Es ist viel von Vätern die Rede an diesem Abend. Karl Stankiewitz' Vater stammte, wie der 94-Jährige erzählt, aus Polen. Deniz Aykanat liest vor, was sie erlebte, als blonde Fünfjährige im Urlaub im Heimatort ihres Vaters, in Marmaris an der türkischen Mittelmeerküste. Oliver Das Gupta, der die Laudatio auf die Journalistin hält, lässt dabei nicht unerwähnt, dass sein Vater ursprünglich aus Indien kam. Und auch der Kabarettist Christian Springer, der Stankiewitz würdigt, flicht darin die eigene Herkunft ein, das Großwerden in Berg am Laim, zwischen den vom Vater abonnierten Zeitungen, der SZ und der Münchner katholischen Kirchenzeitung.
Womit der Anlass entsprechend vermessen ist: die Kunst, treffende Worte zu finden und sie so zu setzen, dass sie nicht nur heiter beschreiben, was ist, sondern auch das Werden nachzeichnen und en passant Klischees demaskieren.
Seit 1975 vergibt die Ernst-Hoferichter-Stiftung den Preis, der nach dem Schriftsteller, Journalisten und Schauspieler benannt ist, der 1895 in München geboren wurde und hier 1966 auch starb, dazwischen die Welt aber nicht nur in Worten durchmaß. Die Auszeichnung soll Schriftsteller ehren, die sich durch "Originalität mit Weltoffenheit und Humor" hervortun.
Dieses Jahr erkor der Stiftungsrat - dem neben Kulturreferent Anton Biebl und Arne Ackermann, dem Direktor der Stadtbibliothek München, die vier Literaturfreunde Wolfgang Görl, Brigitta Rambeck, Michael Skasa und Christian Ude angehören - den bisher ältesten Preisträger: Karl Stankiewitz war 1947 Volontär bei der SZ, später folgten Engagements bei der Abendzeitung, bei Stern und Spiegel - und schließlich eine lange Selbständigkeit. Zu leben ohne zu schreiben: für Stankiewitz unvorstellbar.
Zuletzt ging es ihm nicht so gut. Das Erlebte hat er in einem Buch verarbeitet, "Meine sieben Plagen" heißt es. "Du gehörst in die Reihe derjenigen, die nicht mehr vergessen werden können", so Laudator Christian Springer.
"So eine Augenbrauen-Fatwa kann etwas Verbindendes haben"
Deniz Aykanat hat auch schon ein Buch veröffentlicht. "Die Isartürkin. Mein Leben zwischen Bayern und Bosporus" erschien 2019 und basiert auf der gleichnamigen SZ-Kolumne.
Entstanden sei die, so erzählte Aykanat bei der Preisverleihung im vollen Saal des Literaturhauses, nach der Aufregung über den Putschversuch gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan im Juli 2016 und angesichts der Flut der schier unglaublichen Nachrichten, die danach aus der Türkei kamen; beispielsweise, dass das staatliche Religionsamt das Augenbrauenzupfen zur Sünde erklärte.
So eine Augenbrauen-Fatwa könne aber durchaus etwas Verbindendes haben, so Aykanat auf der Bühne, eine solche sei auch dort vorstellbar, wo sie inzwischen lebt: in der Oberpfalz, der Heimat ihrer Mutter. Und der von Gloria von Thurn und Taxis.
Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre
2023: Deniz Aykanat und Karl Stankiewitz
2022: Fee Brembeck und Alex Rühle
2021: Wolfgang Ettlich, Jaromir Konecny und Barbara Yelin
2020: Dana von Suffrin und Rudi Hurzlmeier
2019: Dieter Hanitzsch und Christine Wunnicke (lehnte Annahme ab)
2018: Karl-Heinz Hummel
2017: Thomas Grasberger
2016: Ali Mitgutsch
2015: Christoph Süß
2014: Sarah Hakenberg und Marcus H. Rosenmüller
2013: Gerd Holzheimer und Luise Kinseher