Volksfeste:"Ohne Familie würde es gar nicht gehen"

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Im Festzelt ein wichtiger Ort: der Ausschank. (Foto: Marco Einfeldt)

Festwirt Andreas Widmann und die Schausteller starten in die Saison. Das Neufahrner Volksfest ist eines der ersten in der Region. Ein Besuch auf dem Festplatz.

Von Francesca Polistina, Neufahrn

Mittwochmorgen, zehn Uhr. Das große Zelt steht, die Schausteller sind eingetroffen. Ein Mann macht eine Probefahrt im Autoscooter, ein anderer wäscht die Gondeln des Breakdance. Mehr Leben ist auf dem Festplatz sonst nicht zu spüren, wer kann, der wartet bei den niedrigen Temperaturen lieber im Wohnwagen.

Dahinter, im großen Festzelt, herrscht hingegen Hochbetrieb: Masskrüge werden gewaschen, Kartoffeln geschält, ein erster Tank mit 5000 Litern Bier wird erwartet. Nur noch wenige Stunden sind es bis zur Eröffnung des Neufahrner Volksfestes, das zu den allerersten in der Münchner Region zählt. Dann heißt es: Die Saison kann beginnen!

Am Mittwochvormittag werden alle Masskrüge gereinigt. (Foto: Marco Einfeldt)

Andreas Widmann, 42, aus Marzling, steht an seinem Posten auf der rechten Seite des großen Saals, zwischen der Küche und dem Hendlstand. Von hier aus kann er den gelb-grün-geschmückten Saal gut beobachten, von den Eingangstüren bis zur Bühne, er kann koordinieren und reagieren, wenn es irgendwelche Probleme gibt. An diesem Mittwochmorgen liefen die Vorbereitungen noch "entspannt", sagt er. Obwohl der erste Tag eines Volksfestes auch immer ein entscheidender Moment ist, vor allem nach dem langen Winter. "Alles muss einfach anlaufen".

Widmann ist der Festwirt, seit vielen Jahren organisiert sein Familienbetrieb das Volksfest in Neufahrn - was bedeutet, dass er für das Festzelt verantwortlich ist und Verträge mit den Schaustellern abschließt. Lediglich die Auswahl des Bieres - seit vergangenem Jahr von der Schlossbrauerei Au - geht auf eine Entscheidung der Gemeinde zurück, die sich nach vielen Jahren mit dem Hofbrauhaus Freising neu orientieren wollte. 10,80 Euro kostet die Mass Bier dieses Jahr, 20 Cent mehr als im Vorjahr. Der Festwirt begründet dies mit den gestiegenen Kosten für Personal und auch Lieferungen aufgrund der CO₂-Steuer.

Festwirt Andreas Widmann kurz vor der Eröffnung am Mittwochvormittag. (Foto: Marco Einfeldt)

Widmann hat langjährige Erfahrung mit Volksfesten. Wenn man ihn nach seinem Betrieb fragt, betont er immer wieder das Wort "Familie". "Ohne Familie würde es gar nicht gehen", sagt er, "Alle helfen mit". Und auch: "Man wächst hinein". 1949 haben seine Großeltern die Firma gegründet, dann übernahmen seine Eltern, jetzt ist er dran und die vierte Generation wartet schon. Weil es den Ausbildungsberuf "Festwirt" nicht gibt, hat Widmann Koch gelernt, aber schon immer gewusst, dass sich sein Berufsleben im Festzelt abspielen wird.

Was den Job für ihn so besonders macht? Die freundliche Atmosphäre im Festzelt und unter den Mitarbeitern, mit denen er zum Teil schon seit über zwanzig Jahren zusammenarbeitet, sagt er. Und die Menschen und Vereine, die man jedes Jahr wieder trifft und die einem das Gefühl geben, zu Hause zu sein. Wie eben jetzt in Neufahrn.

Bürgermeister Franz Heilmeier bei seiner Ansprache am Mittwochabend. (Foto: Marco Einfeldt)

Jeden Tag besuchen 2000 bis 2500 Menschen das Volksfest in Neufahrn, je nach Laune und Wetter. Und das Wetter hat in den ersten Tagen gut mitgemacht: Noch am Mittwochmorgen war es grau und kalt, aber immerhin hat es beim Standkonzert vor dem Rathaus und beim Festeinzug nicht geregnet. "Der erste Tag ist sehr gut gelaufen", sagt der Festwirt. Auch mit dem Donnerstag, dem "Tag der Jugend", sei er nicht unzufrieden, obwohl da traditionell die beliebte Partyband Dolce Vita auf dem Programm stand, die aber nicht mehr spielt und durch die Showband Nachtstark ersetzt wurde. Aber die Stimmung im Zelt war gut, auch die Schausteller zeigen sich optimistisch: "Bisher waren wir gut besucht", sagt die Dame vom Autoscooter am Donnerstagabend. "Ja, wir sind zufrieden", sagt der Herr vom Kinderkarussell.

Das Volksfest ist für die Gemeinde Neufahrn, die dieses Jahr dafür rund 38 000 Euro ausgibt (2023 waren es 35 000), das größte Freizeitevent des Jahres. Noch bis Sonntag wird gefeiert, dann wird in drei Tagen abgebaut, was in zehn Tagen aufgebaut wurde. Widmann und sein Team werden sich danach verabschieden und sich auf die nächsten Termine vorbereiten, Deggendorf, Klosterlechfeld und Olching stehen als Nächstes auf dem Programm. Auch die Schausteller, die aus ganz Bayern kommen, werden mit ihren Fahrgeschäften und Wohnwagen weiterziehen. So wie es immer gewesen ist.

Laut dem Deutschen Schaustellerbund gibt es in Deutschland rund 10 000 Volksfeste, davon etwa 2000 in Bayern. Oft handelt es sich um Veranstaltungen, die auf eine lange Tradition zurückblicken können. Aber: Volksfeste sind seit Jahren auf dem Rückzug. Für Wenzel Bradac, den Vorsitzenden des Bayerischen Landesverbandes der Marktkaufleute und Schausteller, ist das "ein großes Problem" für die Branche.

Auch kommt es manchmal vor, dass die Volksfeste zwar weiterhin stattfinden, aber ohne das Bierzelt, das traditionell der Anziehungspunkt sei, so Bradac. Die Gründe dafür sind vielfältig, einer davon ist Personalmangel. Festwirt Andreas Widmann sagt, er habe keine großen Schwierigkeiten gehabt, die Arbeitskräfte zu finden. Das liegt zum einen daran, dass er seit vielen Jahren mit den gleichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen arbeitet, zum anderen aber auch daran, dass das Neufahrner Volksfest so früh im Jahr stattfindet und damit weniger Konkurrenz hat.

Nach wie vor beliebt: der Autoscooter. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein weiteres Problem ist der immer knapper werdende Platz. Vor allem in den Städten würden Festplätze mit Wohnungen oder Büros zugebaut, Volksfeste und Zirkusse an den Stadtrand verlegt, sagt Wenzel Bradac vom Landesverband der Schausteller. Manche Schausteller sind außerdem der Meinung, dass kleine Events unter dem Erfolg der größeren leiden. Bradac teilt diese Ansicht nicht: "Kleinere Volksfeste sind auch deshalb beliebt, weil man dort gemütlich feiert und den Nachbarn trifft, und weil es dort nicht so voll ist wie auf dem Oktoberfest", sagt er. Auch deshalb bleibt er optimistisch: "Volksfeste haben nach wie vor eine Zukunft".

Auch der Festwirt ist zuversichtlich. Am Samstagabend hofft er auf viele Besucher und Besucherinnen in Neufahrn, am Sonntag wird es ruhiger. Dann heißt es: Schluss! Finito! Auf bald!

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