Archäologie:Zehn Millionen Jahre alte Sensation ausgegraben

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Peter Kapustin präsentiert am Rückenwirbel von "Little Consti" den anhaftenden Hauer eines Urnashorns. (Foto: Renate Schmidt)

Die Kinder eines Museumsleiters entdecken beim Spielen im Landkreis Erding Überreste von Urelefanten. Diese sind in einem derart guten Zustand, dass Wissenschaftler begeistert sind.

Von Thomas Daller, Taufkirchen

Ein Tierfriedhof mit den Überresten von drei Urlelefanten, Skelett- und Zahnresten einer Großkatze, einer Antilope sowie eines großen Nashorns ist in einer kleinen Sandgrube in Langenpreising bei Erding entdeckt worden. Die Elefanten lebten vor zehn Millionen Jahren und hatten eine Schulterhöhe von bis zu 4,5 Metern. Heutige Afrikanische Elefanten werden bis zu 3,50 Metern groß. Es handelt sich um die größten Landsäugetiere, die je in der Region des heutigen Deutschlands gelebt haben.

Zwei Skelette sind nahezu vollständig erhalten, was außerordentlich selten ist. Der Großteil aller bisherigen Funde besteht lediglich aus Knochenfragmenten oder einzelnen Backenzähnen. Der sensationelle Fund wurde am Montag in Taufkirchen/Vils im Landkreis Erding vorgestellt.

Ein Fuchs und zwei Schulkinder waren maßgeblich an der Entdeckung beteiligt: Bereits 2004 konnte die Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie dort zufällig einen Schädel bergen, der zu einem der nun gefundenen Tiere gehörte. Seither ging Peter Kapustin, ehrenamtlicher Leiter des Urzeitmuseums im benachbarten Taufkirchen, mit Genehmigung des Grundstückseigentümers über Jahre hinweg dort auf die Suche. Bislang immer vergeblich.

Peter Kapustin mit seinen Söhnen Constantin und Alexander (rechts) bei der Pressekonferenz. (Foto: Renate Schmidt)

Dann kam der 13. April 2023: Seine beiden Söhne Alexander (10) und Constantin (9) wollten Peter Kapustin begleiten. Sie rannten ohne ihn los und kamen mit einer eigenartigen Kalkrolle zurück, die der Vater als ummanteltes Rippenstück identifizierte. Sie hatten es in einem Sandhaufen vor einem Fuchsbau gefunden. Gemeinsam suchten sie die Wände des Fuchsbaus ab und erkannten dort einen gewaltigen Knochen, der quer durch den Eingang verlief. Beim weiteren Ausgraben kamen weitere Reste, teilweise sehr große Knochen zum Vorschein. Daraufhin wurden die Bayerische Staatssammlung und das Landratsamt Erding informiert.

Die Grabungen begannen im Sommer 2023 und dauerten Monate

Die Grabungen erforderten viel Vorarbeit, sie begannen im Sommer vergangenen Jahres und dauerten mehrere Monate. Beteiligt waren unter anderem die Geologen Alexander Benn und Hanna Loidl sowie der paläontologische Präparator Nils Knötschke. Geologe Benn identifizierte die Fundstelle als ehemaliges Flussbett, in dem die Strömung nur sehr gering gewesen sei. Andernfalls wären die Schädel und Knochen von Geröll und Steinen beschädigt oder gar zermalmt worden.

Und sie wären viel weiter verdriftet worden. So aber fand man allein auf neun der untersuchten 200 Quadratmeter zwei Unterkiefer, Stoßzähne, Becken, Oberkiefer und Rippen. Im gesamten Grabungsgebiet fand man mehr als 120 Knochen, darunter auch Knochen einer großen Raubkatze, man vermutet eine Säbelzahnkatze, einer Antilope sowie den Zahn eines Nashorns. Die Grabung wurde mit mehr als 1000 Fotos als Photogrammetrie vermessen und in ein 3D-Modell eingebettet.

Erste präparierte Fundstücke, vorne Unterschenkel und Becken, von "Little Consti". (Foto: Renate Schmidt)
Der Fundort, ein Fuchsbau, mit dem stolzen Entdecker (Foto: Renate Schmidt)
Der Größenvergleich zeigt deutlich wie groß die Elefanten damals waren (Foto: Renate Schmidt)

Es handelt sich um keinen klassischen Elefantenfriedhof, wie man ihn heutzutage aus Abenteuerbüchern oder Hollywoodfilmen kennt. Die Gebeine afrikanischer Elefanten werden manchmal gehäuft an sumpfigen Stellen gefunden, weil den Tieren im Alter von etwa 60 Jahren die Backenzähne ausfallen. Das Savannengras wird dann zu zäh zum Beißen und sie wandern in Sumpflandschaften ab, wo weichere Pflanzennahrung wächst. Dort sterben sie an Altersschwäche oder versinken im Sumpf. Das trifft auf diese Tiere nicht zu: Dinotherium gigantum oder Hauerelefanten, wie man sie auch nennt, lebten in einer tropischen Auenlandschaft, wo sie sich hauptsächlich von weicher Pflanzennahrung ernährten.

Das haben Isotopenuntersuchungen am Zahnschmelz der Tiere längst bestätigt. Zudem handelte es sich bei den zwei fast vollständig erhaltenen Elefanten um Jungtiere, was man daran erkennen konnte, dass noch nicht alle Zähne durchgebrochen waren. Was zu ihrem Tod geführt haben kann, darüber können die Grabungsteilnehmer nur spekulieren. Naheliegend sei ein Naturereignis, womöglich ein Hochwasser oder ein Blitzschlag.

Auch die Armknochen einer Raubkatze, man vermutet eine Säbelzahnkatze, gehören zu dem Fund. (Foto: Renate Schmidt)

Vielleicht geben auch die nun folgenden Untersuchungen noch mehr Auskünfte über die Tiere. Bislang hat man zumindest keine Bissspuren gefunden, die auf Aasfresser hindeuten könnten. Stattdessen fand man Wurzelabdrücke von Bäumen auf den Knochen. Nun sollen noch Analysen der Individuen erfolgen, in welchem Alter sie gestorben sind. Und den Beckeninnenrand möchte man sich ansehen, aus dem man schließen kann, ob die Tiere männlich oder weiblich gewesen sind. Außerdem beabsichtigt man eine Pollenanalyse vorzunehmen, um die damalige Vegetation genauer zu bestimmen.

Kapustins Söhne, die beiden jungen Entdecker, werden übrigens mit der Namensgebung geehrt: Das größere Exemplar wurde "Big Alex" genannt, das kleinere "Little Conti". Der Fuchs geht leer aus.

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