Bildung im Landkreis Ebersberg:"Wir lassen uns nicht verarschen"

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Gut 300 Kinder und Eltern haben bei einer Aktion Anfang Oktober teilgenommen und eine schnelle Realisierung des Gymnasiums gefordert. (Foto: Christian Endt)

Eine öffentliche Äußerung von Landrat Robert Niedergesäß (CSU) verärgert die Poinger Gemeinderatsmitglieder. Darum verabschieden sie nun eine zweiten Resolution an den Landkreis zur Realisierung des Gymnasiums.

Von Johanna Feckl, Poing

Es waren zum Teil deutliche Worte, die in der jüngsten Sitzung des Poinger Gemeinderats gefallen sind. Kein Wunder, ging es schließlich um das geplante fünfte Landkreisgymnasium, das in der Gemeinde entstehen soll und seit nunmehr drei Jahren auf der Warteliste des Landkreises steht - sehr zum Leidwesen vieler Bürgerinnen und Bürger vor allem im Landkreisnorden, zu denen auch die Poinger Gemeinderäte zählen. Vor allem eine öffentliche Äußerung von Landrat Robert Niedergesäß (CSU) kritisierten die Gemeinderäte stark. Einstimmig beschlossen sie schließlich, sich mit einer zweiten Resolution zur Realisierung der Schule an den Landkreis zu wenden - eine erste gab es bereits im Herbst 2021, sie erzielte keinen Erfolg.

Aktuell ist geplant, dass im kommenden Herbst 2024 sowohl das Gymnasium als auch das geplante Berufsschulzentrum in Grafing-Bahnhof von der Warteliste genommen wird - allerdings nicht um jeden Preis, sondern "vorbehaltlich der Sicherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit des Kreishaushalts sowie der Haushalte der Städte, Märkte und Gemeinden", wie es in der entsprechenden Beschlussvorlage des Kreis- und Strategieausschusses heißt. Ein gemeinsamer Antrag der Poinger Kreisräte Christa Stewens (CSU), Albert Hingerl (SPD) und Günter Scherzl (FWG) auf eine verbindliche Herunternahme der beiden Schulprojekte, also ohne jegliche Vorbehalte, fand im Ausschuss keine Mehrheit.

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In der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend nun berichtete zunächst Jacqueline Schmidt, Leiterin des kommunalen Jugendreferats in der Gemeindeverwaltung, von der Sitzung des Kreisausschusses für Soziales, Familien und Bildung (SFB) am vergangenen Montag, in der das Gymnasium im Rahmen der Einwohnerprognose für den Landkreis auch Thema war. "Die Landkreisauswertungen haben fast exakt die gleichen Zahlen ergeben wie unsere Simulationen", sagte Schmidt - teils lägen die Landkreisprognosen sogar noch etwas höher. Im Schuljahr 2020/2021 lag in Poing die Übertrittsquote an ein Gymnasium bei 54,7 Prozent, also von 201 Viertklässlern haben 110 Schülerinnen und Schüler ihren Bildungsweg am Gymnasium fortgesetzt. Und: "Die Tendenz ist steigend", wie es in den Sitzungsunterlagen dazu heißt.

Für den Poinger Gemeinderat war damit bestätigt: Der Landkreisnorden braucht das Gymnasium, und zwar so schnell wie möglich. Auch die gut 300 Kinder und Eltern haben diese Forderung jüngst mit einer Aktion am künftigen Schulstandort an der Bergfeldstraße unterstrichen. Unter dem Motto "Wir sind Schule" haben die Teilnehmenden gemeinsam ein symbolisches Gymnasium gebaut.

Bei der Kundgebung für ein Gymnasium Poing am Baufeld des Gymnasiums formen Kinder und Eltern den Schriftzug "Wir sind Schule". (Foto: Thomas Schächtl/oh)

Es war bei dieser Kundgebung, als Landrat Niedergesäß an das Mikrofon trat und etwas sagte, das die Gemeinderäte verärgert hat, wie aus den Wortmeldungen am Donnerstagabend hervorging. Demnach stünden am Franz-Marc-Gymnasium in Markt Schwaben aktuell 17 freie Klassenzimmer zur Verfügung. Noch seien räumliche Kapazitäten also vorhanden, um alle Gymnasialschülerinnen und -schüler unterzubringen, so der Landrat. "Wir brauchen das Gymnasium nicht sofort, aber noch in diesem Jahrzehnt."

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"Wir lassen uns nicht verarschen", sagte etwa Poings Zweiter Bürgermeister Reinhard Tonollo (SPD). Er halte es für "absolut untragbar", dass sich der Landrat damit herausreden wolle. "Ich finde das eine unmögliche Milchmädchenrechnung", äußerte sich Franz Langlechner (CSU). Valentin Mágori (FWG) bezeichnete die Aussagen des Landrats wahlweise als "Augenwischerei" oder "glatt gelogen".

Diese Zahlen stimmen so jedoch nicht, wie Jacqueline Schmidt in ihrem Vortrag deutlich machte. Zum einen, wie in der jüngsten Sitzung des SFB-Ausschuss gesagt wurde, handelt es sich um acht - und nicht 17 - Räume, die sich aus der Summe der stundenweise freien Räume ergeben, wenn Schülerinnen und Schüler beispielsweise in Fachräume wechseln oder zum Sportunterricht in der Turnhalle sind. "Und da ist aber nur der Pflichtunterricht berücksichtigt", sagte Schmidt - Räume, die für Förderunterricht, Elterngespräche oder ähnliches benötigt werden, seien bei dieser Zahl also nicht einberechnet.

Die 17 freien Klassenzimmer sind in Wahrheit nur acht - und das auch nur auf dem Papier

Bürgermeister Thomas Stark (parteilos) wies in diesem Zuge darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler eigentlich bis zur zehnten Jahrgangsstufe feste Klassenräume besitzen. Die freien Raumkapazitäten am Markt Schwabener Gymnasium würden jedoch "Wanderklassen" bedeuten. Es würde sich um eine Kapazität auf dem Papier handeln, 48 Unterrichtsstunden pro Woche, die unterschiedliche Räume zwischendurch mal frei seien - daraus ergebe sich rein rechnerisch acht Klassenzimmer. Zu sagen, dass 17 Klassenzimmer leer stehen, sei aber etwas anderes, sagte Stark, "das stimmt so nicht".

Gut 300 Erwachsene und zahlreiche Kinder haben mit einer Aktion auf dem Baugrund des geplanten Gymnasiums in Poing dessen zügige Umsetzung gefordert. Landrat Robert Niedergesäß hat extra Termine verschoben, um an der Kundgebung teilnehmen zu können, wie er damals sagte. (Foto: Johanna Feckl)

Wozu solche Aussagen führten, erzählten gleich mehrere Gremiumsmitglieder. So ist Franz Langlechner im Landkreissüden angesprochen worden nach dem Prinzip "was habt's ihr denn - gleich neben euch sind doch noch ein Haufen Räume frei", wie er sagte. Und auch Bürgermeister Stark selbst sei schon mehrmals mit Aussagen konfrontiert worden, nachdem Poing im Geld schwimmen würde, aus Prestigegründen unbedingt ein Gymnasium wolle, während es die übrigen Landkreiskommunen über eine steigende Kreisumlage letztlich zahlen sollten. "Aber das ist nicht unser Gymnasium, sondern ein Gymnasium für den nördlichen Landkreis", sagte Stark.

Am kommenden Montag, 23. Oktober, wird der Kreistag in seiner Sitzung über das weitere Vorgehen mit den Projekten auf der Warteliste entscheiden. Bürgermeister Stark geht davon aus, dass das Gymnasium erst einmal weiterhin dort verweilen wird, wie er sagte, trotz der Resolution der Gemeinde. Er versprach, dass dieser Vorstoß aber nicht der letzte bleiben wird. "Mir fällt da schon noch was ein", sagte er, "wir müssen da ständig am Ball bleiben."

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