Musiktheater:Aufbruch nach Nimmerland

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Eingespieltes Duo: Peter Pan (Moritz Spender) und Fee Tinkerbell (Jona Richter) bei einer früheren Aufführung von "Peter Pan" mit jungen Darstellern der Sarré Musikakademie. (Foto: Robert Haas)

60 Mitwirkende der Sarré-Musikakademie zeigen im Werk 7 das Familienmusical "Peter Pan".

Von Barbara Hordych, München

Peter Pan (Felix Nyncke) und sein Gegenspieler Captain Hook (Joshua Hutchison-Bird) hauen mit Schwertern aufeinander ein. Aber was heißt hier schon hauen: Kunstvoll schwingen sie ihre Schwerter, wirbeln umeinander, lassen sich gegenseitig über die Klingen springen, umringt von ihren jeweiligen Gefolgschaften, den Piraten und den gefangenen "verlorenen Jungs" nebst Wendy und ihren Brüdern John und Michael. Bevor Peter Pan überraschend auftauchte, hatten Letztere gerade noch Hooks Frage: "Was wärst du lieber: angehender Pirat oder Frühstück für die Haie?" unisono und energisch mit einem "tot!" beantwortet. Entsprechend gespannt verfolgen sie nun die Auseinandersetzung ihrer jeweiligen Anführer auf Schiffsdeck, eine Örtlichkeit, die heute im Werk 1 liegt. Eine der letzten Durchlaufproben, bevor am 24. Juni die Premiere des Musicals "Peter Pan" nur wenige Meter entfernt im Werk 7 ansteht.

Fechten gekonnt auf dem imaginären Schiffsdeck: Joshua Hutchison-Bird als Captain Hook, Felix Nyncke als Peter Pan (von links). (Foto: Robert Haas)

Ein Kraftakt ist nicht nur dieser beeindruckend choreografierte Schwertkampf, sondern überhaupt die ganze Aufführung der Sarré- Musikakademie nach dem Buch und Schauspiel von J.M. Barrie mit Musik von George Stiles. Denn die hätte eigentlich schon 2020 stattfinden sollen, zweimal wurde die Premiere seither verschoben. "Da den Energielevel für eine Inszenierung hoch zu halten, erfordert Unmengen an Kraft", sagt die Opernregisseurin Julia Riegel. Seite an Seite verfolgt sie mit Verena Sarré, der Gründerin und Leiterin der Akademie, das Geschehen in der Mitte des Raums, der vor der Premiere als Probenbühne dient. Am Klavier sitzt Liviu Petcu, der schon die Vorgänger-Produktion "Zauberflöte" dirigierte. Bei den Proben zu "Peter Pan" fungiert er als Ein-Mann-Orchester, bei den Aufführungen werden es aber acht Musiker der Bayerischen Staatstheater sein, die unter seiner Leitung das Musical live begleiten.

Kreativteam hinter den Produktionen der Sarré-Musikakademie: Leiterin Verena Sarré, Dirigent Liviu Petcu, Regisseurin Julia Riegel (von links). (Foto: Robert Haas)

Derzeit sind es sechzig Akademisten im Alter von sieben bis Anfang zwanzig, die an der Inszenierung mitwirken. "Eine schwere Zeit war das für uns in der Pandemie, ich will es gar nicht schönreden", sagt Sarré in einer Probenpause. Online-Unterricht im Singen, Tanzen und Schauspiel? Das hätten sie probiert, es war aber nur schwer umzusetzen, und die Ergebnisse, nun ja. Kein Wunder, dass das eine oder andere Bühnentalent in der Pandemie der Akademie verloren gegangen ist, auch das passt irgendwie zum Stück, in dem Peter und Wendy sich um die "verlorenen Jungs" kümmern.

"Zwischendurch gab es zwar Phasen, in denen wir in Präsenz proben durften - aber schauspielen und tanzen mit Maske? Julia hat kaum erkennen können, was für ein Gesicht wir hinter der Maske machten; und tanzen, wenn man wegen der Maske kaum atmen kann, ist schwer", erinnert sich Hook-Darsteller Joshua.

Aber jetzt geht es weiter, steht die Rückkehr aus Nimmerland zu Mr. und Mrs. Darling an. Während Mr. Darling aus der Hundehütte kriecht, in die er sich selbst verbannt hat, weil er meint, am Verschwinden von Wendy, John und Michael schuld zu sein, sitzt Mrs. Darling am Klavier. Und sieht sich plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass nicht nur ihre eigenen drei Kinder, sondern mit ihnen eine ganze Reihe "verlorener Jungs" nach Hause zurückkehren. Nur einer will sich lieber wieder verziehen.

Wer will schon erwachsen werden?

"Ich will nicht erwachsen werden", verkündet Felix alias Peter Pan aufgebracht seiner Freundin Wendy (Madeline Teschner). "Sieh es doch als größtes Erlebnis der Welt", hält sie ihm singend entgegen. Doch der will davon nichts hören. Älter und gar erwachsen werden? Wozu? Um in die Schule zu gehen und später mit Krawatte in ein Büro? Also muss Wendy das Erwachsenwerden ohne ihn meistern, erhält einen grauen Umhang. "Ich bin alt, habe Kinder, habe Enkel", erklärt sie dem jung gebliebenen Peter Pan, als der nach vielen Jahren bei seiner Freundin vorbeigeflogen kommt, um sie für den "Frühjahrsputz" mit nach Nimmerland zu nehmen.

Das Phänomen Zeit ist nicht nur für die fiktiven Helden und Heldinnen von Nimmerland, sondern auch für deren Darsteller von Bedeutung. "Jetzt ist der einzige noch mögliche Zeitpunkt, der für diese Aufführung infrage kommt", erklärt Riegel. Denn die Besetzung der Hauptrollen sei schon vor zwei Jahren erfolgt. Eine Zeitspanne, in der die ältesten Akademisten mit nun Anfang zwanzig Wege einschlagen, die weg von München und der Akademie führen. Moritz Spender, einer der beiden Peter-Pan-Darsteller, wird ab Herbst Schauspiel in Leipzig studieren. Und "Hook" Joshua hofft auf einen Platz an der August-Everding-Akademie. "Die Nachwuchs-Talente sind da", sagt Sarré. Wichtig sei jetzt nur, mit deren Aufbau kontinuierlich weitermachen zu können.

Peter Pan, Freitag, 24., und Samstag, 25. Juni, 17 Uhr, Sonntag, 26. Juni, 11 & 16 Uhr, Werk 7 , Speicherstraße 22

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