Geplante Flüchtlingsunterkunft:Anwohner starten Bürgerbegehren

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Die ehemaligen Werksgebäude der Firma Atron sollen zur Unterkunft für 120 Menschen werden - die Nachbarn sind dagegen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die neu gegründete Bürgerinitiative beginnt mit dem Sammeln von Unterschriften. Ziel ist eine Abstimmung über eine Veränderungssperre auf dem ehemaligen Atron-Gelände. Dadurch soll die Flüchtlingsunterkunft in Markt Schwaben verhindert werden.

Von Wieland Bögel, Markt Schwaben

Die Differenzen um eine geplante Flüchtlingsunterkunft nahe des Markt Schwabener Bahnhofes könnten in einem Bürgerentscheid geklärt werden. Zumindest, wenn es nach den Anwohnern in der Umgebung des stillgelegten Gewerbegebietes geht. Einige von ihnen hatten im Dezember die Bürgerinitiative "Burgerfeld wird Bürgerfeld" gegründet, nun wurde damit begonnen, die nötigen Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln.

Anfang Dezember wurde bekannt, dass das Landratsamt Ebersberg die leer stehenden Gewerbeimmobilien auf dem Grundstück zwischen der Straße Am Ziegelstadel und Münterstraße auf sieben Jahre gemietet hat und diese bis Mitte 2024 als Flüchtlingsunterkunft mit 120 Plätzen umbauen will. Seitens der Anwohner der nahen Wohnsiedlung "Am Burgerfeld", aber auch aus dem Gemeinderat kam Kritik: Erstere bemängelten unter anderem die Größe der geplanten Einrichtung, aber auch den Standort inmitten eines Wohngebietes. Aus dem Gremium gab es den Vorwurf, Markt Schwabens Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) habe den Gemeinderat zu wenig eingebunden und auch zu wenig informiert.

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Die Informationsveranstaltung zur neuen Flüchtlingsunterkunft in Markt Schwaben hat Hunderte besorgte Anwohner in die Theaterhalle am Burgerfeld gelockt. Mit den Informationen, die sie dort erhalten haben, zeigen sie sich allerdings wenig zufrieden.

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Informationen gab es dann vier Tage vor Weihnachten auf einer Veranstaltung in der Theaterhalle, die ebenfalls neben der Siedlung am Burgerfeld liegt. Hunderte Interessierte waren gekommen, um mit dem wegen Corona per Video zugeschalteten Bürgermeister Stolze und dem persönlich anwesenden Landrat Robert Niedergesäß (CSU) zu debattieren. Der Rathauschef betonte, man sei als Gemeinde quasi nur Zuschauer, da das Grundstück in privater Hand und das Landratsamt für die Baugenehmigung zuständig sei. Der Landrat überraschte mit der Aussage, in seiner Behörde sei man davon ausgegangen, das Gewerbegebiet liege viel weiter entfernt von Wohnbebauung.

Einen Tag nach der Veranstaltung wurde dann die Bürgerinitiative "Burgerfeld wird Bürgerfeld" gegründet, an diesem Montag hatte diese zu einem Ortstermin eingeladen. Dieser Einladung gefolgt waren Landrat Niedergesäß, Bürgermeister Stolze und seine Stellvertreterin Walentina Dahms (CSU) sowie einige Gemeinderatsmitglieder. Nächster Schritt ist nun das Sammeln von Unterschriften für ein Bürgerbegehren, die Vorstufe zu einem Bürgerentscheid. Damit es zu einem solchen kommt, müssen in einer Gemeinde von der Größe Markt Schwabens neun Prozent der Einwohner unterschreiben. Laut Auskunft der Marktgemeinde sind dort aktuell 14 452 Personen gemeldet, dies ergäbe ein Quorum von 1301 Unterschriften.

Der Vorsitzende der Bürgerinitiative Michael Kümpfbeck bei einem Ortstermin vor dem Standort der geplanten Flüchtlingsunterkunft beim Burgerfeld in Markt Schwaben. (Foto: Stephan Görlich)

Damit der Bürgerentscheid erfolgreich ist, muss sich zum einen eine Mehrheit für das Anliegen der Initiatoren aussprechen, zum anderen müssen die Ja-Stimmen dann auch mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten entsprechen. Beim jüngsten Urnengang, der Landtagswahl 2023, waren in der Marktgemeinde 8471 Personen wahlberechtigt, das entspräche einer Mindestanzahl an Ja-Stimmen von 1695. Da bei kommunalen Wahlgängen aber mehr Personen Stimmrecht haben, als bei überregionalen, dürfte die Zahl noch ein Stück höher liegen.

Dazu, über was konkret abgestimmt werden soll, haben sich die Initiatoren Michael Kümpfbeck, Stefan Geisser und Andreas Stumptner bereits festgelegt. "Wir haben uns in der Bürgerinitiative zum Ziel gesetzt, einen Beschluss für einen neuen Bebauungsplan durch den Marktgemeinderat und den sofortigen Erlass einer Veränderungssperre zu erwirken", schreibt der Vorsitzende der Bürgerinitiative Kümpfbeck in einer Pressemitteilung.

Die Initiatoren fordern eine Überplanung des Geländes, die zur Nachbarschaft passt

Die Fragestellung ist nämlich entscheidend dafür, ob ein Bürgerentscheid rechtlich zulässig ist. Laut Bayerischer Gemeindeordnung können Bürgerentscheide - mit einigen Ausnahmen, etwa beim Haushalt - "über eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde" abgehalten werden. Die Bauleitplanung wäre eine solche.

Darauf verweisen die Initiatoren des Begehrens auch ausdrücklich in ihrer Pressemeldung: "Mit ihrer Unterschrift können die Bürger dazu beitragen, dass die Gemeinde durch geeignete bau- und planungsrechtliche Maßnahmen die Einrichtung der Asylunterkunft am Burgerfeld/ Ziegelstadel verhindert. Konkret kann die Gemeinde etwa einen Bebauungsplan-Aufstellungsbeschluss erlassen und eine Veränderungssperre (...) beschließen."

Ziel der neuen Planung soll ein "Zukunftskonzept" sein, das der besonderen Kombination aus "zwischen Bahnhof, Einkaufsareal, sozialen Einrichtungen, Theaterhalle und der familienfreundlichen Wohnbebauung" gerecht wird. Eine solche Planung fällt in die Zuständigkeit der Gemeinde, dies bestätigt Bürgermeister Stolze. Auch sei das Vorgehen, eine Veränderungssperre zu erlassen, während ein Bebauungsplan erarbeitet wird, in der Bauleitplanung durchaus üblich. Genaueres könne man aber erst sagen, sobald die konkrete Frage vorliege.

Im Rathaus wie im Landratsamt setzt man in der Sache auf Deeskalation

Die Möglichkeit der Politik, mit einem Ratsbegehren gewissermaßen die Gegenfrage zu stellen - auch das kommt nicht selten vor - schließt Stolze zumindest zum jetzigen Zeitpunkt aus. "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich das in diese Richtung entwickelt - und ich kann mir nicht vorstellen, dass man es weiter eskalieren lässt."

Auch im Landratsamt ist man um Deeskalation bemüht. Ganz unabhängig davon, was die Prüfung der Fragestellung ergebe, "wenn die Menschen Unterschriften sammeln, drücken sie ein Begehren aus, das man zur Kenntnis nehmen muss", sagt Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Er macht auch klar, sollte es zu einem Bürgerentscheid kommen und sollte dieser im Sinne der Initiatoren ausgehen "ist das Thema erledigt", das Landratsamt werde das Vorhaben nicht nach Auslaufen der Bindungsfrist ein Jahr darauf wieder aufnehmen.

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Derzeit gebe es in der geplanten Unterkunft beim Burgerfeld einige vorbereitende Arbeiten, so Niedergesäß, "Stand jetzt gehen wir davon aus, dass das Gebäude bezogen werden kann". Dass dies aber geschieht, bevor der Bürgerentscheid stattfindet, hält der Landrat nicht für wahrscheinlich. Sobald sich abzeichne, dass das Bürgerbegehren zulässig ist und genügend Unterschriften findet - "ich glaube, dass die in einem sehr kurzen Zeitraum zusammenkommen" - werde man die Planungen bis zum Bürgerentscheid auf Halt setzen.

Wo der Landkreis stattdessen Unterkünfte schaffen kann, ist offen

Gleichzeitig bleibe die Dringlichkeit, weitere Unterkunftskapazitäten zu schaffen hoch, so Niedergesäß. Nach der Eröffnung der Unterkunft in Vaterstetten konnten zwar einige Bewohner aus dem Ebersberger Sparkassenbau dorthin umziehen, der so entstandene Puffer an freien Plätzen sei aber überschaubar: Ein bis zwei Busse mit Asylbewerbern, also etwa 40 Personen, könnte der Bezirk noch schicken "dann haben wir bis auf Weiteres keine Unterkünfte mehr".

Die Gemeinde Markt Schwaben, so Stolze, könne dem Freistaat - dieser hat die ehemaligen Atron-Firmengebäude über das staatliche Landratsamt angemietet - keine Ausweichmöglichkeiten anbieten, sagt Stolze, "die Gemeinde hat keine Liegenschaften". Man suche aber nach geeigneten privaten Immobilien. Allerdings mit Einschränkungen: die im Zusammenhang mit der Debatte um die Unterkunft ebenfalls geforderten kleinen, dezentralen Einrichtungen. Solche habe die Gemeinde nach Beginn des Krieges in der Ukraine gesucht, so Stolze weiter, und auch einige Vermieter gefunden, "aber das staatliche Landratsamt hat eine andere Präferenz geäußert". Konkret sei der Gemeinde mitgeteilt worden, "dass man mit diesen granularen Einheiten nicht weiterkommt".

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