Manche Kinder und Jugendliche schreiben, weil sich das in der Schule leider nicht vermeiden lässt. Andere tun es freiwillig. In ihrer Freizeit. Denken sich Geschichten aus und sammeln sie in einer Schublade. Oder reichen sie bei Wettbewerben ein. Für vier Mädchen und zwei Jungen hat sich das nun ordentlich gelohnt. Sie haben am jährlichen Literaturwettbewerb der VHS Vaterstetten teilgenommen und für ihre Werke zum Thema "Märchen, Fabeln und Held(innen)geschichten" einen Geldpreis gewonnen, gestiftet von der Kreissparkasse.
"Grundsätzlich bin ich immer sehr berührt, wenn sich Kinder die Zeit nehmen, sich hinzusetzen und sechs Seiten zu schreiben", sagt Juliane Breinl. Zusammen mit Anja Rahimpour von der VHS Vaterstetten hat die Schriftstellerin die 50 Einreichungen aus München und Umland begutachtet. Kein wirklich leichtes Unterfangen, wie Breinl erklärt. "Die Vorgabe, dass Handlung und Figuren etwas Magisches oder Märchenhaftes haben mussten, war sicher eine besondere Herausforderung."
Zudem sei bedauerlicherweise festzustellen, dass seit der Pandemie die Gesamtqualität gelitten habe. "Es würde den Kids leichter fallen, wenn sie mehr lesen würden, denn darüber lernt man schreiben", so der Tipp von Breinl, die auch entsprechende Kurse gibt. Aber bei hoher psychischer Belastung wie während Corona sei es wahrscheinlich einfacher, Netflix zu sehen, als sich auf ein Buch einzulassen. "Lesen ist schließlich nicht die totale Ablenkung, sondern man muss auch mitdenken."
Ihre Jury-Kollegin Rahimpour merkt außerdem an, dass teils die Vorgaben nicht beachtet worden seien. Manchen Bewerbern habe man sagen müssen, die Geschichte könne nicht angenommen werden, außer sie werde überarbeitet und gekürzt. "Das haben sie dann aber auch immer sehr schnell gemacht", freut sich die Fachbereichsleitung Sprachen und Literatur. Schließlich sei das "ein Lerneffekt, den man ihnen mitgeben kann". Ansonsten weiß sie zu berichten, dass sechs der Einreichungen aus einem Schreibkreis stammten: "Sowas ist fast immer erfolgreich, weil sich dort interessierte Schreibtalente zusammenfinden."
Zwei Altersklassen, sechs Siegertexte
Gewonnen hat in der Altersgruppe A (13 bis 15 Jahre) Emma Schnierer mit "Mytholos". Ein Buch erwacht zum Leben, damit das Mädchen Willow eine Zauberwelt retten kann. Doch die Sache läuft mächtig schief, und ohne ihre Schwester Riley wäre Willow selbst verloren. Eine wirklich spannende und ereignisreiche Geschichte in einem Reich voller Kobolde, Riesen, Elfen und Feen, in das man nur per Zaubertrank gelangt. Wie der schmeckt? Nach "sauren Gurken, gemischt mit Gummibärchen".
Auch in "Das Portal in die Freiheit" von Juliane Rad (2. Preis) geht es um Fabelwesen, die sich plötzlich materialisieren und einer Außenseiterin ganz neue Ein- und Aussichten verschaffen. Die flott geschriebene Geschichte schlägt eine Brücke zwischen dem Alltag einer Sechstklässlerin und mythischen Ereignissen mit tiefgreifenden Auswirkungen.
Ein schmerzvolles Leben führt der Ich-Erzähler, den sich Moritz Kuhl für "Qanon" (3. Preis) ausgedacht hat: Der geknechtete Zauberer-Sklave lebt und leidet in einem höchst ungewöhnlichen Setting, in dem die Elfen die Bösen sind. Oder vielleicht doch nicht? In der bildgewaltigen, starken Story, deren Verfilmung quasi zum Greifen nahe ist, wimmelt es bis zum völlig überraschenden Ende von Ungewissheiten.
In der Altersgruppe B (16 bis 18 Jahre) geht der erste Preis an "Das Dorf der Trolle - Siebenau" von Jakob Amelung. Ganz im Duktus eines klassischen Märchens gerät ein Knabe durch den Kauf eines verzauberten Krugs in große Kalamitäten. Zum Glück kann er mit Hilfe eines Waldgeistes unter großen Anstrengungen seine Schuld wieder gutmachen. Eine klassische Heldenreise mit Höhen, Tiefen und vielen Versuchungen, denen der Protagonist widerstehen muss.
Von ganz anderer Natur ist "Der Mond hinter der alten Eiche", der Amelie Niederbäumer einen zweiten Platz beschert hat. Hier geht es um die Kraft der Gedanken und um nächtliche Monster, die ein ganz normales Mädchen in Angst und Schrecken versetzen, bis aus unerwarteter Ecke Rettung naht. Ausdrucksvoll und gekonnt malt die junge Autorin kraftvolle Sprachbilder. Man spürt, dass sie viel schreibt. Und zwar mit Erfolg. 2019 holte sie sich den Münchner Kinder-Krimipreis, 202o erreichte sie den dritten und 2021 sogar den ersten Preis bei den Vaterstettener VHS-Literaturwettbewerben.
Den dritten Preis bekommt Miramé Kühlwein für "Flüstern des Waldes", eine fast poetische Geschichte mit Fortsetzungspotenzial über einen jungen Bäcker, der eine völlig andere Bestimmung in sich spürt. Ganz ohne Gewalt und Kampf setzt er sich in einer längst vergessenen Welt für die Natur ein.
Insgesamt war heuer die Zahl der Beiträge niedriger als in den vergangenen Jahren. "Das kann auch mit dem Thema zusammenhängen: Letztes Jahr war es ja ,Macht' - aber bei ,Märchen' hat man immer schon einen Erzählton im Hinterkopf", versucht sich Breinl an einer Erklärung. Dennoch ist sie sehr froh über die immer noch durchaus achtbare Beteiligung - und sieht das angestrebte Ziel erreicht: Kinder und Jugendliche zum Schreiben zu ermutigen. "Es geht dabei ja nicht nur ums Gewinnen", präzisiert sie. Zumal sie nicht glaube, dass die jungen Autoren mit den Einreichungen einen Endzustand erreicht hätten. "Weil ich spüre, dass das Bedürfnis nach Geschichten da ist, und danach, sich schriftstellerisch auszudrücken."
Die Gewinnergeschichten sind nachzulesen auf der VHS-Internetseite . Preisverleihung ist am Freitag, 14. Juli, um 17 Uhr in Vaterstetten, Baldhamer Straße 39, Konzertsaal. Musik: Jugend-Cello-Ensemble der Musikschule. Eintritt frei, Anmeldung erbeten unter (08106) 359035.