Mitten in Ebersberg:Von Schultüten und Gretchenfragen

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Evangelisch? Katholisch? Konfessionslos? In Ebersberg gibt es auf die Frage aller Fragen nur eine Antwort.

Glosse von Franziska Langhammer, Ebersberg

Auch heute noch schafft der alte Goethe es, mit der Gretchenfrage Eltern rund um den Erdball in Verlegenheit zu bringen. Denn spätestens mit der Einschulung des ersten Kindes stellt sich die Frage: römisch-katholisch, evangelisch - oder gar konfessionslos? Welchen Unterricht soll unser Kind besuchen?

Aus Begeisterung besucht man ja eigentlich gern die schönen evangelischen Kindergottesdienste in Ebersberg. Da darf man draußen sitzen, die Musik ist kindgerecht und heiter, meistens gibt's noch ein Mitgebsel für die ganz Kleinen. Aber im Taufregister steht eben römisch-katholisch. So ganz abschütteln lässt sich die eigene Erziehung dann auch nicht. Und wichtig ist das ja schon, was die Kleinen da so mitbekommen.

Schließlich entscheidet man sich also für römisch-katholisch, denn: Ist ja sowieso alles eins, Ökumene und so. Umso erfreuter ist man, dass einem zumindest am ersten Schultag die Entscheidung abgenommen wird: Nach der Einschulung gibt es eine ökumenische Anfangsandacht für die Erstklässler und deren Familien. In der katholischen Pfarrkirche. Die Kinder dürfen sich mit ihren Schultüten ganz vorne hinsetzen, die Familien bleiben in den hinteren Reihen. Das erste Lied wird gesungen, ein ökumenisches natürlich: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen."

Wer aber nicht mitten unter ihnen ist, ist der evangelische Pfarrer. Der fehlt und taucht auch während der ganzen Andacht nicht auf. Das fällt auch dem katholischen Pfarrer auf, und er entschuldigt sich souverän: Er habe seinem Kollegen leider zu spät Bescheid gegeben. Die ökumenische Andacht wird nun also von katholischer Seite durchgezogen, die Kinder erfahren etwas über die Hirnschale des Heiligen Sebastian und bekommen den katholischen Segen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Doch vielleicht muss man das von einer anderen Warte aus sehen: In Ebersberg ist die Ökumene so weit gediehen, dass es tatsächlich alles eins ist. Vielleicht schon so weit, dass sie demnächst in den Stundenplänen der Kinder Eingang findet? Das wiederum könnte kommenden Elterngenerationen wieder eine große Hilfe sein. Und Schisma wirklich nur noch ein antiquiertes Fremdwort, das man googeln muss.

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