Zwischen Welten:Der Wert des Kindergeburtstags

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Emiliia Dieniezhna (Foto: Bernd Schifferdecker)

Unsere Kolumnistin stellt fest, dass es für ukrainische Kinder schwer ist, deutsche Freundinnen und Freunde zu finden. Dabei wäre es so einfach, Kontakte zu fördern.

Kolumne von Emiliia Dieniezhna

Letzte Woche wurde meine Tochter eingeschult, das war ein besonderer Tag im Leben unserer Familie. Der wichtigste Programmpunkt dieser Veranstaltung war der Empfang auf dem Schulhof. Die Kinder und auch wir Eltern wurden mit feierlichen Ansprachen von Pullachs Erster Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund und Schuldirektor Anton Höck begrüßt. Das hat uns wirklich sehr gut gefallen. Ein Gedanke aus den Festreden hat mich allerdings noch lange beschäftigt.

Herr Höck, den ich als erfahrenen Schulleiter und Lehrer kennengelernt habe, hat das Thema der Integration der ukrainischen Kinder aufgegriffen. Er habe bereits öfter von einheimischen Eltern gehört, dass sich ukrainische Kinder nicht integrieren möchten. Höck, der auf eine langjährige Erfahrung als Lehrer geflüchteter Kinder zurückblicken kann, sagte aber auch, dass man es sich nicht so einfach machen dürfe.

An die Eltern der deutschen Kinder richtete er die Frage, wann diese denn zuletzt ein ukrainisches Kind zum Geburtstag ihres Kindes eingeladen hätten? Oder einfach nur zum Spielen? Er appellierte an die Mütter und Väter, genau das zu machen. Ich musste ihm innerlich sehr recht geben.

Natürlich verstehe ich auch, dass es nicht leicht für geflüchtete Kinder und ihre Eltern ist, hier Kontakte zu knüpfen und neue Freunde zu finden. Wenn viele Angehörige weit weg sind und die Kommunikation mit den alten Freunden kaum möglich oder gar unmöglich ist, dann ist es für die Kinder besonders wichtig, hier eine deutsche Freundin oder einen Freund zu finden. Damit bekämen sie eine Chance, sich über das Pflichtprogramm aus Schule und Sprache lernen hinaus sozial zu integrieren.

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Ich habe auch schon viel mit meinen ukrainischen Schülern und Schülerinnen über dieses Thema gesprochen und leider sehr oft gehört, dass es für sie schwierig sei, deutsche Freunde zu finden. Nur wenige Schüler und Schülerinnen haben das nach 18 Monaten hier geschafft.

Mir ist bewusst, dass das kein Problem alleine von ukrainischen Geflüchteten ist. So erinnere ich mich an ein Gespräch kürzlich mit einem geflüchteten Jungen aus Afrika. Er erzählte mir, dass er keine Freunde habe, weil niemand mit ihm spielen will. Der Junge ist sehr klug und lieb, und er tat mir wirklich sehr leid.

Ich wohne nun seit 18 Monaten in Deutschland, und ich habe viel von den Menschen hier gelernt. Ich durfte die köstliche Küche kennenlernen, das erste Mal eine Breze essen oder ein Radler trinken. Ich habe mich mit kulturellen Charakteristika angefreundet und schätze inzwischen die Vorteile guter Planung oder die Leidenschaft für Ordnung. Ich bin aber auch sicher, dass deutsche Kinder und ihre Eltern ebenso von ukrainischen Kindern und ihren Eltern lernen können. Denn ist es nicht so, dass uns Inklusion und Austausch nicht nur kulturell, sondern auch emotional reicher machen?

Meine Freundin und Psychotherapeutin Natalia Tereschenko hat dafür einen klugen Satz parat. Sie sagt immer, dass man suchen müsse, was vereint und nicht, was auseinander treibt. Mein Appell an alle Eltern, die einen Kindergeburtstag vorbereiten, lautet deshalb: Bitte überlegen Sie, ob es in der Umgebung ein geflüchtetes Kind gibt, das gerne auf die Feier kommen möchte. Mich würde das sehr dankbar machen.

Emiliia Dieniezhna, 35, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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