Amtsgericht Freising:Videokameras zeichnen Diebstahl in Warenlager auf

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Seinen Lohn hat ein ehemaliger Lagerarbeiter am Flughafen mit gewerbsmäßigem Diebstahl aufbessern wollen. Das brachte ihm am Freisinger Amtsgericht drei Jahre Gefängnis ein. (Foto: Johannes Simon)

Freisinger Schöffengericht ist davon überzeugt, dass ein Lagerarbeiter Computerzubehör im Wert von 134 000 Euro gestohlen hat, und verurteilt ihn zu drei Jahren Haft.

Von Peter Becker, Freising

In den Lagerhallen rund um den Flughafen im Erdinger Moos wird gestohlen, was das Zeug hält. "Die klauen wie die Raben", sagte Vorsitzender Richter Manfred Kastlmeier am Ende einer langen Verhandlung am Freisinger Amtsgericht. Und weil das so nicht weitergehen kann, musste das Schöffengericht zur Abschreckung "einen Pflock einhauen" und ein Exempel statuieren: Es verhängte wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in besonders schwerem Fall eine Freiheitsstrafe von drei Jahren gegen einen Lagerarbeiter. Der hatte vor fünf Jahren Computerzubehör im Wert von 134 000 Euro aus einer Lagerhalle gestohlen und seinen Arbeitgeber damit an den Rand des Ruins gebracht.

Ein Rechtsgespräch zwischen den Prozessbeteiligten endete ohne Verständigung. Die Auffassungen über das Strafmaß lagen weit auseinander. Der Verteidiger des Angeklagten verlangte Freispruch, die Staatsanwältin eine lange Haftstrafe.

Über seinen Verteidiger stritt der Angeklagte alle Vorwürfe ab. Er sei von einem Mitarbeiter einer anderen Firma angesprochen worden, ob er nicht Interesse an Computerzubehör habe, das in Paletten verstaut in einer Lagerhalle herumstand. Sein Mandant habe sich einen Überblick verschafft, sei aber an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt, ohne auf das Angebot einzugehen.

Der Hauptzeuge, ein bereits in dieser Angelegenheit verurteilter Neufahrner, sagte das glatte Gegenteil aus. Er sei von dem Angeklagten angesprochen worden. Der habe ihm Geld angeboten, wenn er Paletten mit Computerzubehör vor eine Lagerhalle in einen Gang stelle. Weil er sich damals in Finanznöten befand, habe er zugesagt.

Was sich dann zugetragen hat, haben Videokameras aus verschiedenen Blickwinkeln aufgezeichnet. Da kommen zwei Männer ins Bild geschlendert. Einer der beiden, der Angeklagte, begutachtet die Paletten angelegentlich, liest offenbar die Lieferscheine durch, um zu erfahren, was in den Kartons steckt. Dann verschwindet er und ward nicht mehr gesehen. Dafür ist der bereits verurteilte Zeuge im Bild, wie er mit seinem Gabelstapler rangiert und die gewünschten Paletten aus dem Hauptlager befördert. Später kehrt er in das Lager zurück und stellt sie wieder an ihren Platz.

Die beiden Diebe gehen hochprofessionell vor

Dass der Diebstahl entdeckt wurde, war reines Glück. Der Geschäftsführer des Lagers sagte als Zeuge, der Empfänger der Ware habe sich zügig bei ihm gemeldet und reklamiert, dass etwas fehle. Ein paar Tage später und die Aufnahmen der Videokameras wären durch neue überspielt worden. So aber war zu sehen, wie der bereits verurteilte Neufahrner mit den Paletten rangierte. Der aus Dorfen stammende Geschäftsführer musste den beiden Dieben fast Respekt zollen. Dass die Folie, mit der die Paletten verpackt waren, aufgeschnitten und Kisten geleert worden waren, sei nicht aufgefallen. "Das war hochprofessionell."

Von den Folgen des Diebstahls wäre die Firma des Dorfeners fast in den Ruin getrieben worden. Der Empfänger verlangte Schadenersatz, die Versicherung wollte lange nicht zahlen. Dazu kam Corona und das Geschäft lief schlecht. Alles in allem sei ein Schaden von 200 000 Euro entstanden, auf 100 000 Euro sei er sitzen geblieben. "Die Firma ist in Schieflage geraten." Er habe Geld aus seinem Privatvermögen zuschießen müssen.

In den Plädoyers drehte sich alles um die Glaubwürdigkeit des bereits abgeurteilten Hauptzeugen. Der Verteidiger des Angeklagten stellte diese infrage. Gerade die Aussage des Neufahrners, er habe in erster Instanz und anschließend in seiner Berufungsverhandlung immer das Gleiche gesagt, machte ihn in den Augen des Verteidigers verdächtig. "Das muss man nicht betonen." Bei manchen Nachfragen sei der Zeuge dagegen immer im Vagen geblieben.

Der Angeklagte war zwischenzeitlich abgetaucht

Das Schöffengericht und die Staatsanwältin sind aber von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Sie glauben den Angaben des Neufahrners. "Man muss auf die Details achten", sagte Richter Kastlmeier. So zum Beispiel, dass die Geldübergabe an den Zeugen an einer Tankstelle in Germering stattgefunden hatte. Das war so bisher nicht gesagt worden. Der Angeklagte hatte damals in Germering gewohnt, bevor er in sein Heimatland zurückkehrte. Erst vor Kurzem war die Justiz seiner habhaft geworden, als er wieder nach Deutschland zurückkehrte. "Er war abgetaucht", sagte Kastlmeier.

Noch ein Detail war dem Vorsitzenden Richter aufgefallen: Während der Angeklagte die Paletten genau inspizierte und die Lieferscheine las, stand der Neufahrner gemütlich, mit den Händen in den Hosentaschen, daneben. Für Kastlmeier der Beweis, dass der Angeklagte derjenige war, "der die Hosen anhatte". Mit der Haftstrafe allein ist es nicht getan. Der Verurteilte muss einen Wertersatz von 134 000 Euro zahlen. Wo das Diebesgut abgeblieben ist, das ist bis heute nicht bekannt. Der Haftbefehl gegen den Mann bleibt aufrecht erhalten.

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