Coronavirus im Landkreis Ebersberg:"Uns geht der Arsch auf Grundeis"

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Die Gastronomen im Landkreis Ebersberg sind in der Coronakrise erfinderisch. Auch wenn das derzeit vielerorts noch gut funktioniert, kämpfen die Wirte ums Überleben.

Von Andreas Junkmann

Toilettenpapier ist in diesen Tagen ein gefragtes Gut - und wie bei allem, was rar ist, bekommt es dadurch einen gewissen Wert. Aus dieser nicht ganz ernst gemeinten Kausalitätskette hat man sich nun beim Gasthof Purfinger Haberer einen kleinen Scherz erlaubt. Auf Facebook hat die Wirtschaft aus dem kleinen Vaterstettener Ortsteil ein Video gepostet, in dem ein Kunde sein Essen beim Abholen mit eben jenem Toilettenpapier bezahlt. "Mei super! Das ist mir eh viel lieber als Geld", sagt der über beide Ohren grinsende Geschäftsführer Maximilian Mack, als er die begehrten Packungen in den Händen hält. Beim Purfinger Haberer haben sie ihren Humor nicht verloren, dabei hätten die Gastronomen in diesen Tagen allen Grund dazu. Die Beschränkungen durch das Coronavirus machen besonders den Wirtshäusern zu schaffen, weshalb dort nun Kreativität gefragt ist, um das Geschäft halbwegs am Laufen zu halten.

Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, hat der Freistaat Bayern beschlossen, sämtliche Gastronomiebetriebe bis auf weiteres zu schließen. Erlaubt ist lediglich noch, Essen auszuliefern oder von den Kunden abholen zu lassen. Was sonst ein übliches Prozedere bei Lieferdiensten ist, gilt nicht gerade als Kernkompetenz klassischer Wirtschaften. Von diesen gibt es aber auch im Landkreis Ebersberg eine ganze Menge - und sie werden nun vor völlig neue Herausforderungen gestellt.

"Wir haben das jetzt mal getestet und werden es bis auf weiteres so fortführen", sagt etwa Maximilian Mack, der für den Purfinger Haberer einen Abholservice entwickelt hat. Als traditionelle Gaststätte lebt das Lokal eigentlich von den Stammgästen und dem gemütlichen Wirtshausflair. Essen nur noch in Plastiktüten herauszugeben, ist für Mack deshalb Neuland. Der Haberer-Chef sagt aber: "Wir stellen uns der Krise." Und das wissen die Gäste offenbar zu schätzen, denn laut Mack werde das Not-Konzept sehr gut angenommen. "Die Solidarität der Menschen ist riesengroß."

Ähnliches habe er auch von seinen Kollegen in anderen Gemeinden gehört, die sich ebenfalls etwas haben einfallen lassen: in der Vaterstettener Landlust etwa gibt es nun auch einen Abholservice, genauso beim Gasthaus Schlammerl im Zornedinger Ortsteil Wolfesing oder beim Wirtshaus zur Poinger Einkehr und vielen weiteren Lokalen im Landkreis. Die Ebersberger Wirtshäuser Zur Gass und Kugleralm machen gemeinsame Sache und teilen sich das Abholangebot sogar tageweise untereinander auf, damit keines der Restaurants leer ausgeht. Manche Lokale haben zusätzlich einen Lieferservice für ihr Essen eingerichtet, wie etwa das Markt Schwabener Wirtshaus im Oberbräu. Notgedrungen Fast-Food auf Bayerisch gibt es beim Anzinger Kirchenwirt, wo man sich mit einem "Wirtshaus-Drive-in" gegen die Krise wehrt.

Was derzeit ob der von Maximilian Mack angesprochenen Solidarität in der Bevölkerung noch ganz gut funktioniert, kann jedoch keine Dauerlösung sein. "Zwei, drei Wochen halten wir so noch durch. Dann wird es kritisch", sagt der Haberer-Geschäftsführer. Er bittet deshalb auch weiterhin darum, dass die örtliche Gastronomie so gut es geht unterstützt wird, denn: "Die Leute wollen ja auch nach der Krise noch ihr Wirtshaus haben."

"Das ist unsere einzige Chance. Sonst zerbröselt es einen nach dem anderen."

Eine indirekte Hilfestellung leistet dabei in diesen Tagen die Firma Doitll. Das Startup aus Glonn hat eine Plattform geschaffen, auf der Unternehmen mit Hilfe einer digitalen Karte ihre Waren und Dienstleistungen anbieten können. Auch Gaststätten können diesen Service nutzen, um ihre Angebote zu bewerben. Wer Hunger hat, braucht nur auf der Doitll-Homepage oder per App seine Gemeinde suchen, und bekommt im Handumdrehen die teilnehmenden Gastrobetriebe mitsamt Speisekarte serviert. "Wir sind noch in der Entwicklung und es ist noch nicht alles perfekt", heißt es von dem kleinen Technikunternehmen. In der jetzigen Situation sei die Plattform aber einfache Möglichkeit, seine Geschäfte, Dienstleistungen und Waren zu präsentieren. Der Service ist dem Startup zufolge komplett kostenlos. Auch würden keine der angegeben Daten analysiert oder gar verkauft. "Das ist unser Beitrag zur aktuellen Situation", so das Unternehmen.

Am Ende sind es aber immer noch die Gastronomiebetriebe selbst, die um ihre Existenz kämpfen müssen. Und manche werden in der Not sogar so erfinderisch, dass sie sich von ihrem eigentlichen Wirtshauskonzept lösen und völlig neue Wege gehen. Bei Steinbergers Marktblick in Glonn etwa wird der verwaiste Gastraum nun als Fläche für Home-Office-Büros angeboten. "Wir klammern uns eben an jeden Strohhalm", sagt Wirt Markus Steinberger. Das vom Wirtshaus als "Rundum-Sorglos-Lösung" beworbene Konzept beinhaltet insgesamt vier räumlich voneinander getrennte Arbeitsplätze, freies Wlan, Getränke und Brotzeit.

Für Steinberger selbst ist die Idee allerdings auch nur ein Mittel zum Zweck, um seine Existenz zu sichern. "Die Wirtschaft ist geschlossen. Ich muss aber weiterhin meine Mitarbeiter und die Miete bezahlen." Er überlegt deshalb, ob er zumindest seinen Eisverkauf öffnen soll, was allerdings ein zweischneidiges Schwert sei: Einerseits brauche er die Einnahmen, andererseits sollen die Leute ja eigentlich zu Hause bleiben. "Uns Gastronomen geht jetzt der Arsch auf Grundeis", sagt Steinberger, der befürchtet, dass für viele die Corona-Krise das Aus bedeuten wird.

Vor allem, da die von der Regierung versprochenen Soforthilfen Steinberger zufolge ins Leere laufen würden. Diese bekomme man nur, wenn man ohnehin schon in finanziellen Schwierigkeiten war. Wer sich jedoch Rücklagen geschaffen habe, der gehe leer aus. "Und einmalig 5000 Euro, die man wieder zurückzahlen muss, helfen uns in der Situation auch nicht weiter." Eine Hoffnung hat der Marktblick-Wirt allerdings noch: dass nun die von Gastronomen schon lange geforderte Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent umgesetzt wird. "Das ist unsere einzige Chance. Sonst zerbröselt es einen nach dem anderen."

© SZ vom 27.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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