45 Jahre Musik aus dem Landkreis:Konzert fürs Wohnzimmer

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Rudi Baumann, Günther Lohmeier, Stevie Moises und Franz Meier-Dini (von links) lassen als klassische Folkrockband die alten Hits wieder auferstehen. (Foto: Masumi Miura/oh)

"Schariwari" veröffentlicht ein neues Doppel-Album: Die erste Liveaufnahme ist eine umfangreiche Werkschau der Pioniere des bayerischen Folkrock. Verblüffend daran sind vor allem die zeitlos gültigen Texte.

Von Anja Blum, Kirchseeon

Bei einer anderen Band würde man vermutlich die Stirn runzeln: Anstatt einer Auswahl, bietet das neue Live-Album von Schariwari praktisch alle Lieder des derzeitigen Bühnenprogramms. "Wir haben sehr mit uns gerungen, es aber letztlich nicht übers Herz gebracht, einzelne, oft über Jahrzehnte liebgewonnene Stücke nicht zu berücksichtigen", schreibt die Band. Deswegen dürfen sich nun alle Fans ihres bairischen Folkrocks über eine Doppel-CD freuen, auf der vermutlich niemand seinen persönlichen Lieblingssong vermissen wird. Oder doch?

Wer weiß, denn Schariwari, diese durch und durch im Ebersberger Landkreis verwurzelte Gruppe, gibt es nun tatsächlich seit bereits 45 Jahren. Dass sie einmal als "Pioniere des bayerischen Folkrock" gelten würden, damit konnten die beiden Gründerväter, Hans Reupold jun. und Günther Lohmeier aus Kirchseeon, nicht rechnen, als sie im Frühjahr 1977 erstmals auftraten. Bereits 1982 waren sie Preisträger der Deutschen Phono-Akademie, 1995 gab es den Preis für Songpoeten der Hanns-Seidel-Stiftung und das Schariwari-Mystical "Bayerische Rauhnacht" erhielt 2004 den deutschen Rock- und Pop-Preis in der Kategorie Musical. Kein Wunder also, dass "der Fundus an wunderbaren Stücken riesig" ist, wie Franz Meier-Dini, Bassist und Sprecher der Band, sagt. Deshalb könne es gut sein, dass das aktuelle Liverepertoire demnächst noch weiter wachse, um einige alte Hits, und möglicherweise auch um ein paar neue. "Die Latte hängt natürlich hoch - aber der Wunsch ist da!"

Die "Bayerische Rauhnacht" von Schariwari ist längst preisgekrönt - und vom Publikum nach wie vor heiß begehrt. (Foto: Christian Endt)

Das Album ist die erste Live-CD der Band

18 Nummern bietet das gerade erschienene Album, es ist die erste Live-CD von Schariwari überhaupt. Zwei Konzerte hat die Band mitgeschnitten, im Alten Kino in Ebersberg sowie im Waitzinger Keller in Miesbach. Im Januar und Februar 2020 war das, kurz vor dem Corona-Ausbruch. Was mit dem Material geschehen sollte, war zunächst unklar. "Aber als wir die Aufnahmen dann gehört haben, waren wir sehr glücklich, diese Idee gehabt zu haben", erzähl Meier-Dini. Zumal ja dann der Lockdown kam. Die Mitschnitte hatten zwar sehr viel Aufwand bedeutet - die Musik wurde mit mehreren Mikros auf diverse einzelne Spuren gebannt - doch das hat sich gelohnt: Oliver Brand, dem Live- und Studiotechniker der Band, ist es gelungen, die stimmungsvolle Konzertatmosphäre einzufangen, ohne bei Tonqualität und Sprachverständlichkeit Kompromisse einzugehen.

So kann man sich nun den Folk-Rock von Schariwari einfach nach Hause holen, inklusive Livegefühl. Einfach das Licht dimmen, den Lautstärkeregler aufdrehen - und genießen. Mitsingen, Mittanzen, alles ist möglich. Dieses Album bietet eine wohltuende Auszeit, gerade in diesen mager-düsteren Kulturzeiten. Einzigartig an Schariwari ist, dass diese Musik die Vorzüge einer Band mit Liedermacherqualitäten vereint, mehr denn je. Die alten Stücke nämlich kommen nun in einem neuen, eher minimalistischen Soundgewand daher. Alles Opulente, Streicher zum Beispiel, sucht man vergebens, die Besetzung ist auf vier Mann reduziert, Akzente setzen nur mal eine Mandoline oder Mundharmonika. Doch der dreistimmige Gesang, Markenzeichen der Band, wurde natürlich nicht gestrichen. "Lagerfeuer-Atmo", nennt Meier-Dini das neue Konzept.

Texte und Musik dienen hier beide dem Gfui

Neben Bandleader Günther Lohmeier stehen auf der Bühne drei langjährige musikalische Weggefährten: eben Franz Meier-Dini am Bass, Stevie Moises an Schlagzeug und Percussion sowie Rudi Baumann an der Gitarre. Zusammen erweisen sie dem Phänomen Schariwari alle Ehre. Texte und Musik sind hier stets gleichberechtigt, sie dienen ein und dem selben Herrn, dem Gfui. Diese Musiker sind wahre Stimmungsmagier, die ihr Publikum tief bewegen - und so Gemeinschaft stiften. Wer je auf einem Konzert war, kann das nur bestätigen. Der Bogen reicht dabei von Liebesliedern über Weltschmerz bis hin zu sozialkritischem Protest - doch die Botschaft ist letztendlich immer eine versöhnliche: Gib nicht auf, denn Du bist nicht allein bei dem Versuch, das Beste aus Deinem Leben zu machen.

Diese Band stiftet Gemeinschaft: Schariwari live im Ottersberger Kulturstadl. (Foto: Christian Endt)

Wirklich verblüffend ist, dass die Lyriks von Schariwari auch nach 40 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt haben. Los gehts auf der CD mit Fernweh bei "Da Wind", weiter mit verpassten Chancen bei "Wieder da" bis hin zur architektonischen Verschandelung der "Altstadt" durch "die Kapitalisten". Schariwari singt vom Träumen, von Freiheit, von Lebenslust, aber auch von Reue und Einsamkeit, erzählt Geschichten vom Suchen und Finden, auf eine höchst authentische Art und Weise. Musikalisch bedienen die Vier sich dabei lässig-gekonnt einer breiten Klaviatur aus Folk, Rock, Blues, Funk oder auch mal karibischen Klängen, dazu gibts oft balladeske Melodien. Die Texte, zumeist in Mundart, sind klar und direkt, als Steinbruch für sprachliche Bilder dient vor allem die Natur: "Lass de Sonna", heißt ein Titel. Eine Poesie, die sich aus der Einfachheit speist. Ein Booklet mit den Texten gibt - und braucht - es übrigens nicht: Wer gut zuhört, vermag problemlos zu folgen.

Auch schade irgendwie, dass Schariwari so manche Texte immer noch singen muss

"De Zeit is reif für neue Ideen", schrieb Schariwari bereits vor 40 Jahren, um die Maßlosigkeit der Leistungsgesellschaft anzuprangern, auch "Der Mensch geht vor", ein Anti-Kriegs- und Pro-Umwelt-Song, stammt aus den Anfangszeiten der Band. Besonders ins Herz geschlossen aber haben die Fans die "Kirchseeoner Frösche", auf der CD ist deutlich zu hören, wie das Publikum mitsingt. Die kleinen Reptilien jedenfalls müssen mit ansehen, was der Mensch alles falsch macht, die düstere Prognose: "Er wird an seinem eigenen Dreck ersticken." Auch schade irgendwie, dass Schariwari das heute immer noch singen muss. Ebenfalls ganz hoch im Kurs: die "Sommernacht" inklusive Gewitter, eine Hymne ans Leben auf dem Land. "Himme, dua di auf / schiab deine Woikan davo / Sommernacht und a Weda dazua / grad a so, und ned anders / mags i, de Natur". So simpel, so gut. Sauguad.

Die Schariwari-Live-CD ist erhältlich bei Schreibwaren Braeuer in Grafing, beim Bücherlade in Aßling, beim Buchladen oder beim Maskeum in Kirchseoon, bei Buch-Otter in Ebersberg, beim Männerladen in Landshut oder per Mail an booking@schariwari.de.

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