Kultur im Landkreis:"Es muss alles erlaubt sein"

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Das Titelbild der aktuellen Ausstellung des Fotoclubs Vaterstetten stammt von Bettina Obert und heißt "Tanz in der Nacht". (Foto: Bettina Obert/oh)

Dem Fotoclub Vaterstetten hat die Pandemie 2021 sein Jubiläum vermiest, doch nun kann die Herbstausstellung im Zornedinger Rathaus wenigstens mit einer Finissage zu Ende gehen. Wie immer feiert diese Schau die Vielfalt.

Von Anja Blum, Vaterstetten

Man kann es nicht oft genug sagen: Corona ist ein Spielverderber. Dem Fotoclub Vaterstetten zum Beispiel hat die Pandemie 2021 seinen zehnten Geburtstag vermiest. Die "Herbstausstellung" im Zornedinger Rathaus, die normalerweise mit Hunderten Besuchern eröffnet wird, hängt allerdings heute immer noch. Und nun kann doch gemeinsam gefeiert werden - mit Diashow, unterhaltsamen Reden und ganz viel Austausch: Am Freitag, 29. April, lädt der Fotoclub zur Finissage ins Rathaus Zorneding. "Nur Häppchen und Schlückchen dürfen wir wegen der Auflagen diesmal leider nicht reichen", erklärt Organisator Josef Pfiffer. Trotzdem ist ihm die Vorfreude auf das unverhoffte Event zum Abschluss der Ausstellung deutlich anzumerken.

Wie alles begann

Im Frühjahrsprogramm 2011 der Volkshochschule Vaterstetten fand sich eine Einladung, gerichtet an alle, "die dem Fotofieber verfallen" seien, unabhängig von Vorwissen oder Vorlieben. "Es ging darum, einen Fotoclub für Vaterstetten unter dem Dach der VHS zu gründen, der sich weitgehend selbst organisieren sollte", erklärt Holger Oesterling, der die Einladung als pädagogischer Mitarbeiter der Bildungseinrichtung und selbst leidenschaftlicher Fotograf ausgesprochen hatte. Seine Idee: Es sollte vor Ort ein Verbund von Fotografen entstehen, die miteinander und voneinander lernen können.

Holger Oesterling von der VHS hat den Fotoclub Vaterstetten einst initiiert. (Foto: privat)

Und so kam es auch. Der erste Abend war ein voller Erfolg. "Obwohl nur ein paar lausige Anmeldungen eingegangen waren, war der Raum nach kurzer Zeit bereits überfüllt", erinnert sich Oesterling. Und schon bei diesem ersten Treffen seien die ersten Exkursionen, weitere Termine und organisatorische Rahmenbedingungen vereinbart worden - der Fotoclub Vaterstetten war geboren.

"Fotografieren hält jung": mehr als die Hälfte der Mitglieder ist schon von Anfang an dabei

Seit diesem März 2011 besteht der Club nun als eine feste Gruppe von rund 30 Mitgliedern, die sich regelmäßig treffen, mehr als die Hälfte davon sind schon von Anfang an dabei, etwa zwei Drittel männlich. Das älteste Mitglied ist Frank Brasch, der 80-Jährige leitet auch den Senioren-Computer-Club der VHS. "Ja, fotografieren hält jung", sagt Oesterling und grinst. Kein Wunder, denn der Club ist äußerst lebendig: Es gab und gibt eine Vielzahl gemeinsamer Unternehmungen, Exkursionen, Praxis- und Theorieworkshops. Spezielle Themen wie Konzert- oder Tropfenfotografie, Makro-, Landschafts- oder Portraitaufnahmen, die Besprechung von Ausrüstung oder die Vorstellung von neuer Software für die Bildbearbeitung - alles findet bei den Zusammenkünften des Clubs seinen Platz. Um all das besser bewältigen zu können, wurden sogar einzelne, themenbezogene Arbeitskreise gegründet. Der direkte Draht zur VHS bringe dabei einige Vorteile, sagt Oesterling, zum Beispiel könne man deren Netzwerke nutzen, oder ihre Computerräume, für gemeinsame Bildentwicklungen am PC.

Das Siegerbilder des jüngsten Monatswettbewerbs im März zum Thema "Auf dem Land": "Kommunikation" von Bernhard Leutner. (Foto: Bernhard Leutner/oh)

Außerdem gibt es regelmäßig interne Wettbewerbe, zum Beispiel für das "Bild des Monats" oder für die Titelbilder der VHS-Programmhefte. Aber auch bei externen Ausschreibungen sind die Vaterstettener immer wieder erfolgreich. Bettina Obert zum Beispiel gewann mit ihrem Bild "Rückeroberung" bei der Zeitschrift Fotoforum den ersten Preis in der Kategorie "Architektur trifft Natur".

Die Organisation all dessen hat Oesterling nach vielen Jahren abgegeben an Josef Pfiffer, der im operativen Geschäft unterstützt wird von Hilde Jüngst und Uli Steger. Für die Terminfindung und einen unkomplizierten Austausch gibt es schon lange ein Internetforum, eine Art digitales Schwarzes Brett, "so dass wir uns bei unseren Clubabenden voll und ganz auf das Wesentliche konzentrieren können", sagt Oesterling.

Josef Pfiffer hat mittlerweile das operative Geschäft übernommen. (Foto: privat)

Da freilich jeder Fotograf Wert darauf legt, dass seine Bilder auch ein Publikum finden, legt der Club von jeher besonderes Augenmerk auf Ausstellungen. In den vergangenen elf Jahren zeigte man Schauen in der VHS Vaterstetten, im Tierpark Hellabrunn, in Bibliotheken, Altenheimen, einem Krankenhaus, in diversen Rathäusern des Landkreises und sogar open-air beim Vaterstettener Straßenfest. "Und der Zuspruch der Besucher war durchwegs groß", sagt Pfiffer. Gerade im Rathaus Zorneding, das zum Hauptausstellungsort des Clubs geworden ist, werden regelmäßig Besucherrekorde gebrochen: Zuletzt konnten die Fotografen bei der Vernissage dort weit mehr als 200 Gäste begrüßen.

Wer mitmachen will, muss eine Zeit lang zum Beschnuppern kommen

Auch das Interesse am internen Clubleben sei nach wie vor sehr groß, freut sich Pfiffer - sogar fast zu groß. Deswegen gilt generell: Wer mitmachen möchte, muss eine Zeitlang zum gegenseitigen Beschnuppern kommen. Momentan ist allerdings ohnehin kein Platz frei. Der Grund für die begrenzte Aufnahme sind laut Oesterling zwei Probleme: Erstens sei eine größere Gruppe nur schwer zu organisieren, gerade auch mit Blick auf die erforderlichen Räumlichkeiten. Und zweitens, dass der Club als VHS-Kurs im Gegensatz zu anderen Fotoworkshops so gut wie nichts koste. "Deswegen möchten wir verhindern, dass jemand nur Infos abgreifen will, ohne sich wirklich einzubringen."

Das Bild "Tiefe" von Helmut Lehner ist entstanden bei einem Segeltörn in Griechenland. (Foto: Helmut Lehner/oh)

Inhaltlich aber macht der Fotoclub keinerlei Vorgaben: vom Purismus bis zu Experiment - "es muss alles erlaubt sein", sagt Pfiffer, und Osterling stimmt ihm zu. Verschiedene Strömungen seien doch immer eine Bereicherung, sagt er. Denn genau darum gehe es ja: sich gegenseitig zu inspirieren und den Blick zu öffnen für ungewohnte Sichtweisen. "Wir vertrauen und helfen uns." Schließlich habe eine andere Person auch immer einen anderen Blick auf ein Foto - und das sei schön.

Wolfgang Schneidt zeigt in der aktuellen Ausstellung sein "Herbstleuchten". (Foto: Wolfgang Schneidt/oh)

Von der Vielfalt des Clubs überzeugen kann man sich auf einer erst kürzlich neu gestalteten Homepage, oder aktuell mit einem Besuch der Herbstausstellung im Rathaus Zorneding. Allein das Themenspektrum dort ist sehr breit, es reicht von Technik und Industrie über Architektur diverser Couleur bis hin zu Landschaften - und diese von der Wüste (Gerhard Brüningk) bis zum Chiemsee (Wolfgang Fraas). Es gibt Knallbuntes wie die "Passagen" von Irmi Wurdack oder die "Nachtfahrt" von Axel Steiger neben schwarz-weißer Zurückhaltung wie beim "Sauna-Bahnhof" von Wolfgang Schneidt. Das Titelbild ist eine Lichtmalerei von Bettina Obert: Beim "Tanz in der Nacht" habe sie mit einer längerer Belichtungszeit und "verdrehtem Tele" gespielt. So konnte die Fotografin der beleuchteten Großskulptur "Tiger and Turtle" bei Duisburg ein tänzerisches Schwingen entlocken.

Manche Aufnahmen sind in der Region entstanden, Wolfgang Klinger zum Beispiel war mit seiner Kamera in Wasserburg unterwegs. (Foto: Wolfgang Klinger/oh)

Das Mittel der Spiegelung wiederum weiß Josef Pfiffer gekonnt einzusetzen bei "Umadum im Werksviertel". Die Aufnahme zeigt ein Mädchen, knieend auf matschigem Kies, doch die Trostlosigkeit ist nicht allumfassend: In einer Pfütze ist der Schatten eines Riesenrads zu sehen. Es gibt Panoramen aus Wasser und Wolken, etwa Hilde Jüngsts "Himmel in Flammen", aber auch Aufnahmen, die ein Detail in den Fokus nehmen, zum Beispiel ein "Schwalbenschwanz" von Frank Brasch oder das Fahrwerk einer Dampflokomotive von Waltraud Plutta. Wie viel Wirkung man mit absoluter Reduktion erzielen kann, zeigt dagegen der "Eistropfen" von Eleisa Caro, ein Hingucker weiß auf weiß.

Tierisch: Frank Brasch traf dieses Flußpferd in Botswana bei einer Foto-Safari. (Foto: Frank Brasch/oh)

Wolfgang Fraas hat sich für ein Motiv aus dem Landkreis Ebersberg entschieden, er setzt eine hochromantische Brücke beim Kloster Zinneberg in Szene, während Michael Lamla den Blick nach oben in den Himmel gerichtet hat, zum "Nordamerikanebel". Dies alles und noch viel mehr gibt es zu entdecken bei der Herbstausstellung 2021, die diesmal erst im Frühling zu Ende geht. Und wer weiß, vielleicht kann die nächste Schau dann sogar wieder mit einer Vernissage eröffnet werden.

Herbstausstellung des Fotoclubs Vaterstetten im Rathaus Zorneding, zu besichtigen zu den üblichen Öffnungszeiten. Finissage am Freitag, 29. April, um 19 Uhr. Onlinegalerie unter www.fotoclub-vaterstetten.de .

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