Flüchtlingsunterkunft Markt Schwaben:Location, Sorgen, Angst

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Streit um Unterbringung: 120 Geflüchtete sollen in dieses alte Gebäude der Firma Atron in Markt Schwaben einziehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Informationsveranstaltung zur neuen Flüchtlingsunterkunft in Markt Schwaben hat Hunderte besorgte Anwohner in die Theaterhalle am Burgerfeld gelockt. Mit den Informationen, die sie dort erhalten haben, zeigen sie sich allerdings wenig zufrieden.

Von Merlin Wassermann, Markt Schwaben

Das Podium in der Theaterhalle am Burgerfeld ist im Verhältnis zu den Sitzplätzen etwas erhöht, ein Mikrofon steht bereit. Die Bühne ist also wortwörtlich bereit für die Informationsveranstaltung zur neuen Flüchtlingsunterkunft in Markt Schwaben, zu der der Markt sowie das Landratsamt Ebersberg die Anwohnerinnen und Anwohner des Burgerfelds und des Ziegelstadels eingeladen hatten. Hunderte sind gekommen, so viele, dass die Sitzplätze nicht ansatzweise ausreichen. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft soll bis Mai 2024 eine Unterkunft für bis zu 120 Geflüchtete entstehen.

Die Bühne betreten will - oder kann - aber keiner so richtig. Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) ist noch Corona-positiv und deswegen über einen großen Bildschirm zugeschaltet. Auch Landrat Robert Niedergesäß (CSU) bleibt lieber "auf dieser Ebene", um mit den Anwohnern ins Gespräch zu kommen.

Die Sorgen im Gepäck: Hunderte Anwohner sind erschienen, um Informationen zu erhalten. (Foto: Christian Endt)

Für die kommt das vermutlich etwas zu spät, viele fühlen sich von oben herab behandelt und wollen ihren Sorgen Ausdruck verleihen. Die meisten der zahlreichen Wortmeldungen drehen sich um die Themen Transparenz, Integration und Sicherheit. Bezüglich ersterer zeigt sich ein Anwohner "entsetzt", ein anderer sieht gar die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährdet, da die Bürger nicht über die Anmietung informiert und befragt wurden.

Eine Integration von 120 Menschen, von denen womöglich ein großer Teil aus "jungen Männern" besteht, die aus "anderen Kulturkreisen" stammen, können sich viele nicht vorstellen. Zwar sei man nicht grundsätzlich gegen die Aufnahme von Geflüchteten und man sehe auch, dass Markt Schwaben seinen Beitrag leisten muss, so der O-Ton. "Aber dieser Standort ist es nicht", sagt ein Anwohner und erntet dafür großen Applaus.

Schließlich sei das Wohnquartier bis jetzt von Offenheit geprägt, es gäbe kaum Zäune und Kinder hätten die Möglichkeit, auch ohne elterliche Aufsicht in den Parkanlagen und auf den Spielplätzen zu spielen. Ein Vater von drei Kindern habe "Riesenbauchschmerzen", wenn er sich vorstelle, wie junge Männer in "Rudeln" - er entschuldigt sich direkt für die Formulierung - aus Langeweile in den Grünanlagen ihre Zeit totschlagen. Von mehreren Seiten werden Sorgen bezüglich der Sicherheit von Kindern und Frauen vorgebracht. Es steht im Raum, dass sie - auch sexuell - belästigt werden könnten.

Die Fragen der Anwesenden lauten entsprechend: Wie sollen Integration und Sicherheit gewährleistet werden?

Stolze und Niedergesäß versichern, dass sie die Sorgen ernst nehmen

Bürgermeister und Landrat drücken in ihren Eingangsstatements ihr Verständnis aus. "Mir sind Ihre Ängste nicht egal", so Stolze. Allerdings reiße der Zustrom an Geflüchteten nicht ab, man müsse "dringend Kapazitäten schaffen" und weiter: "Den idealen Standort gibt es nicht. Ich bin kein Freund davon, Geflüchtete an den Stadtrand zu verbannen."

Er reagiert außerdem auf Vorwürfe, nach denen er die Bürger nicht informiert und nichts getan habe, um die Unterkunft zu verhindern. "Was hätte es gebracht, wenn ich von Tür zu Tür gegangen wäre, um Zu- oder Ablehnung zu eruieren?", fragt er in den Raum. Die Gemeinde sei bei der Schließung des Mietvertrags nicht involviert gewesen, diese sei Sache des Landratsamts gewesen.

Michael Stolze ist aufgrund einer Corona-Erkrankung über einen Bildschirm zugeschaltet und antwortet so auf die vielen Fragen. (Foto: Christian Endt)

Sobald der Vertrag unterzeichnet war, hätte er den Gemeinderat in einer nichtöffentlichen Sitzung informiert. Man habe die Öffentlichkeit mit einer Pressemitteilung informieren wollen, das "Wording" habe "behutsam vorbereitet" werden sollen. Einige Zuhörer reagieren darauf verärgert und bringen zum Ausdruck, dass sie sich nicht ernst genommen fühlen.

Stolze betont schließlich, dass es zwar eine "große Herausforderung" werden würde, die Menschen zu integrieren und nicht nur wegzusperren, aber man könne es schaffen.

Er sagt aber auch: "Ich kann keinen Blumenstrauß an konkreten Maßnahmen präsentieren." Er verweist darauf, dass man die Zeit nutzen wolle, um etwa mit dem Helferkreis "Seite an Seite e.V." eine Stoffsammlung zu erarbeiten und sich so an bereits gelungenen Beispielen von Integration und Sicherheitskonzepten zu orientieren.

Der Mietvertrag gilt für sieben Jahre

Robert Niedergesäß sagt wiederum, er kenne die Situation intensiv, seit zehn Jahren habe er als Landrat mit der Unterbringung von Geflüchteten zu tun. Er verweist auf Fehler aus Berlin sowie auf die Regierung von Oberbayern, die ihn rechtlich dazu verpflichte, Geflüchtete aufzunehmen.

Mit der Firma Atron, in deren ehemaligen Firmengebäude die Unterkunft entstehen soll, sei man seit Anfang des Jahres in Kontakt. Im Herbst sei schließlich nach einer ersten baurechtlichen Prüfung der Mietvertrag unterschrieben worden. Neu ist die Information zu dessen Dauer: Der Vertrag wurde auf sieben Jahre festgelegt. Das sei "eine halbe Ewigkeit", kommentiert einer der Zuhörer.

Niedergesäß sagt außerdem etwas, das den Anwesenden mehr als ein Raunen entlockt. Er hätte die Information gehabt, dass es sich um ein gewerbliches Gebäude abseits vom Wohngebiet handelte. Nun sei ihm die wortwörtliche Lage bewusst, aber "jetzt ist die Situation so, wie sie ist".

Womöglich wird es ein Bürgerbegehren gegen die Unterkunft geben

Die Anwesenden zeigen sich wenig zufrieden. Einer sagt, er sei "schockiert" und fragt, ob das ein Fehlereingeständnis war. "Es war kein behördlicher Fehler", antwortet Niedergesäß, da er zur Unterbringung von Geflüchteten verpflichtet sei. Er nehme es allerdings auf seine Kappe, dass er sich mit der ersten Information zufriedengegeben habe.

Auf eine andere Frage sagt er außerdem, er glaube, die Unterkunft werde "nicht gut" für das Quartier sein. Wer dort letztendlich einzieht, könne er allerdings nicht sagen. Das Amt erfahre zehn Tage zuvor, dass ein Bus kommt und zwei Tage vorher, wie sich die Geflüchteten zusammensetzen.

Er sagt aber auch, dass die Regierung von Oberbayern möglicherweise auch selbst den Mietvertrag abgeschlossen hätte. Außerdem betont er, dass sich seiner Erfahrung nach viele Sorgen lösen würden, sobald die Unterkunft stünde. So gebe es etwa wenig Probleme mit den Geflüchteten im ehemaligen Gebäude der Sparkasse in Ebersberg. Es wäre etwa gelungen, zwei Drittel der Menschen, die seit Dezember 2022 dort angekommen waren, in Arbeit zu bringen.

Schwieriges Publikum: Landrat Robert Niedergesäß versucht, seine Entscheidung verständlich zu machen. (Foto: Christian Endt)

Nichtsdestotrotz versichert er, dass er - sollte er dann noch Landrat sein - den Mietvertrag nach Ablauf der sieben Jahren nicht verlängern und sich dafür einsetzen würde, dass auch die Regierung von Oberbayern das Objekt nicht anmieten würde.

Den Mietvertrag jetzt zurückzunehmen, schließt er aus, da der Landkreis dann Schadenersatz zahlen müsste. Zunächst würde nun eine baurechtliche Umwidmung des Gebäudes angestrebt, die dem Bauausschuss des Gemeinderats vorgelegt würde. Sollte diese abgelehnt werden, würde das staatliche Landratsamt in diesem Fall das gemeindliche Einvernehmen ersetzen, sprich: Sollte das Vorhaben baurechtlich durchführbar sein, ist eine Zustimmung der Gemeinde nicht nötig.

Die Anwohner werden ihrerseits weiter gegen die Unterkunft protestieren. Michael Kümpfbeck etwa, der in der Straße Am Ziegelstadel wohnt, hat der SZ angekündigt, ein Bürgerbegehren gegen den Standort anstrengen zu wollen. Man darf also auf den nächsten Akt gespannt sein.

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