Geschichte des Ochsenkrieges:Das Massengrab von Dorfen

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Ausgrabungen der Gebeine der gefallenen Sebastiani Bogen- und Armbrustschützen von 1422 im Jahr 1975. (Foto: Pfarramt Dorfen)

Vor 600 Jahren nahm Graf Georg III. mit seinem "Haager Fähnlein" das stark befestigte Dorfen ein. Seine Ritter plünderten den Markt und töteten viele der Verteidiger. Die Gebeine der Opfer kamen erst Jahrhunderte später zum Vorschein.

Von Thomas Daller, Dorfen

Als "Ochsenkrieg" ist die militärische Auseinandersetzung zwischen der Grafschaft Haag unter Georg III. und dem Herzogtum Bayern-Landshut unter Heinrich XVI. in den Jahren 1421 bis 1422 in die Geschichte eingegangen. Ludwig Ganghofer hat die damaligen Ereignisse in einem gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1914 mit viel literarischer Freiheit verarbeitet, der mittlerweile dreimal verfilmt wurde. Im März 1422, vor 600 Jahren, nahm dabei Graf Georg mit seinem "Haager Fähnlein" das stark befestigte Dorfen ein. Seine Ritter plünderten und verwüsteten den Markt und töteten viele der Verteidiger.

Als 1975 auf dem Dorfener Ruprechtsberg das Gebeinhaus unterhalb der Schulterwundenkapelle geöffnet wurde, kamen die sterblichen Überreste vieler Menschen zum Vorschein, die als Opfer des Ochsenkrieges 1422 gelten. Das Gebeinhaus wurde anschließend restauriert und als Kapelle neu gestaltet. Darin erinnert auch eine Gedenkplatte an die "Toten der Sebastiani-Bruderschaft der Armbrust und Bogenschützen, gefallen bei der Verteidigung ihrer Heimat 1422".

Anlass war ein Streit um Weiderechte

Anlass des Ochsenkrieges war ein Streit um Weiderechte auf der Hängmoos-Alm im Berchtesgadener Land, schreibt der Haager Geschichtsforscher Rudolf Münch in seinem Buch "Der Ochsenkrieg im Erdinger Raum 1420 - 1422". Auf dem Hängmoos durften keine Milchkühe aufgetrieben werden und keine Käserei stehen, nur zwanzig Kälber und sechzig Ochsen. So war es seit 1356 verbrieft und gesiegelt. Dagegen verstießen die Bauern von Schönau und Ramsau im Frühjahr 1420, als sie dort eine Käserhütte errichteten und Milchkühe auftrieben. Der Berchtesgadener Amtmann brachte die Bauern zur Anzeige und der Streit eskalierte. Damit begann der Ochsenkrieg, der Tausende menschliche Opfer kostete und Hunderte Dörfer niederbrannte.

Ein Denkmal erinnert an die vielen Opfer des Ochsenkriegs. (Foto: Pfarramt Dorfen)

Die Ochsen von Hängmoos waren nur vordergründig der Anlass. Der eigentliche Kriegsgrund war die Zerstrittenheit der bayerischen Herzöge untereinander. Seit der sogenannten dritten Landesteilung im Jahr 1392 bestanden in Altbayern drei gleichberechtigte Herzogtümer nebeneinander, mit den Regierungssitzen Ingolstadt, Landshut und München.

1420 entbrannte der "Bayerische Krieg" zwischen Heinrich dem "Reichen" von Landshut und seinem aggressiven Cousin Ludwig VII. dem "Gebarteten" von Ingolstadt. Beide lauerten nur darauf, dass der andere einen Anlass gab, ihm den Krieg zu erklären. Als nun Herzog Heinrich von Landshut den Bauern von Hängmoos Hilfe versprach, drohte ihm Ludwig von Ingolstadt mit Krieg.

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Der Haager Graf Georg III. aus dem Geschlecht der Fraunberger versuchte, diese Situation auszunutzen und als Verbündeter Ludwigs in der Auseinandersetzung gegen Heinrich die Macht seiner Grafschaft auszubauen. Die Haager waren schon seit 1409 mit dem Ingolstädter verbündet und gehörten seit 1416 einem Ritterbund an, der vor allem gegen Herzog Heinrich gerichtet war. Als sich dieser Adelsbund 1420 mit Ludwig von Ingolstadt verbündete, eröffnete Heinrich von Landshut den Krieg.

An die 100 Dörfer wurden niedergebrannt

Heinrich von Landshut packte seine Gegner dort, wo sie schwach waren und schädigte die kleinen Ingolstädter Bundesgenossen. Die Kriegstaktik des Ingolstädters bestand darin, dass er seine adeligen Bundesgenossen in kleinen Scharen über das Landverteilte und jeder für sich bestimmte Gebiete der Gegenpartei angriff. Im März 1422 griffen die Haager im Raum Erding in die Kämpfe ein, eroberten Dorfen und weitere an die 100 Dörfer und Weiler im Bezirk Erding, die allesamt niedergebrannt wurden.

Im März 1422 griff Georg von Haag Dorfen an. Die Haager sahen in den Dorfenern gute Nachbarn, die man friedlich einnehmen wollte, um ihnen die "Haager Freiheit" mit niedrigen Steuern zu bringen. Sie erwarteten, mit Jubel freudig empfangen zu werden. Als sie jedoch in der heutigen Haager Straße erschienen, sahen sie, dass die Tore verschlossen und die Außenfenster zugemauert waren.

Der Markt Dorfen war damals mit zweifachem wassergefülltem Graben und einem dazwischen liegenden Wall bewehrt, der mit spitzen Palisaden bestückt war. Hinter dieser Palisade konnten Schützen lauern, die dem Angreifer zusetzten. Holzbefestigungen des Herzoggrabens konnten kürzlich bei den laufenden Grabungen in der Apothekergasse freigelegt werden. Bei den Ausgrabungen wurde auch eine Münze aus den 1420er Jahren gefunden, sagte Archäologin Ramona Baumgartner, die die Ausgrabung leitete. Die Ausgrabungen wurden Ende dieser Woche abgeschlossen, weitere Ergebnisse werden in Kürze veröffentlicht.

Die gefundenen Gebeine wurden dann im nördlichen Friedhof bestattet. (Foto: Pfarramt Dorfen)

Als die Haager erkannten, dass ihnen die Dorfener nicht wohlgesonnen waren, fielen sie aus Zorn besonders wütend über den Markt her, schildert Geschichtsforscher Münch. Die Verluste unter den Dorfenern, insbesondere unter den Schützen der St. Sebastiani-Bruderschaft waren sehr groß. In einem Massengrab wurden hunderte von Skeletten mit teils eingeschlagenen Schädeln gefunden. Anschließend wurde Dorfen geplündert und seine Häuser und Kirchen zerstört. Auch die Marienkirche in Dorfen und viele ihrer Güter wurden im Ochsenkrieg durch das Feuer schwer mitgenommen.

"Als 1975 auf dem Dorfener Ruprechtsberg der Karner, das Gebeinhaus, unterhalb der Schulterwundenkapelle geöffnet wurde, kamen die sterblichen Überreste zahlreicher Menschen zum Vorschein, die mit ziemlicher Sicherheit Opfer des Ochsenkrieges 1422 waren", schreibt Wolfgang Lanzinger vom Historischen Kreis Dorfen. "Pfarrer Eigner hat sie dann im nördlichen Friedhof bestattet. Der Karner ist anschließend restauriert und als Kapelle neu gestaltet worden."

Die schlimmste Heimsuchung über den Erdinger Bezirk kam in der Pfingstwoche und am Dreifaltigkeits-Sonntag. Die Haager brandschatzten "das Dorf zu Reisen, den Edelsitz Schrenk, Niederdingen, Oberdingen, Aufkirchen, Notzing, Ehing und Stamham, Kempfing, Moosinning, und Schwaigen". Daran reihten sich noch die Namen verbrannter Dörfer aus dem Bezirk Markt Schwaben, der weit in die Erdinger Gegend hineinreichte, darunter Wifling, Kirchötting, Sonderndorf, Hörlkofen, Oberschillach und die Einöden Burgholz, Hofsingolding und Lupperg.

Erst als im Spätsommer der deutsche Kaiser Sigmund ein energisches Friedensgebot erließ und eine Bannandrohung ankündigte, ging der Krieg zu Ende. Am 19. September 1422 kam es zur Entscheidungsschlacht bei Alling nahe Fürstenfeldbruck, die für die Ingolstädter Seite eine schwere Niederlage brachte. Graf Georg versank dabei mit seinem gepanzerten Schlachtross im Sumpf des Starzelbach-Mooses und wurde von Truppen des Herzogs gefangen genommen. Erst gegen die Zahlung von Lösegeld kam er frei und schloss sich daraufhin dem siegreichen Landshuter Herzog an.

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