Kultur in Markt Schwaben:Voll im Trend

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Etwa 8 000 LPs und 25 000 Singles bietet der Rock Store in der Färbergasse 23. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Rock Store läuft alles rund: Der Non-Profit-Plattenladen hat sich zur beliebten Fundgrube für Vinyl-Fans aus der ganzen Region entwickelt. Das wird nun gefeiert, im November gibt es wieder ein Band Battle.

Von Michaela Pelz, Markt Schwaben

In manchen Lebensphasen ist für das Herzenshobby kein Geld da. In anderen fehlt die Zeit. Manchmal aber fügen sich die Dinge eben erst später - und eine Ehrenamt gewordene Leidenschaft, geboren aus großer Begeisterung, Ideenreichtum und Altersteilzeit, führt zu etwas richtig Großem. So geschehen in Markt Schwaben mit der Eröffnung des Rock Store vor zwei Jahren.

Die Non-Profit-Plattenbörse im ersten Stock der Färbergasse 23 ist inzwischen ein Magnet für Vinyl-Fans der Region und weit darüber hinaus. Aus München, Rosenheim, praktisch dem gesamten Oberland und sogar Stuttgart kommen Menschen allen Alters, um am Donnerstag, Freitag und Samstag von 10 bis 18 Uhr in den derzeit geschätzt 8 000 LPs und 25 000 Singles des Ladens zu stöbern. Das blieb auch in Fachkreisen nicht unbemerkt: Fünf ganze Seiten widmete das Mint-Magazin, der "Rolls-Royce unter den Branchenzeitschriften", unlängst dem Rock Store.

In den vergangenen fünf bis zehn Jahren habe sich ein regelrechter Vinyl-Hype entwickelt, und zwar nicht nur in den Reihen der älteren Generation, sagt Matthias Triebel vom Rock Store. "Viele alte Platten werden nachgedruckt, es gibt aber auch Künstler, die ein neues Album in doppelter Ausführung auf den Markt bringen - als CD und auf Vinyl. Teilweise muss man sogar eine ganze Zeit warten, weil es gar nicht mehr so viele Presswerke gibt." Um zu sehen, wie sich die Nachfrage verändert habe, reiche ein Besuch in einem Elektromarkt: "Wo noch vor ein paar Jahren nur einer oder zwei Plattenspieler rumstanden, findet sich heute ein ganzes Regal davon."

Offiziell zum Team gehören (von links): Martin Hubensteiner, Michael Kramer, Matthias Triebel und Sabine Drobner. Ehemann Franz Drobner ist immer da, wenn es brennt. (Foto: Rock Store/oh)

Ganz besonders freut sich das Team auch darüber, dass der unerwartete Erfolg des Plattenladens dem Kunst- und Kulturleben des gesamten Ortes zugutekommt: Der Rock Store habe sich zum stabilen Förderstandbein eines entsprechenden Aktivkreises entwickelt. An diesen geht, was nach Abzug der Kosten oder nötigen Investitionen aus den Verkaufserlösen übrig bleibt. Der Rock Store entscheidet aber über die Verwendung. "Mehr als 10 000 Euro konnten wir 2022/2023 für Projekte zur Verfügung stellen. Vom Sofa-Konzert bis zur Vernissage", erklärt stolz Matthias Triebel.

Der 51-jährige Musikfan, im Brotberuf Verlags-Manager, ist Ideator des Ganzen, sieht sich aber nicht als Chef. "Bei uns ist jeder gleichberechtigt und bringt sich gleichermaßen ein." Darum wechselt er sich mit Martin Hubensteiner, Sabine Drobner und Michael Kramer bei Beratung und Verkauf ab.

Die liebevollen Dekorationen verraten, wo hier der Schwerpunkt liegt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Da es sich aber um ein Ehrenamt handelt, muss der Laden während der Öffnungszeiten zuweilen unbesetzt bleiben. Mit teils unschönen Folgen. "Wir haben immer auf die Ehrlichkeit der Kunden vertraut", sagt Hubensteiner, doch leider habe sich das in jüngster Zeit verändert: Das Rock-Store-Team geht von einem Einzeltäter aus, der dreist teure Schallplatten mitgehen lässt. "Der allergrößte Teil unserer Kundschaft ist treu und ehrlich, weiß, wie viel Arbeit hinter dem Laden steckt, und bezahlt unsere wirklich fairen Preise gern. Umso trauriger, wenn ein Langfinger die Gelegenheit nutzt und uns und unsere Kunden versucht, abzuzocken."

Darum soll nun eine Kamera installiert werden. "Wir tun das nicht gern, aber es hilft ja nix", erklärt Triebel voller Bedauern. Ein wenig ärgerlich ist er aber auch: "Wir sitzen stundenlang, wählen und preisen die Platten aus, und dann torpediert jemand auf diese Weise unser Sozialprojekt." Denn das ist die zentrale Idee hinter dem Laden: Schallplatten wieder in den Konsumkreislauf zu bringen und zu verhindern, dass sie vernichtet werden. "Ob Hobbyaufgabe, Nachlass oder Fund aus dem Keller -wir können mit allen Scheiben etwas anfangen und mit dem Erlös andere Kulturprojekte mitfinanzieren", fasst Triebel zusammen, warum er und seine Mitstreiter nicht müde werden zu sagen: "Tut Gutes mit eurem Vinyl".

Martin Hubensteiner legt auf Wunsch auch selbst auf. Der Plattenspieler läuft störungsfrei, dank einer Entkopplung seiner Unterlage vom restlichen Podest. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie günstig, dass zum Team der frühere Eventmanager Martin Hubensteiner und Künstlerin Sabine Drobner gehören. Wo der eine immer vorn dabei ist, wenn es um Projekte und Aktionen zur Steigerung des Bekanntheitsgrades geht, liegt der Fokus der anderen auf Organisation und Gestaltung - der Jim Morrison an der Wand ist ihr Werk. Ist Not am Mann, kann das Team zudem stets auf Drobners Gatten Franz zählen.

Sabine Drobner hat Jim Morrison an der Wand verewigt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Kernmannschaft wird komplettiert durch Plattenkenner Michael Kramer, der auch den Bereich Social Media verantwortet. Zuletzt war der 64-Jährige als Geschäftsführer einer Kaffeerösterei tätig. "Wir zwei Musik-Nerds sind dafür zuständig, die Spenden zu sichten und auszuzeichnen", fasst Triebel die zentrale Aufgabe der beiden zusammen. Für die Preisgestaltung bedienen sie sich der unter Musikschaffenden beliebten, kostenlosen Online-Datenbank Discogs. "Wir nehmen deren Mittelverkaufspreis und gehen dann noch ein paar Euro runter", erläutert Kramer das Vorgehen.

Zwar reißt der Strom an gebrauchten Tonträgern bisher nicht ab, dennoch dürfte es gern noch ein bisschen mehr gespendet werden. Darum lautet Kramers eindringlicher Appell: "Bitte nichts wegwerfen!". Gern hole man die Ware auch ab - unlängst habe er nach dem Tod eines alten Herrn "bestimmt 200 Platten rausgetragen" - davon 25 von Udo Lindenberg.

Hier findet sich wirklich für jeden Geldbeutel etwas. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Viele Platten finden den Weg in den Rock Store über Boxen auf den Wertstoffhöfen. Gesammelt wird in Poing, Ebersberg, Grafing und Markt Schwaben sowie in zwei Büchereien. "Man darf uns auch einfach eine Kiste vor die Tür stellen oder die Sachen unten in der Trödlerei abgeben", heißt es.

Mit dem im Erdgeschoss befindlichen Second-Hand-Geschäft gebe es ein "ausnehmend gutes Miteinander". Bei den von Inhaberin Barbara Kiefl organisierten Haushaltsauflösungen halte diese immer Ausschau danach, "ob etwas dabei ist, was wir brauchen können". Zuweilen werde auch - entweder mit ihr oder mit einem befreundeten Händler - getauscht: CDs oder DVDs gegen Vinyl. "Dadurch müssen wir praktisch nichts ablehnen", freut sich Triebel.

Das gilt auch für Genres, die man im Rock Store selbst nicht zum Verkauf anbietet, "weil wir uns auf Pop und Rock, vor allem von den Siebzigern bis zu den Neunzigern konzentrieren", wie Triebel erläutert. Kommt dann eine bunt gemischte Kiste, nehme man sich das, was man brauchen könne - "etwa Schätzchen wie die Beach Boys" - und befördere den Rest an ein ganz besonderes Plätzchen.

Hier wird alles gesammelt, was nicht der Ausrichtung des Rock Store entspricht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Den Giftschrank. "Dort wird alles eingelagert, was nicht zu unserem Sortiment passt. Klassik, Schlager und Sampler. Ist der Schrank voll, geht der Inhalt en bloc für 50 Euro weg", erklärt Triebel das Prozedere. "Auf diese Weise können auch Howard Carpendale, Heino und Roland Kaiser weiterleben - es bleibt alles im Kreislauf." Das ist dem Musikliebhaber ganz wichtig und funktioniert gut, wie ein Blick in das schöne, alte Möbelstück zeigt: Es ist fast leer.

Dafür sind die Schütten und Regale gut gefüllt, sogar Weinkisten und ein alter Koffer müssen als Behältnisse herhalten.

Alles ist hier voll von Platten - durch einen kontinuierlichen Strom an Neuware lohnt sich das Stöbern immer wieder neu. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für manche ist das Stöbern im Rock Store eine Zeitreise in die eigene Vergangenheit, für andere ein ganz neues Abenteuer. "Neulich musste ich einem jungen Mädchen zeigen, wie man eine Single abspielt", erzählt Kramer mit leisem Lachen.

Wie war das nochmal? Was muss wohin gesteckt werden und welche Geschwindigkeit braucht es? Ganz stilgerecht wurde hier eine Vinyl-Single zum Behälter für 'Single-Pucks' umgearbeitet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nun soll das zweijährige Bestehen des Ladens groß gefeiert werden. Bei freiem Eintritt trifft man sich am Samstag, 27. April im Unterbräusaal am Marktplatz zur "Party-Night 70er bis 90er". Vom ortsansässigen Luis-Bräu kommen die Getränke, "auflegen wird DJ Manu aus Forstinning und zwischendurch Michael Kramer und ich - ganz authentisch Vinyl-Schallplatten", sagt Triebel voller Vorfreude.

Auch das nächste Band-Battle ist schon geplant - am 9. November soll dieses, wie gehabt, im Jugendzentrum Blues stattfinden. "Diesmal allerdings wird sich jeder bewerben können, es gibt keine Altersobergrenze mehr", beschreibt Triebel die diesjährige Neuerung. Am geringen Jugendnachwuchs seien die fehlenden Probenräume im Landkreis schuld.

Den Rock-Store-Kunden wiederum, egal ob jung oder alt, fehlt es offenbar an nichts: "Wir haben ganz viele nette, die unendlich dankbar dafür sind, dass es so ein Refugium hier in Markt Schwaben gibt!" Der stärkste Antrieb zum Weitermachen scheint aber wohl doch das zu sein, was in jedem Satz deutlich wird: der gelebte Enthusiasmus für Musik auf Vinyl.

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