Schwabing:Verkaufsgerüchte im Erhaltungssatzungsgebiet

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Objekt im Erhaltungssatzungsgebiet: das Haus an der Bauerstraße 10. (Foto: Florian Peljak)

An der Bauerstraße 10 stehen erst etliche Wohnungen leer, dann tauchen plötzlich auf den Klingelschildern Namen auf. Die verbliebenen Mieter, Politik und Verwaltung reagieren alarmiert.

Von Ellen Draxel

Wohnungsleerstand wird in München scharf geahndet. Zu knapp ist bezahlbarer Wohnraum in dieser teuren Stadt, als dass es sich die Kommune leisten könnte, bei diesem Thema Nachsicht walten zu lassen. Bis zu einer halben Million Euro kann das Bußgeld betragen, erfährt die Stadt von einer nicht genehmigten Zweckentfremdung.

Doch die Verordnung hat Schlupflöcher. Bei geplanten Modernisierungen etwa oder wenn ein Verkauf ansteht, greift die Regelung, Wohnungen nach drei Monaten wieder vermieten zu müssen, nicht. Immobilienspekulanten wissen diese Lücke zu nutzen, indem sie Wohnraum bewusst verfallen und Wohnungen leer stehen lassen, angeblich um sie zu modernisieren, tatsächlich aber die Gebäude oft anschließend abreißen und durch Luxusbauten ersetzen.

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Ein Procedere, das die Mieter der Bauerstraße 10 und 12 auch von ihrem Vermieter erwartet haben. Denn allein im Haus mit der Nummer 10 stehen laut den Mietern 17 von 26 Wohnungen leer. Die Häuser gehören seit sechs Jahren einer Gesellschaft der Rock Capital Group GmbH, eines Immobilien-Projektentwicklers mit Sitz in Grünwald. Das Unternehmen hatte stets argumentiert, die Wohnungen aufgrund bevorstehender Sanierungsmaßnahmen nicht vermieten zu können.

Doch Mitte April bemerkten die Bewohner plötzlich rege Betriebsamkeit. "Innerhalb einer Woche wurden sämtliche leer stehenden Wohnungen für eine Besichtigung gestrichen und gesäubert", erzählen sie. Anschließend seien an allen zugehörigen Klingelschildern und Briefkästen Namensschilder angebracht worden - "offensichtlich, um den Anschein zu erwecken, dass das Haus komplett vermietet ist".

Die Mieter befürchten nun, dass Rock Capital die Häuser verkaufen möchte - und "durch vorgespielte Vollvermietung oder eine Vermietung der bisher freien Wohnungen an einen gewerblichen Vermieter für Wohnen auf Zeit" ein mögliches Vorkaufsrecht der Stadt aushebeln könnte. Das wäre bei ausreichend Leerstand denkbar, da die Gebäude in einem Erhaltungssatzungsgebiet liegen. Eine Vermutung, die Westschwabings Lokalpolitiker teilen. "Für mich sieht das so aus, als habe das Amt für Wohnen und Migration den Leerstand angemahnt. Und die reagieren jetzt so, weil sie was vorhaben", glaubt Bezirksausschuss-Chefin Gesa Tiedemann (Grüne). Da bekomme, konstatiert Markus Meiler (CSU), "der Fall der Zweckentfremdung eine ganz neue Dynamik". Aus seiner Sicht würde für einen Verkauf auch sprechen, dass der Eigentümer für eine Nachverdichtung im Innenhof Baurecht habe, das in vier Monaten auslaufe. "Ohne Baurecht aber", weiß Meiler, "sinkt der Wert der Immobilie".

Im Sozialreferat kennt man die Adresse und schaut genau hin

Aus dem Sozialreferat ist auf Nachfrage zu hören, dass ein länger als drei Monate andauernder Leerstand im Hinblick auf das Zweckentfremdungsrecht irrelevant sei, "wenn Wohnraum alsbald veräußert werden soll. Ein Verkauf und danach die Wiederbelegung der Wohnungen werden engmaschig überwacht." Man kenne die Adresse und schaue genau hin. Bei Rock Capital selbst will sich auf mehrfache Anfrage hin niemand zu den Vorgängen und Planungen äußern. Noch jedenfalls sind zwei der Rock Capital zuzuordnenden Gesellschaften als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, die Bauer Grundvermögen GmbH (Nummer 10) und die Schwabinger Grundvermögen GmbH (Nummer 12).

Der Kommune sind die Häuser an der Bauerstraße bestens bekannt. Als das Unternehmen 2017 die beiden Gebäude von der Axa-Versicherung kaufen wollte, grätschte die Stadt im Interesse der Mieter dazwischen und übte ihr Vorkaufsrecht aus. Um die Gebäude doch noch zu erwerben, blieb Rock Capital seinerzeit nichts anderes übrig, als eine Abwendungserklärung zu unterzeichnen. Der Investor verpflichtete sich damit, die Wohnungen in den folgenden zehn Jahren nicht in Eigentums- oder Luxuswohnungen umzuwandeln. Und als dann kurz danach die Erhaltungssatzung ausgelaufen und damit dieser Schutzzeitraum Makulatur geworden wäre, entschied die Stadt, die beiden Häuser in ein neues Erhaltungssatzungsgebiet aufzunehmen.

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