Hinter den Kulissen:Wo der Putz so schön bröckelt

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Der Kulissenkünstler Uwe Wilfert kann die irrsten Welten entstehen lassen. Diesmal aber malt er vor allem alte Mauerstruktur. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Maler Uwe Wilfert gestaltet heuer bereits zum vierten Mal das Bühnenbild der "Weiherspiele". In seiner Werkstatt hinter der Theaterhalle erzählt er, wie er einst versuchte, eine Blamage zu verhindern.

Von Anja Blum, Markt Schwaben

Es ist noch nicht allzu lange her, da haben die "Weiherspiele" eine ziemliche Pleite erlebt: 2016 war das, da ließ der damals neue Spielleiter Fritz Humplmayr in seiner Komödie wie so oft die Liebe siegen - in diesem Fall sogar über den guten Geschmack. Zu tief griff das Stück in die Mottenkiste der Geschlechterklischees. Trotzdem können die Theatermacher aus Markt Schwaben dem früheren Regisseur bis heute dankbar sein, denn er holte erstmals Uwe Wilfert an den Weiher. Der Künstler vom Bodensee wusste bereits bei seiner Premiere zu überzeugen - und gestaltet seitdem die stets aufwendigen Kulissen der Weiherspiele.

2016 entführte das Stück "Planet XX" die Zuschauer, wenn auch deutlich weniger weit als üblich, nach Paris. Uwe Wilfert, der damals auch bei Proben dabei war, erinnert sich: "Das war so schräg - da wusste ich: Wenigstens das Bühnenbild muss so gut wie möglich werden." Also hängte der Maler sich ins Zeug, so dass die Stadt der Liebe letztlich eine umwerfende Kulisse bot. Eine beleuchtete Nachbildung des Eiffelturms strahlte über die ganze Bühne und spiegelte sich magisch in der glatten Wasseroberfläche. Auch die technischen Effekte waren bemerkenswert, an spektakuläre Darbietungen an ihrem Kirchweiher haben sich die Markt Schwabener schließlich längst gewöhnt.

Mit einem sensationellen Eifelturm hat der Bühnenmaler einst versucht, den "Planet XX" zu retten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Heute haben die Weiherspiele zwar zwei Jahre Corona-Pause hinter sich, doch das Theater am See ist längst wieder bestens aufgestellt, mit einem großen, kompetenten Team. An dessen Spitze steht Franz Stetter, der neben unzähligen anderen Aufgaben auch das Grundgerüst für Bühnenmaler Wilfert liefert: Als ehemaliger Raumausstatter ist es für Stetter ein Leichtes, meterhohe Leinwände aufzuziehen - auch wenn er damit schon zwei Wochen lang beschäftigt sei, wie er sagt. "Aber schauen Sie, da ist kein einziger Knitter drin!", freut sich der Mann mit dem Pinsel in der Hand.

Profis am Werk: Maler Wilfert ist begeistert von den Leinwänden, die Vereinschef Franz Stetter eigenhändig herstellt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hinten dran an der Theaterhalle am Burgerfeld, im Lager, steht Wilfert an diesem Vormittag zwischen unzähligen Leinwänden, größeren und kleineren. Und sie alle wollen von ihm bemalt werden. Welches Rechteck am Ende wo auf der Bühne steht, ist vorher freilich akkurat geplant. Denn Chef Franz Stetter, Regisseur Ferdinand Maurer und Technikexperte Michael Siegert überlegen sich bei jedem Stück ganz genau, welche Kulissen benötigt werden, wie die Welt aussehen soll, in die sie ihr Publikum entführen. Und das nicht nur aus künstlerischen Gründen: Jedes Jahr wieder muss der Verein beim Ebersberger Landratsamt einen Bauantrag für seine Seebühne stellen, "mit Architekt, Zeichnungen und allem drum und dran", erklärt Stetter. Inzwischen ist die Genehmigung aber da, damit darf nun ganz legal unter anderem ein Räuberquartier errichtet werden.

So sehen die Pläne aus, nach denen die Kulisse der Weiherspiele heuer entsteht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Weil sich bei den letzten zwei Inszenierungen das Konzept "Aus Alt mach Neu" bewährt hat, wird heuer wieder ein remasterter Klassiker gezeigt. Der Name verrät, wo man nach den Ursprüngen suchen muss: "Das Wirtshaus im Eberwald" geht auf Wilhelm Hauffs Novelle "Das Wirtshaus im Spessart" und die berühmt gewordene Verfilmung mit Lilo Pulver aus dem Jahr 1958 zurück. Allerdings spielt die Geschichte der Markt Schwabener nicht im Spessart, sondern in einem Wald irgendwo in Oberbayern, Ende des 19. Jahrhunderts.

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Etwa zwei Wochen lang wird Wilfert von früh bis spät mit der Kulisse für den "Eberwald" beschäftig sein, wenn die Seebühne aufgebaut ist, kommt er nochmal für ein paar Tage vom Bodensee her, um letzte Details zu ergänzen. Doch wie kam der Kontakt nach Markt Schwaben überhaupt zustande? Über einen Ladenbauer, beziehungsweise die Bäckerei Hasi, erklärt der Künstler, denn für diese habe er vor einiger Zeit mal zwei Dutzend Verkaufsflächen gestaltet. Humplmayr kaufte also offenbar mal beim Hasi Brezn oder Brot - und engagierte daraufhin Wilfert für den Weiher.

Für den Turm der Burg muss Uwe Wilfert hoch hinaus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zentrum der Kulisse ist diesmal also ein Wirtshaus, aber auch einen Wald aus echten Bäumen soll es auf dem Wasser geben, ein Räuberlager, eine Brücke und eine Burg. Im Vergleich zu den bisherigen Bühnenbildern, die Wilfert gestaltet hat, ist dieses in seinen Augen also eher eine "einfache Aufgabe". Klar, denn einen Palast wie im "Sommernachtstrauma" oder einen Himmel wie im "Brandner Kaspar" kann man, zumindest malerisch, nicht mit einem oberbayerischen Wirtshaus vergleichen. Zumal es in dem aktuellen Stück ja um verarmten Adel gehe, erklärt der Kulissenmaler, der Putz also schon ordentlich abgebröckelt sein müsse. Ein Familienwappen, natürlich mit Schwarzwild drauf, wird Wilfert allerdings schon noch entwerfen - "das muss sein!"

Ein Mordsdrum Palast: Eine Herausforderung war das Bühnenbild zum "Sommernachtstrauma" frei nach Shakespeare. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch wenn diesmal also kein Marmor, Stuck oder Gold vonnöten ist: Wilfert geht mit großer Leidenschaft zu Werke. Schließlich gelte es ja vor allem, die Stimmung des Stücks auszudrücken, "beim Zuschauer Emotionen zu wecken", sagt er, während er auf einem langen Tisch neue Farbe anrührt. "Und so ein abgewirtschaftetes Haus zu malen, macht ja auch Spaß." Überdies schätzt Wilfert die Zusammenarbeit mit dem Markt Schwabener Verein generell sehr. "So ein Volkstheater ist wie Balsam für die Seele. Vor allem, weil das hier so eine tolle Gemeinschaft und der Enthusiasmus groß ist."

Arbeiten gemeinsam daran, dass die Weiherspiele wieder ein voller Erfolg werden: Vereinschef Franz Stetter und Kulissenmaler Uwe Wilfert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wer sich mit dem Künstler aus Friedrichshafen unterhält, merkt sehr schnell, dass es hier, zwischen all den Farben, Pinseln und Leinwänden, um viel mehr geht als gemaltes Mauerwerk. Denn Wilfert hat schon einiges erlebt, wie man so schön sagt, und vermutlich deshalb eine ausgesprochen philosophische Ader entwickelt. Auch seine Bühnenmalerei dient ihm sogleich als Allegorie aufs Leben: "Das ist doch alles nur Kulisse, eine schöne Illusion - aber wo geht es hin, wenn dieser Akt vorbei ist?"

1962 geboren in Meerane, Sachsen, erlebt Wilfert zunächst eine eher unbelastete Kindheit, lässt sich zum Schäfer ausbilden. Doch mit dem Erwachsenwerden kommen die Probleme, er verzweifelt an den "Regeln", an dem "alltäglichen Wahnsinn" der DDR und dem Zustand ihrer Gesellschaft. "Die Menschen hatten keine innere Haltung mehr - da war nur noch Angst." Weil Wilfert diese "Ödnis und Verdrängung" bald nicht mehr aushält, stellt er einen Ausreiseantrag - und landet 1987 als politischer Gefangener im Knast. Dort trifft er Menschen, "für die war das eine Mördertour", doch er selbst bleibt, da noch jung und ungebunden, relativ stabil. Bereits ein halbes Jahr später kauft die BRD Uwe Wilfert frei, er geht nach Nürnberg, an die Kunstakademie, danach an die Freie Kunsthochschule Nürtingen. Seit 1994 arbeitet Wilfert selbständig als freischaffender Künstler in den Bereichen Kunst, Grafik und Gestaltung, er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Dass Wilfert durch und durch Maler ist, verrät schon sein Sammelsurium an Pinseln. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wozu Menschen fähig sind - das erschüttert Wilfert immer wieder zutiefst, bis heute. "Und auch jetzt ist wieder mentale Stärke gefragt", sagt er mit Blick auf Krieg und Pandemie. "Das Leben spielt einfach immer wieder völlig absurde Stücke, die man sich nicht ausdenken kann." Gerade für freischaffende Künstler wie Wilfert waren die vergangenen zwei Jahre hart, das klingt im Gespräch deutlich durch. "Ich glaube, wir alle können jetzt die Aufmunterung durch eine Komödie brauchen."

Umso glücklicher ist er jedenfalls, nun in Markt Schwaben arbeiten zu können. All die großen Wände, die das Publikum später nur aus 30 Metern Entfernung sehen wird, in der Enge des Theaterlagers zu gestalten, fällt Wilfert nicht schwer. Mit geübter Hand - "das ist alles im Arm gespeichert" - trägt er Farbe und Wasser auf, lässt aus dem Nichts blanke Ziegel und alten Putz entstehen. Man sieht grobe Fahrer, Spritzer, verwackelte Linien, doch Stetter ist sich sicher, dass am Ende alles wieder fantastisch aussehen wird. "Wir sind sehr froh über diese Zusammenarbeit, denn Uwe hat immer tolle Ideen und kommt offenbar sehr gerne zu uns." Außerdem sei ein beeindruckendes Bühnenbild Grundvoraussetzung für gelungene Weiherspiele. Dass es im Eberwald um einiges lustiger und niveauvoller zugeht als damals auf "Planet XX", davon ist aber ebenfalls auszugehen.

Die Weiherspiele in Markt Schwaben dauern heuer von 1. bis 30. Juli. Tickets gibt es unter www.theater-marktschwaben.de , mittwochs und freitags zwischen 16 und 18 Uhr im Markt Schwabener Vorverkaufsbüro, Schlossplatz 1, sowie telefonisch unter (08121) 22 4 22. Am Samstag, 9. Juli, wird es auf der Seebühne ein Konzert von Sternschnuppe für Kinder geben.

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