insgesamt kamen 97 187 Einsätze zusammen, etwa 2300 weniger als 2022. Zu Bränden rückten sie 7900 Mal aus; in 5400 Fällen war es falscher Alarm.

Dennoch sind es Großfeuer, an die sich der Oberbranddirektor Schäuble am stärksten erinnert. Da war zunächst ein Kirchenbrand, der generell selten vorkommt. Aber in der Nacht des 11. Juni brannte die berühmte Ost-West-Friedenskirche von Väterchen Timofei im Olympiapark nieder. Einen Monat später, am 10. Juli, beschäftigte ein Dachstuhlbrand in Bogenhausen die Feuerwehr stundenlang wegen des nicht fachgerecht verbauten Holzfaser-Verbunddämmstoffs. "Der ist knifflig", sagt Schäuble über das zuletzt gern genutzte, weil natürliche Material: "Wenn das anfängt zu glimmen, ist es kompliziert, eine Brandausdehnung zu verhindern."

Der dritte große Einsatz 2023 resultierte aus dem Schneechaos am ersten Dezember-Wochenende, das die Stadt lahmgelegt hat. "Was trotzdem noch gefahren ist, waren Feuerwehr und Rettungsdienst", resümiert Schäuble. 800 Einsätze wurden in kurzer Zeit registriert. In diesem Zusammenhang dankte er den Freiwilligen Feuerwehren, die bei lang andauernden Einsätzen stets zur Unterstützung der Berufsfeuerwehr kommen. Die verfügt aktuell über rund 2000 Mitarbeitende, 1670 im klassischen Dienst, rund 360 im Hintergrund, in Verwaltung, IT, Werkstätten.

Damit sei die Münchner Feuerwehr "sehr leistungsstark", lobte Hanna Sammüller-Gradl, als Kreisverwaltungsreferentin die Chefin der Münchner Sicherheitsbehörden. Zudem seien Wolfgang Schäuble und seine Mannschaft "führend in Deutschland", was Innovationen betreffe. So habe die Berufsfeuerwehr neue Ausbildungswege geebnet, damit Interessenten nicht mehr erst eine Handwerks-Ausbildung absolvieren müssen, ehe sie sich bewerben können. Zudem wird das Thema Diversität in jeder Hinsicht forciert, um mehr Menschen für einen Job bei der Feuerwehr zu gewinnen.

Auch wenn die Einsätze zuletzt weniger geworden sind - die Aufgaben werden es nicht. Im Sommer begleitet die Feuerwehr die Spiele der Fußball-EM, dafür haben sie bereits 2023 geprobt, etwa das Zusammenspiel bei Versorgung und Transport vieler Verletzter. Dazu unterstützt der Stadtrat ein Drohnenprojekt für die Anwendung bei Großeinsätzen, wie Sammüller-Gradl berichtete. Vor der Fußball-EM will die Feuerwehr zudem neue Fahrzeuge in einem neuen Design präsentieren, kündigte Schäuble an, ohne allzu viel verraten zu wollen: "Die Autos bleiben rot, aber sie werden heimatverbundener aussehen."

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